Hunderte Menschen in Magdeburg wehren sich in einer Menschenkette gegen eine politische Vereinnahmung durch Rechte.
„Kein islamistisch motivierter Anschlag“Stephan Kramer verortet Täter von Magdeburg im Rechtsextremismus
Der Todesfahrer von Magdeburg ist nach Einschätzung des Thüringer Verfassungsschutzpräsidenten Stephan Kramer in den vergangenen Jahren zunehmend ins rechtsextreme Spektrum abgedriftet.
„Selbst wenn sich eine psychische Störung herausstellen sollte, lässt sich an den Beiträgen des mutmaßlichen Täters im Internet eine gewachsene Radikalisierung mit Extremismusbezügen nach rechts in den letzten Jahren feststellen“, sagte Kramer dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Verfassungsschutzpräsident: „Rechtsextremisten sind wohl mitverantwortlich“
Insofern sei es zwar widerwärtig, aber nicht überraschend, dass sich während der Trauerfeier im Magdeburger Dom Hunderte von Rechtsextremisten in der Stadt versammelt und Hass und Hetze verbreitet hätten. „Denn sie sind wohl mitverantwortlich, wenn man sich die Radikalisierung auch des Täters anschaut“, so Kramer. Taleb A. war am Freitagabend mit einem Auto über den Weihnachtsmarkt gerast. Fünf Menschen wurden getötet, bis zu 235 verletzt.
Die Frage, was den Mann zu der Tat trieb, haben die Ermittlungsbehörden bisher noch nicht beantworten können. Wie die Deutsche Presse-Agentur aus Sicherheitskreisen erfuhr, verdichten sich die Hinweise auf eine psychische Erkrankung des 50-Jährigen, der sich zuletzt in sozialen Medien zuletzt zunehmend wirrer und radikaler geäußert hatte.
Schlussfolgerungen über Motive müssen mit Vorsicht gezogen werden
Kramer unterstrich: „Die Motive des Täters müssen erst weiter aufgeklärt werden, deshalb sind Schlussfolgerungen mit aller Vorsicht zu ziehen.“ Bei allem, was jetzt öffentlich bekannt und belastbar sei, könne man aber sicher sagen, dass es kein islamistisch motivierter Anschlag gewesen sei.
Den Informationsaustausch der Behörden bezeichnete er als „an vielen Stellen verbesserungsbedürftig“. Nach den vorliegenden Informationen sei der Täter wohl sowohl Bundes- als auch Landesbehörden seit längerem bekannt gewesen. „Es bleibt aufzuklären, wer, wann, was gewusst und gegebenenfalls nicht weitergegeben oder selbst nicht angemessen gehandelt hat“, so Kramer.
Menschenkette in Magdeburg positioniert sich gegen Vereinnahmung durch Rechte
Hunderte Menschen in Magdeburg erinnerten mit einer Menschenkette an die Opfer des Anschlags und positionierten sich gegen die politische Vereinnahmung durch Rechte. Zu der Aktion hatte die Initiative „Gib Hass keine Chance“ aufgerufen, das Bistum Magdeburg beteiligte sich. Nach Angaben des Veranstalters kamen Tausende Menschen.
Die Menschen aller Altersgruppen standen teils in dichten Trauben beieinander. Sie trugen Kerzen in den Händen, applaudierten Rettungskräften und riefen ihnen „Danke“ zu. „Das sind Lichter für eine weltoffene Stadt“, sagte Oliver Wiebe von der Initiative „Gib Hass keine Chance“. Man sei zum Trauern und Gedenken zusammengekommen. Parallel veranstaltete die AfD eine Kundgebung auf dem Domplatz und einen anschließenden Trauermarsch.
Die Mobile Opferberatung in Sachsen-Anhalt und der Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt warnten vor einer Eskalation von Rassismus und rechten Bedrohungen infolge der Instrumentalisierung des Anschlags. Das Landesnetzwerk Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt sprach von einer gefährlichen Lage. Es rät Menschen mit Migrationsgeschichte dringend davon ab, sich alleine und in den Abendstunden durch die Stadt zu bewegen.
Am Freitagabend war der Täter Taleb A. mit einem Auto über den Weihnachtsmarkt gerast. Durch den Anschlag kam ein neunjähriger Junge ums Leben sowie vier Frauen im Alter von 45 bis 75 Jahren. Die Zahl der Verletzten liegt laut Staatsanwaltschaft bei bis zu 235. A. sitzt in Untersuchungshaft. (dpa)