Herr Pinkwart, mit den Plänen von RWE und Eon steht die Energiebranche vor der größten Neuordnung in der Geschichte. Hat Sie die Nachricht eigentlich überrascht?
Dass sich Innogy neu aufstellen würde, hatte ich eigentlich bereits nach dem Rückzug von Peter Terium Ende 2017 erwartet. Für das Unternehmen hatten sich auch mehrere internationale Konzerne interessiert. Für den Standort NRW wäre das aber von Nachteil gewesen: Ausländische Unternehmen behalten ihren Hauptsitz meist im Ausland.
Wie bewerten Sie die Entscheidung – überwiegen die Vorteile oder die Nachteile?
Es ist eine gute Entscheidung für den Standort Deutschland und erst recht für den Standort Nordrhein-Westfalen, dass sich die beiden großen Versorger neu sortieren: Beide haben und behalten ihren Hauptsitz im Land. Und beide fokussieren sich und ergänzen sich in ihren Schwerpunkten komplementär. Das erhöht die Chance, dass sich die Energiewende mit mehr Nachdruck in eine vernünftige Richtung weiterentwickeln kann. Ich hoffe, dass nun auch die europäische Energiepolitik vorangebracht wird. Wir werden in Zukunft viel europäischer denken müssen. Da ist es gut, dass wir in Nordrhein-Westfalen zwei Global Player haben, die international tätig und leistungsfähig sind.
Droht jetzt in NRW ein massiver Arbeitsplatzabbau?
Für die Innogy-Mitarbeiter ist das im Moment sicher keine einfache Situation: Zehntausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben schon einen Umbruch vor zwei Jahren erlebt und müssen jetzt mit der Nachricht zurechtkommen, dass die frisch gegründete und an der Börse erfolgreich platzierte Innogy schon wieder verschwinden soll. Anderseits erwarte ich durch die Neuaufstellung von RWE und Eon und deren strategisch intelligente Arbeitsteilung mehr Stabilität in der Zukunft. Für die überwiegende Zahl der Beschäftigten ist es daher dauerhaft die bessere Lösung. Denn durch die stärkere Fokussierung der Unternehmen ist auch mehr Wachstum zu erwarten. Auch das sichert Arbeitsplätze.
Pochen Sie auf einen sozialverträglichen Abbau der Arbeitsplätze oder wird auch über Transfergesellschaften nachgedacht?
Unsere Forderung an die Unternehmensvorstände ist ganz klar: Die Beschäftigten haben eine berufliche Achterbahnfahrt hinter sich. Jetzt brauchen sie ebenso ein hinreichendes Maß an Sicherheit wie die Standorte. Die Unternehmen müssen hier ihre Verantwortung wahrnehmen. Ich habe auch keinen Zweifel daran, dass das gelingen wird und bin sicher, dass die ganz große Zahl der Arbeitsplätze dauerhaft gesichert werden kann.
Sehen Sie kartellrechtliche Bedenken?
Die Pläne müssen natürlich kartellrechtlich geprüft werden. Aber alles deutet darauf hin, dass hier wenig Probleme zu erwarten sind. Das von Innogy und Eon verantwortete Netzgeschäft unterliegt ja sowieso der Regulierung; dies ändert sich auch nicht bei einer neuen Eigentümerstruktur.
Müssen Verbraucher höhere Preise befürchten?
Natürlich wird es durch eine solche Arbeitsteilung in der Tendenz weniger Wettbewerb geben, was sich lehrbuchgemäß negativ auf die Preise auswirken könnte. Das muss auf jeden Fall verhindert werden. Hier sehe ich RWE und Eon in der Pflicht, auch durch Innovation und Effizienzsteigerung dazu beizutragen, dass sich die Preise nicht weiter erhöhen, sondern eher sinken. Entscheidend ist aber, dass die Wirtschaftlichkeit der Kraftwerke durch ein funktionierendes Marktdesign gesteigert werden kann. Die Vorteile müssen dann auch an die Verbraucher weitergegeben werden.
Wenn man einige Jahre weiterdenkt und die Rechnung aufgeht – wo sehen Sie positive Auswirkungen für den Wirtschaftsstandort NRW?
Wir werden auch weiter zwei große börsennotierte Unternehmen in Nordrhein-Westfalen haben, die sich national und international in ihren Marktsegmenten dynamisch weiterentwickeln können. Sie sollen mit neuester Technologie und Effizienzsteigerung weiter dafür sorgen, dass Nordrhein-Westfalen das führende Energieland in Deutschland bleibt. Über konventionelle und erneuerbare Kraftwerke, aber auch über intelligente Systeme. Wir brauchen auch in der Zukunft eine leistungsfähige Energieversorgung am Standort.
Es hat viele positive Rückmeldungen zu den Plänen der Versorger gegeben – aus Berlin, aber auch von Ihrer Seite. Aber wenn nun Innogy nach nur zwei Jahren am Ende ist: Wurden nicht auch Managementfehler gemacht?
Innogy hat nicht die Power bei der Digitalisierung entfalten können wie Eon. Dann ist man allein nicht überlebensfähig. Dass hier die Ziele nicht erreicht wurden, hat viele Gründe. Managementfehler gehören auch dazu. Managerschelte alleine reicht aber nicht. Auch die Politik war in den letzten Jahren ja nicht gerade ein verlässlicher Partner in Bezug auf die Energiewende. Hier wurden oft die Pferde gewechselt. Wir haben kein funktionierendes Marktdesign, es gibt drängenden Handlungsbedarf in den Verteilnetzen. Es ist gut, wenn sich die beiden großen Energieversorger jetzt neu aufstellen – und gleichzeitig auch die Bundesregierung in Berlin. Alle müssen jetzt ihre Hausaufgaben machen – in Essen, in Düsseldorf und Berlin.
Was heißt das für Klimaziele und Energiewende konkret?
Berlin hat das Thema jahrelang verbummelt und sich auf den letzten Metern retten wollen mit der abrupten Abschaltung von Kraftwerken. Das ist nicht verantwortungsvoll, im Gegenteil: Bundesweit 750.000 Arbeitsplätze in den energieintensiven Unternehmen hängen davon ab. Wir müssen die Themen endlich strategischer angehen. Wir vollziehen auch in NRW planvoll den Abbau von Kohlekraftwerken. Es müssen aber weitere Themen vorangebracht werden: Stabile Netze und Versorgungssicherheit, die Speicherung von Strom aus erneuerbaren Energien – das gehört alles zusammen.