AboAbonnieren

„Erhöht die Überlebenswahrscheinlichkeit“Deutscher Astronaut erklärt, was Insassen des U-Boots „Titan“ helfen könnte

Lesezeit 5 Minuten
Stockton Rush, CEO und Mitbegründer von OceanGate, steigt aus der Luke eines OceanGate-Tauchboots. Den Insassen bleibt nicht mehr viel Zeit. (Archivbild)

Stockton Rush, CEO und Mitbegründer von OceanGate, steigt aus der Luke eines OceanGate-Tauchboots. Den Insassen des vermissten U-Boots bleibt nicht mehr viel Zeit. (Archivbild)

Für die Insassen des vermissten U-Boots geht der Kampf gegen die Uhr weiter. Matthias Maurer weiß, worauf es ankommt, wenn der Sauerstoff knapp wird.

Der Sauerstoff an Bord des verschwundenen Mini-U-Boots „Titan“ des Unternehmens OceanGate wird knapper. Die US-Küstenwache sucht nach Hinweisen auf den Verbleib der Untersee-Expedition. Die Rettung gerät zu einem Wettlauf gegen die Zeit. Worauf die Besatzung unter diesen Umständen achten sollte, weiß der deutsche Astronaut Matthias Maurer.

Bislang verliefen die Suchbemühungen ohne Erfolg, am Dienstag dann ein Lichtblick. Suchteams hörten eine Zeit lang alle 30 Minuten ein „heftiges Klopfen“, eine Art Hämmern.

Vermisstes U-Boot Titan: Experten warnen vor Optimismus

Experten warnten aber vor Optimismus. Den amerikanischen Ozeanograf David Gallo erinnern die Unterwassergeräusche bei der Suche nach dem vermissten Tauchboot in der Nähe des „Titanic“-Wracks an die vergebliche Suche nach der verschwundenen Passagiermaschine auf Flug MH370. „Hier ist ein wenig Vorsicht geboten, denn wenn Sie sich an das Malaysia-Airlines-Flugzeug erinnern, gab es alle möglichen Knall-, Piep- und Klopfgeräusche zu hören“, sagte Gallo dem US-Sender CNN am Mittwochmorgen (Ortszeit). „Es stellte sich immer als etwas anderes heraus.“

Bis heute ist das Verschwinden von Flug MH370 am 8. März 2014 eines der größten Rätsel der Luftfahrtgeschichte. Gallo sagte mit Blick auf die Geräusche im Wasser: „Das erste, was das mit einem macht, ist, dass die Hoffnungen in die Höhe schießen.“ Es lasse einen aber auch realisieren, dass die Zeit wirklich knapp sei und man so schnell wie möglich handeln müsse.

Insassen des verschollenen U-Boots bleibt nicht mehr viel Zeit

In der Tat bleibt den Rettern nicht mehr viel Zeit. Laut Jamie Frederick, Koordinator der US-Küstenwache für die Operation, dürfte der noch Sauerstoff in der Titan nur noch bis Donnerstagmittag (MESZ) reichen. Zu Beginn der Tauchfahrt sei es genug für 96 Stunden gewesen, inzwischen entsprechend weniger. Die „Titan“ war mit fünf Menschen an Bord auf dem Weg zum Wrack des berühmten Luxusdampfers „Titanic“ im Atlantik. Das Tauchboot wird seit Sonntagvormittag (Ortszeit) vermisst.

Worauf bei begrenztem Sauerstoff zu achten ist, weiß Astronaut Matthias Maurer. Die Besatzung des vermissten Tauchboots „Titan“ müsse in der extremen Notsituation einen kühlen Kopf bewahren. Gerade, wenn der Sauerstoff knapp sei: „Es ist ganz wichtig, dass man die Ruhe behält. Dass man nicht viel atmet, dass man nicht körperlich aktiv ist“, sagte Maurer der Deutschen Presse-Agentur. Wenn man ruhe, könne man die Sauerstoffvorräte strecken. Maurer wurde im Zuge der Astronautenausbildung mit Trainings für Notfälle vorbereitet.

Astronaut Matthias Maurer gibt Tipps für Verhalten bei knappem Sauerstoff

Zentral sei auch, dass das Team geschlossen sei und den Kapitän, der das Sagen habe, anerkenne. „Auch wenn es ganz fatal aussieht. Das ist das Wichtigste, das erhöht die Überlebenswahrscheinlichkeit des Teams“, sagte der Saarländer am Mittwoch. „Wenn fünf Leute panisch versuchen, einen Lösungsweg zu finden und alle durcheinanderreden, dann ist das das Schlechteste, was passieren kann.“ Dabei würden auch die Sauerstoffvorräte schneller zu Ende gehen.

Der deutsche Astronaut Matthias Maurer weiß: Die Besatzung muss Ruhe bewahren, auch wenn das sicher nicht leicht ist.

Der deutsche Astronaut Matthias Maurer weiß: Die Besatzung muss Ruhe bewahren, auch wenn das sicher nicht leicht ist. (Archivbild)

Der Profi an Bord werde im Fall einer Gefahr wie einem Leck versuchen, diese zunächst einzudämmen. Danach sei es Ziel, Kommunikation aufzunehmen, um Hilfe zu bekommen. „Unter Wasser ist Schall ein hervorragendes Medium, um auf sich aufmerksam zu machen.“ Daher seien Klopfgeräusche in regelmäßigen Abständen das Notsignal. Suchtrupps hatten gemeldet, solche Geräusche wahrgenommen zu haben.

Vermisstes U-Boot von OceanGate: Teamdynamik wichtig

Menschen machten in solchen Notsituationen verschiedene Stadien durch, sagte Maurer. Am Anfang sei man überrascht, dann komme auch die große Angst. „Insbesondere, wenn es Touristen sind, die nicht vorbereitet wurden, die nicht trainiert wurden.“ Dann sei es „sehr, sehr schwer, die Teamdynamik im Griff zu behalten“, sagte Maurer. „Es langt schon, wenn einer dabei ist, der hysterisch wird.“

Bei einem Flug auf die Internationale Raumstation ISS sei es daher so: „Wir schicken niemanden ohne Notfalltraining hoch, auch nicht Touristen.“ Maurer ist als bisher letzter Deutscher ins All gereist. Er war von November 2021 bis Mai 2022 für 177 Tage auf der ISS.

Der 53-Jährige sagte, er habe noch keine Todesangst gehabt. „Aber ich war schon in verschiedenen Situationen, die auch kniffelig waren.“

Vorbild für „Titan“-Mission? Erinnerungen an „Pisces“-Rettung 1973

Hoffnung geben könnte den Sucheinheiten die Rettung eines anderen Tauchboots in dem Ozean vor rund 50 Jahren, wie die britische Zeitung „Guardian“ am Mittwoch schrieb. Anfang September 1973 wurde das Mini-U-Boot „Pisces III“ gerade noch rechtzeitig geborgen – die beiden britischen Besatzungsmitglieder hatten noch für zwölf Minuten Sauerstoff an Bord.

Die sechs Meter lange „Pisces III“ verlegte am 29. August 1973 rund 240 Kilometer südwestlich von Irland transkontinentale Untersee-Telefonkabel. Gerade als das Gefährt wieder an Bord eines Begleitschiffs gezogen werden sollte, ergaben sich Schwierigkeiten. Schließlich riss das Seil und das Boot sackte in 500 Meter Tiefe ab. Tagelang lag es auf dem Seeboden.

Sofort begann ein Rettungseinsatz. Am 1. September gelang es schließlich, die „Pisces III“ mithilfe eines Bergungsfahrzeugs der US-Navy an die Oberfläche zu ziehen. Bis die Luken geöffnet werden konnten, vergingen weitere 30 Minuten. Letztlich verbrachten Roger Chapman und Roger Mallinson mehr als 84 Stunden eingeschlossen in dem Boot.

Der Vergleich mit der derzeitigen Suche hinkt allerdings: Die Titan wird in deutlich größerer Tiefe und noch weiter vom Festland entfernt vermutet als damals die „Pisces III“.

Familie von vermissten Insassen der Titan hat noch Hoffnung

Die Familie von zwei Insassen des vermissten U-Boots gibt die Hoffnung derweil nicht auf und hat sich am Mittwoch für den weltweiten Zuspruch bedankt. „Mögen Shahzada und Suleman wohlbehalten zu uns zurückkehren“, teilte die Familie Dawood dem britischen Sender Sky News am Mittwoch mit. „Wir sind sicher, dass sie von der Unterstützung der Weltgemeinschaft in dieser schwierigen Zeit genauso bewegt wären wie wir.“

Der einzige Fokus der Familie liege derzeit auf der Rettungsmission, hieß es demnach in der Erklärung von Sabrina Dawood, der Schwester des britisch-pakistanischen Unternehmensberaters Shahzada Dawood. „Wir vertrauen darauf, dass der Familie bei der Bewältigung dieser Krise Privatsphäre gewährt wird.“

Der 48-jährige Dawood, dessen Ehefrau der Zeitung „Oberbayerisches Volksblatt“ zufolge aus Deutschland stammt, und sein 19-jähriger Sohn sind zwei der fünf Insassen des Tauchboots, nach dem seit Tagen im Atlantik gesucht wird. (pst mit dpa)