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„Sie flehten mich an“Kinderarzt berichtet vom Horror des Massakers in Uvalde

Lesezeit 4 Minuten
Uvalde Trauer Amoklauf 290522

Menschen trauern um die getöteten Kinder und Erwachsen an der Robb Elemanty School in Uvalde.

Uvalde – Rund eine Woche nach dem Amoklauf in der texanischen Kleinstadt Uvalde, bei dem 21 Menschen getötet wurden, hat ein Kinderarzt sich zu dem Angriff geäußert. Dr. Roy Guerrero, der laut „NBC Today“ der einzige Kinderarzt in der Kleinstadt mit rund 15.000 Einwohner ist, schildert die dramatischen Szenen nach dem Angriff.

Kinderarzt über Uvalde: „Ich werde das niemals aus dem Kopf bekommen“

„Es war ein komplettes Irrenhaus“, sagte der Arzt dem US-Sender, „etwas, das man sonst nur aus den Katastrophenfilmen aus Hollywood kennt. Ärzte und Schwestern waren in jedem Raum, Menschen rannten herum wie verrückt, Kinder liefen blutig und schreiend durch die Gänge“, so Guerrero. „Ich werde das niemals aus dem Kopf bekommen.“

Laut „NBC Today“ wuchs der Kinderarzt selbst in Uvalde auf, er ging sogar zur gleichen Grundschule, der Robb Elementary School, an der es zu dem Amoklauf kam. Seit seiner Arztausbildung praktizierte er in Uvalde und dem rund 130 Kilometer entfernten San Antonio. Am Tag des Amoklaufs sei er sofort zum nächsten Krankenhaus geeilt und habe ausgeholfen, wo er nur konnte.

Gedenkstätte Uvalde 280522

Menschen besuchen die Gedenkstätte an der Grundschule in Uvalde.

„Das Schlimmste war, dass ich viele Eltern gesehen habe, die ich kannte. Sie flehten mich an, mich um ihre Kinder zu kümmern“, beschreibt Guerrero die Szene.

Der Kinderarzt versorgte mit seinem Team acht durch den Amoklauf verletzte Kinder, von ihnen seien vier bereits zuvor Patientinnen und Patienten von ihm gewesen. Fünf Kinder, die er regelmäßig untersucht habe, starben durch die Schüsse, schilderte der Arzt.

„Auch während der Rundgänge im Krankenhaus habe ich immer wieder Gesichter gesehen, die ich kenne“, so der Arzt. Er habe eine Elfjährige behandelt, die im selben Klassenraum war, in dem der Täter um sich schoss. Das junge Mädchen habe Kugelsplitter in der Schulter gehabt, den Angriff aber überlebt. Als sie ihn sah, so schildert der Arzt, habe sie nur „Hey, Mr G.“, gesagt. „Auch einen Tag nach der ersten Behandlung zitterte sie am ganzen Körper“, berichtete Guerrero.

Auch nach dem Amoklauf am vergangenen Dienstag besucht der Arzt nach eigener Aussage täglich die Klinik, schaut nach den verletzten Kindern und tröstet Eltern.

US-Präsident und First Lady besuchen Uvalde

Nach dem Massaker besuchte auch US-Präsident Joe Biden die betroffene Gemeinde. Biden und seine Ehefrau Jill verbrachten am Sonntag (Ortszeit) mehrere Stunden mit Angehörigen der Todesopfer und mit Überlebenden des Amoklaufs. Das Treffen fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

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US-Präsident Joe Biden und First Lady Jill Biden in Uvalde.

Die Bidens legten Blumen vor der Grundschule nieder. Außerdem trafen sie Einsatzkräfte und besuchten einen Gottesdienst in der Gemeinde, die unter Schock steht und in der sich angesichts dramatischer Versäumnisse bei dem Polizeieinsatz viel Wut breit macht. Das US-Justizministerium will das Vorgehen der Polizei nun untersuchen.

Der Angreifer hatte sich am Dienstag mit Schülern und Lehrern in zwei miteinander verbundenen Klassenräumen eingeschlossen und dort mit einem Sturmgewehr das Blutbad angerichtet. 17 weitere Menschen wurden verletzt. Der Täter wurde am Ende von der Polizei erschossen. Über sein Motiv ist bislang nichts bekannt.

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Am Freitag hatte die Behörde für öffentliche Sicherheit in Texas neue Ermittlungsergebnisse vorgestellt, die für Fassungslosigkeit sorgten: Demnach waren bereits zu einem frühen Zeitpunkt 19 Polizisten im Flur vor dem Klassenraum postiert, in dem sich der Amokläufer mit Lehrern und Schülern verschanzt hatte. Die Beamten unternahmen aber mehr als 45 Minuten lang keinerlei Versuche, in den Raum einzudringen und den Amokläufer zu stoppen.

Stattdessen warteten sie auf Verstärkung, obwohl Kinder aus dem Inneren des Raumes mehrfach verzweifelt bei der Polizei anriefen, um Hilfe zu bekommen. Erst mehr als 75 Minuten, nachdem der Schütze das Feuer eröffnet hatte, drangen Einsatzkräfte in das Klassenzimmer ein und töteten den Amokläufer. Die neuen Erkenntnisse zum Ablauf sorgten für einen Aufschrei, vor allem bei den Familien der Opfer. Mehrere Angehörige warfen der Polizei vor, sie hätten Leben retten können, wenn sie nicht derart lange gewartet hätten. (mab mit dpa)