Essens Trainer spricht über das Spiel von RWE bei Viktoria, die Entwicklung in Höhenberg und seinen Ex-Klub Fortuna Köln.
Uwe Koschinat„Es ist das Schlimmste, was Viktoria, Fortuna und mir passieren kann“

Uwe Koschinat, Trainer von Rot-Weiss Essen
Copyright: IMAGO/Maximilian Koch
Herr Koschinat, Rot-Weiss Essen ist am Sonntagabend beim 1:0 gegen Mannheim ein weiterer Schritt in Richtung Klassenerhalt gelungen. Die Partie war hitzig – sind Sie rundum zufrieden?
Muss man sagen, auch inhaltlich. Es war klar, dass zwei Mannschaften in einer guten Phase aufeinandertreffen. Mannheim hatte sich enorm stabilisiert, wir natürlich auch. Wir hatten eine dominante Anfangsphase, gekrönt von einem schönen Freistoßtor. Hintenraus mussten wir dann defensiv viel Druck aushalten – aber wir haben es gepackt. Es ist unser drittes Zu-Null-Spiel in Folge.
Mitte Dezember haben Sie RWE auf Platz 18 übernommen. Inzwischen ist Essen Erster der Rückrundentabelle. Was hat sich verändert?
Zunächst muss ich ein großes Lob an das Trainerteam, was ich übernommen habe, und alle Mitarbeiter um die Mannschaft herum loswerden. Jeder stellt sein Ego komplett hinter den Erfolg der Mannschaft. Das hat mir den Einstieg sehr leicht gemacht, wir haben schnell zueinandergefunden. In Essen sind ganz, ganz viele Leute schon wahnsinnig lange da. Sie haben auch die sehr schwierigen Zeiten in der Regionalliga mitgemacht. Zeiten, in denen man sich früh vom Aufstieg verabschieden musste. Und die Zeiten, in denen man sensationelle Punktezahlen erzielen konnte, aber einer trotzdem irgendwie noch besser war. Darum wissen die Leute, dass die Regionalliga nicht sein muss, dass man den Abstieg mit aller Macht verhindern muss.
Zur Person: Uwe Koschinat (53), geboren in Koblenz, wohnt mit seiner Familie in Köln. Seit Mitte Dezember 2024 ist er Coach von Rot-Weiss Essen. Seinen ersten Trainerposten übernahm Koschinat 2011 bei Fortuna Köln, den Südstadt-Klub führte er bis in die Dritte Liga, der Coach genießt Kult-Status in Zollstock. 2018 wechselte er nach Sandhausen. Es folgten die Stationen Saarbrücken, Bielefeld und Osnabrück. (ckr)
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Im Winter wurden viele wichtige Transfers getätigt.
Das ist mein zweiter Punkt. Als ich kam, waren im Trainerbüro unglaublich viele Spielernamen ständig Thema von Diskussionen. Wir haben es dann gut hinbekommen, uns von Spielern zu trennen, die alle ihre Fähigkeiten haben, die aber nicht so zu der Situation im Abstiegskampf gepasst haben. Auf der anderen Seite haben wir entscheidende Bausteine dazugeholt, wie Klaus Gjasula und Dominik Martinovic. Auch Kaito Mizuta und Matti Wagner. Wir haben einfach einen ganz anderen Drive in die Gruppe gebracht. Gleichzeitig konnten wir unsere Defensive stabilisieren. Inzwischen sind wir bei unter einem Gegentor im Schnitt. Das ist immer eine gute Basis, um zu punkten.
Gjasula hat sich schnell zum neuen Anführer entwickelt.
Den Schritt gab es im Winter-Trainingslager in der Türkei. Es war ganz klar, dass Gjasula der neue Anker im Team ist. An ihm können sich alle ausrichten, er war der absolute Königstransfer. Selbst wenn er persönlich nicht immer richtig stark spielt, werden alle um ihn herum so viel besser. Es ist ja kein Zufall: Im ersten Spiel des Jahres gegen Aachen war Klaus nicht mit dabei – und wir waren desaströs. Aus den anderen sieben Spielen mit ihm holen wir sechs Siege. Er ist ein absoluter Top-Profi, geht voran. Klaus sagt nicht viel, aber wenn es zwei, drei Sätze von ihm gibt, hält der Rest die Klappe. Das hat ganz viele andere Spieler entlastet, das tut der Mannschaft gut.
Sie haben in den vergangenen Jahren einige Traditionsklubs trainiert. Was zeichnet Essen aus?
Das ist Pott! Die Fans haben Bock auf Intensität und Leidenschaft in beiden Strafräumen. Das wird ohne Ende abgefeiert – nicht nur in der Kurve. In Essen sind, im positivsten Sinne, einfach alle fußballbekloppt. Es ist Ruhrpott-Fußball, jeder geht mit und verleiht dir auch in schwierigen Situationen Energie. Es muss nicht immer die feine Klinge sein, du musst nicht immer über 680 Stationen den Ball aus der Abwehr ins Mittelfeld transportieren. Die Leute wollen sehen, dass Intensität auf dem Platz ist – dann wirst du von ihnen getragen.
Die „Uwe, Uwe“-Sprechchöre tun gut?
Mir ist es auf meinen Stationen bislang immer ganz gut gelungen, zu signalisieren, dass ich eine Idee habe, dass ich brenne und ich gerade in schwierigen Situationen eine Mannschaft komplett verändern kann. Die Sprechchöre sind schön zu hören – aber ich weiß auch, dass am Ende ein „raus“ hängen würde, wenn es nicht läuft.
In Essen sind, im positivsten Sinne, einfach alle fußballbekloppt
In Bielefeld und Osnabrück hatten Sie kein Glück auf Ihrer Retter-Missionen, mit beiden Klubs sind Sie abgestiegen. Wie wichtig ist es für Sie ganz persönlich, mit RWE Erfolg zu haben?
Ich würde mir etwas mehr Differenzierung wünschen. In Osnabrück kreide ich mir die Performance in der Dritten Liga an, das war absolut desaströs. Da habe ich mir zu viel reinquatschen lassen von jemandem, der vorher noch nie im Profifußball gearbeitet hat. Aber die Zweitliga-Rückrunde war aus meiner Sicht überragend. Mit einer Mannschaft, die vorher im Schnitt 0,5 Punkte geholt hat, bin ich in der Rückrunden-Tabelle auf Platz 14 gelandet. Die Leistung lasse ich mir von niemandem ausreden. In Bielefeld hatten wir auch überragende Siege, bis die Truppe am Ende auseinandergefallen ist. Aber bei beiden Stationen hat sich nach meinem Antritt die Truppe innerhalb von ein paar Tagen komplett verändert. Und ich weiß, dass das andere auch so sehen – wie zum Beispiel die Verantwortlichen hier in Essen. Denn ich war mit Sicherheit nicht der Einzige, der für den Trainerjob in der Verlosung war. Und man sieht: Ich stehe für schnelle Veränderungen in der Mannschaft.
Am Mittwoch geht es zur Viktoria (19 Uhr). Köln schwächelt, auch aufgrund vieler personeller Probleme. Was erwarten Sie für einen Gegner?
Ich werde meine Mannschaft auf die beste Viktoria vorbereiten, die ich in dieser Saison gesehen habe, keine Frage. Alles andere wäre ein Fehler. Ich gebe Ihnen recht: Der kleine Formknick der letzten Wochen ist ausschließlich der personellen Situation geschuldet. Wären sie gegen Saarbrücken oder in Aue mit voller Kapelle angetreten, wären sie mit Sicherheit weiter ganz oben dran. In dieser Saison benötigst du ja gar nicht so viele Punkte, um zumindest um Platz drei zu spielen. Ich kann nicht beurteilen, ob sich mit der aktuellen Tabellensituation und dem Rückstand auf Platz drei in der Herangehensweise der Truppe etwas verändert.

Uwe Koschinat im Winter-Trainingslager mit Rot-Weiss Essen
Copyright: IMAGO/Markus Endberg
Sie kennen die Viktoria noch aus vielen intensiven Derbys als Trainer von Fortuna Köln. Hat die Viktoria von damals noch etwas mit der Viktoria von heute zu tun?
Nein, aus meiner Sicht überhaupt nicht. Ganz, ganz lange hat sich die Viktoria in dieser Konkurrenz-Phase zur Fortuna über individuelle Qualitäten definiert. Die war grenzenlos hoch. Aber es hat dazu geführt, dass oft ein paar Indianer zu wenig und ein paar Häuptlinge zu viel auf dem Platz standen. Die jetzige Situation ist eine völlig andere. Man hat ganz, ganz starke und erfahrene Profis – und drumherum viele ambitionierte Spieler, die noch viel vorhaben. Die Viktoria ist eine echte Marke geworden, gerade in Bezug auf die Aus- und Weiterbildung von Spielern.
Was verbinden Sie mit der Viktoria? Sind Sie nach wie vor von Ihrer Fortuna-Vergangenheit geprägt?
Auf jeden Fall. Mir passiert es allerdings immer wieder, dass mir Leute sagen, wenn wir über meine Vergangenheit sprechen, ich hätte siebeneinhalb Jahre die Viktoria trainiert! Das ist ja eigentlich das Schlimmste, was der Viktoria, der Fortuna und mir passieren kann. Aber es zeigt, wie sehr sich in den vergangenen Jahren die Wahrnehmung der Viktoria außerhalb von Köln verändert hat. Für Menschen im Norden oder Süden Deutschlands, die sich mit der Dritten Liga beschäftigen, gehört inzwischen die Viktoria zum Establishment – nicht mehr die Fortuna. Für mich ist es ein hartes Brett, zu sehen, wie sehr die Viktoria die Fortuna in der bundesweiten Wahrnehmung als Nummer zwei der Stadt abgelöst hat. Das tut schon weh. Aber es zeigt auch, welchen geilen Weg die Viktoria gegangen ist.
Wird am Mittwochabend in Ihnen ein bisschen das alte Derby-Feuer lodern?
Nicht nur ein bisschen. Fortuna gegen Viktoria war über viele Jahre mein Lebenskampf als Cheftrainer. Hätte ich den damals mit meiner Mannschaft und so geilen Typen wie Andre Poggenborg, Sebastian Zinke, Daniel Flottmann und Thomas Kraus nicht gewonnen, dann wäre ich heute mit Sicherheit nicht Trainer im Profifußball. Ich weiß, was ich der Fortuna zu verdanken habe. Die Menschen bleiben unvergessen – und was für Qualität wir damals hatten. Christian Osebold leitet heute die Physio-Abteilung des 1. FC Köln. André Filipovic ist Chef-Athletiktrainer von einem Champions-League-Verein (VfB Stuttgart, d. Red.). Die Rivalität von damals lebe ich zwar nicht mehr ganz so intensiv. Aber Franz Wunderlich ist beispielsweise immer noch bei Viktoria. Und er ist derjenige, mit dem ich mich außerhalb des Feldes super verstanden habe – wir im Spiel aber immer wunderbar aneinandergeraten konnten. Das bleibt natürlich. Ich habe sehr, sehr viel Achtung vor der Leistung von Olaf Janßen. Aber ich weiß auch, dass ich gegen ihn mit der Fortuna im Verbandspokal den Kürzeren gezogen habe. Für mich wird es also eine emotionale Rückkehr in die Vergangenheit. Das werde ich nicht abschütteln können.
Fortuna gegen Viktoria war über viele Jahre mein Lebenskampf als Cheftrainer
Die Fortuna wird den Drittliga-Aufstieg in dieser Saison vermutlich erneut verpassen.
Wenn man sich aber die Voraussetzungen anschaut, die der MSV Duisburg hat, und sie mit denen der Fortuna vergleicht, hat die Fortuna eine herausragende Saison gespielt. Die wirtschaftliche Situation ist nicht mehr so, dass du jede Position auf hohem Regionalliga-Niveau doppelt besetzen kannst – dieses Glück hatte ich damals vor unserem Aufstieg. Für ihre Mittel hatte die Fortuna in dieser Saison eine geniale Personalplanung. In den Phasen, in denen sie mit ihrer gedachten Stammformationen spielen konnte, hat man gesehen, dass sie die wahrscheinlich stärkste Mannschaft der Regionalliga war. Wenn sie dann ein paar Spieler ersetzen müssen, wird es einfach schwer, Schritt zu halten. Es gibt halt jede Saison diese eine Über-Mannschaft in der Liga. Deshalb wird auch jeder Fortuna-Fan hoffen: Bitte RWE, kommt nicht runter!
Ihr Traum-Szenario wäre es, als RWE-Trainer in der Dritten Liga auf die Viktoria und die Fortuna zu treffen?
Den Aufstieg würde ich der Fortuna natürlich gönnen. Aber ich weiß nicht, was es mit mir machen würde, als gegnerischer Trainer ins Südstadion zu kommen. Keine Ahnung, ob ich das in meinem Alter noch packen würde (lacht).
Vor dem Heimspiel am Mittwoch (19 Uhr, Sportpark Höhenberg) gegen Rot-Weiss Essen wird der FC Viktoria weiter von großen personellen Problemen geplagt. Nach dem 1:2 in Aue hatte Trainer Olaf Janßen prognostiziert, dass er keinen der verletzten und erkrankten Profis für das West-Duell zurückerwarte. Im Erzgebirge war die Viktoria mit „neuneinhalb fitten Feldspielern“ (Janßen) aufgelaufen.
Gegen RWE müssen die Kölner noch auf einen weiteren Stammspieler verzichten: Kapitän Christoph Greger sah in Aue seine fünfte Gelbe Karte. Am Mittwoch dürfte für den Abwehrchef Kwabe Schulz in die Innenverteidigung rücken. „Wir werden mit Sicherheit wieder elf Mann auf den Platz bringen, die für unser Spiel stehen“, so Janßen. (ckr)