AboAbonnieren

Tödlicher Angriff bei CSD in MünsterVerdächtiger zuvor durch Gewalt aufgefallen

Lesezeit 3 Minuten
Protest Münster CSD

Nach dem Tod von Malte C. demonstrieren Menschen in Münster gegen Gewalt an queeren Menschen.

Münster – Nach einem tödlichen Angriff auf einen 25-jährigen trans Mann am Rande des Christopher Street Day (CSD) in Münster fördern die Ermittlungen zu dem Tatverdächtigen neue Details zutage.

Bei dem Beschuldigten handelt es sich um den 20-jährigen Lagerarbeiter Nuradi A.. Der Tschetschene soll am Abend des 27. August einen CSD-Besucher ins Koma geprügelt haben. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ lebt er seit acht Jahren bei seiner Mutter in Deutschland. Sein Vater hingegen wohnt immer noch in der russischen Teilrepublik. Vor diesem Hintergrund hat ein Amtsrichter für den Beschuldigten, der im Grenzdorf Tukhchar geboren wurde, wegen Fluchtgefahr die Untersuchungshaft angeordnet. Zumal auch ein hohes öffentliches Interesse an dem Fall bestehe, lautet die Begründung. Ferner steht der Haftgrund der Wiederholungsgefahr im Raum. Denn der Boxsportler ist bereits bei Justiz und Polizei bekannt.

Verdächtiger war der Polizei bereits bekannt

Im Februar hatte Nuradi A. einen Widersacher ebenfalls mit einem Faustschlag niedergestreckt. Im Juni wurde A. wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer sogenannten Erziehungsmaßregel verurteilt. A. sollte 200 Euro an eine soziale Einrichtung zahlen und für ein halbes Jahr durch einen Sozialarbeiter beaufsichtigt werden.

Alles zum Thema Christopher Street Day

Erst kürzlich, so die Bild-Zeitung, hatte die Ausländerbehörde den Aufenthaltstitel für Nuradi A. um ein Jahr bis 2023. Derzeit ist die Abschiebung von Staatsangehörigen der Russischen Föderation nach dem Überfall des Kreml auf die Ukraine ausgesetzt.

Queerfeindlicher Angriff

Welche genauen Motive hinter dem queerfeindlichen Angriff stecken, bleibt bisher unklar. Ramzan Kadyrow, Paladin Waldimir Putins, treibt die Verfolgung von Homosexuellen in Tschetschenien seit Jahren massiv voran. Ließ sich der Schläger von Münster durch die homophoben Ressentiments in seiner Heimat zu der Tat bewegen? Der U-Häftling hat sich bisher nicht zu seiner Tat geäußert. Auch versuchen die Ermittler immer noch, seinen Begleiter zu identifizieren.

Nuradi A. beschimpfte Frauen

Die Attacke erfolgte kurz nach 20 Uhr nahe dem Münsteraner Stadtwerkeplatz. Im Hintergrund lief immer noch ein CSD-Event, als Nuradi A. mit einem Bekannten auf drei Frauen aufmerksam wurde, die an einer Bushaltestelle standen. Der Tschetschene lief auf die CSD-Besucherinnen zu. Höchst aggressiv beschimpfte der Boxsportler die Frauen als „dreckige Lesben, dreckige Huren“. Malte C., ebenfalls ein CSD-Teilnehmer, mischte sich laut Staatsanwaltschaft ein. „Wo ist denn das Problem?“ Vergeblich versuchte der trans Mann die Lage zu beruhigen.

Nuradi A. und sein Begleiter sollen den Ermittlungen zufolge weiter ausgerastet sein und den Mittzwanziger wüst beleidigt haben. Er wäre ja gar kein Mann, so der Tenor, weil er transsexuell sei. Ohne weiteres Zögern schlug der A. auf Malte C. ein und schickte gleich einen zweiten gezielten Schlag hinterher. Bewusstlos fiel das Opfer mit dem Hinterkopf auf den Asphalt. Daraufhin flüchteten der Schläger und sein Kumpel.

Malte C. starb im Krankenhaus

Mit lebensgefährlichen Kopfverletzungen wurde Malte C. in die Klinik gebracht. Trotz einer Notoperation starb das Opfer am frühen Freitagmorgen. Auf die Spur des Tatverdächtigen gerieten die Strafverfolger durch Handyvideos. Die Polizei erkannte den Mann wieder. Daraufhin wurden den drei Zeuginnen der Tat Lichtbilder und Videos von Nuradi A. vorgelegt, auf denen sie den Verdächtigen zweifelsfrei identifizierten. Die Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge.

Siegmund Benecken, Verteidiger des Beschuldigten, wollte sich Anfrage nicht näher äußern. Allerdings hält der Anwalt die Inhaftierung seines Mandanten angesichts des Tatvorwurfs für unverhältnismäßig: „Wir warten nun auf Akteneinsicht und werden dann einen neuen Haftprüfungsantrag stellen, um unseren Mandanten zunächst einmal freizubekommen.“