Russische Spione hatten mehrere Offiziere der Luftwaffe abgehört. Verteidigungsminister Boris Pistorius nennt neue Details.
Taurus-LeckPistorius nennt Abhöraffäre „schlimmen Fehler“ – neue Details bekannt
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat erstmals seit Bekanntwerden neue Details zur Abhöraffäre bei der deutschen Luftwaffe genannt. Russische Spione hätten ein Gespräch mehrerer Offiziere wegen eines „individuellen Anwenderfehlers“ abhören und die Aufzeichnung veröffentlichen können, erklärte Pistorius am Dienstag.
Das Gespräch zwischen vier Offizieren der Luftwaffe über eine mögliche Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine hatte eine öffentliche Debatte ausgelöst. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) war durch die Aussagen der Offiziere unter Druck geraten, da diese Scholz’ Argumentation gegen Taurus-Lieferungen widersprechen. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Abhöraffäre bei der Luftwaffe: Wen haben die russischen Spione ausspioniert?
Im Zentrum der öffentlichen Debatte steht ein Gespräch von vier Offizieren der Luftwaffe, die sich über mögliche Lieferungen von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine unterhalten. Der von Russland veröffentliche Mitschnitt beinhaltet Diskussionen um mögliche Auswirkungen einer Lieferung durch die Bundeswehr.
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„Wenn wir uns denn mal politisch entscheiden würden, die Ukraine zu supporten damit, wie könnte denn die ganze Nummer am Ende laufen?“, fragt einer der Konferenzteilnehmer. Die Teilnehmer sind sich in dem rund 40-minütigen Gespräch einig, dass durch eine Taurus-Lieferung nicht zwangsweise den Einsatz deutscher Soldaten in der Ukraine notwendig wäre – Bundeskanzler Scholz hatte zuletzt öffentlich das Gegenteil behauptet.
Die Offiziere der Luftwaffe diskutieren auch über mögliche Ziele, die die ukrainischen Streitkräfte ins Visier nehmen könnten, darunter etwa die logistisch wichtige Krimbrücke.
Taurus-Leck: Wodurch wurde die Abhöraffäre bei der Luftwaffe verursacht?
Boris Pistorius spricht von einem „individuellen Anwendungsfehler“, der dadurch verursacht worden sei, dass sich ein Teilnehmer nicht an das Sicherheitsprotokoll gehalten habe. Die Teilnehmer hätten das Gespräch über das Videokonferenz-Tool Webex geführt, allerdings über eine speziell für den Dienstgebrauch optimierte Variante.
„Bei einem Teilnehmer aus Singapur ist es zum Datenabfluss gekommen, weil sich der Teilnehmer nicht an das sichere Einwahlverfahren gehalten hat“, erklärte Pistorius auf einer Pressekonferenz. Derzeit sei davon auszugehen, dass der Teilnehmer entweder mobile Daten oder das WLAN des Hotels für die Einwahl genutzt habe.
Der derzeitige Stand sei allerdings nur ein Zwischenbericht, weitere Ermittlungen würden bereits laufen, erklärte Pistorius weiter.
Abhöraffäre bei der Luftwaffe: Wie schwerwiegend ist das Taurus-Leck und welche Folgen hat es?
Die veröffentlichten Informationen seien „aus Sicht der Geheimhaltung überschaubar“, erklärte Pistorius weiter, sprach aber dennoch von einem „schlimmen Fehler“ seitens der Konferenz-Teilnehmer. Oberst André Wüstner hatte in der WDR-Talkshow „Hart aber fair“ ebenfalls betont, dass das Gespräch zum „Handwerkszeug von Offizieren“ gehöre, inhaltlich aber wenig Brisantes dabei gewesen sei.
Vor allem in Russland wird der Mitschnitt zur weiteren Propaganda gegen den Westen benutzt, Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sieht darin einen Beleg für eine „direkte Verwicklung“ des Westens in den Krieg in der Ukraine. Russland hatte seine Drohgebärden in Richtung der Nato-Staaten in den vergangenen Wochen noch einmal deutlich verschärft.
Bei Deutschlands Verbündeten, die zuletzt zerknirscht auf Scholz’ Nein zu den Taurus-Lieferungen reagiert hatten, sei das „Vertrauen in Deutschland“ nicht beschädigt, erklärte Pistorius weiter. „Alle wissen, jedem kann so etwas passieren. Die Konsequenzen daraus sind das Entscheidende.“
Wurden während des Taurus-Lecks deutsche Systeme gehackt?
Laut Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius deutet darauf derzeit nichts hin. Die eingewählten Geräte würden während der Ermittlungen überprüft, allerdings seien nach ersten Erkenntnissen keine deutschen Systeme kompromittiert worden. Der Datenabfluss habe direkt in einem Hotel in Singapur stattgefunden, wo sich einer der Offiziere aufgrund der dort stattfindenden Singapore Air Show aufgehalten habe.
„Solche Termine sind für russische Spione ein gefundenes Fressen, weil sich dort auch viele weitere unserer Militärpartner aufhalten“, sagte Pistorius weiter. Dass ausgerechnet deutsche Offiziere abgehört worden seien, sei „vermutlich ein Zufallstreffer“ gewesen.
Abhöraffäre bei der Luftwaffe: Welche Konsequenzen hat das Taurus-Leck für die beteiligten Offiziere
Pistorius hat am Dienstag offiziell disziplinarische Vorermittlungen eingeleitet, um die Abhöraffäre juristisch zu prüfen. „Dabei sollen alle Argumente beleuchtet werden, die für und gegen die beteiligten Offiziere sprechen“, sagte Pistorius weiter. Es müsse auch geklärt werden, ob die besprochenen Inhalte im Rahmen einer Webex-Konferenz hätten diskutiert werden dürfen.
Die juristische Prüfung sei allerdings noch nicht abgeschlossen, betonte Pistorius. „Die Hypothese, dass sich jemand unbemerkt in die Konferenz eingewählt hätte, ist falsch. Ich war einigermaßen erstaunt, dass sich diese am Wochenende verbreitet hat“, sagte der Bundesverteidigungsminister weiter.
Solange kein offizielles Ermittlungsverfahren eröffnet wird, drohen den beteiligten Offizieren keine Konsequenzen. Pistorius will die Öffentlichkeit über den Stand der Ermittlungen auf dem Laufenden halten. Er ist am Dienstag zu einer Auslandsreise nach Norwegen, Schweden und Finnland aufgebrochen. (shh)