Istanbul – Außenministerin Annalena Baerbock trifft an diesem Samstag nach ihren Gesprächen mit den Regierungen der Nato-Partner Griechenland und Türkei Vertreter der türkischen Opposition in der Hauptstadt Ankara.
Die Opposition in der Türkei steht seit Jahren massiv unter Druck. Der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP etwa droht ein Verbot. Zuletzt hatten sich sechs türkische Oppositionsparteien ein gemeinsames Grundsatzprogramm veröffentlicht.
Beobachter gehen davon aus, dass die Parteien sich zu einem Bündnis zusammenschließen und einen gemeinsamen Kandidaten für die 2023 geplanten Wahlen aufstellen. Das Bündnis setzt sich unter anderem zusammen aus der größten Oppositionspartei CHP, der nationalkonservativen Iyi-Partei und der Deva-Partei.
Konfrontation mit Cavusoglu
Am Freitag war die Grünen-Politikerin zunächst in Athen und hatte sich mit dem griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis und Außenminister Nikos Dendias getroffen. Anschließend flog sie nach Istanbul zu einem Gespräch mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu. Bei Baerbocks Antrittsbesuch in der Türkei kam es zur offenen Konfrontation mit Cavusoglu.
In der gemeinsamen Pressekonferenz in Istanbul lieferten sich Baerbock und Cavusoglu Wortgefechte zur erwarteten türkischen Offensive in Nordsysrien, zur Inhaftierung des Oppositionellen Osman Kavala in der Türkei und zum Insel-Streit zwischen Griechenland und der Türkei.
Baerbock hatte zuvor Athen besucht und sich dort im Streit um griechische Inseln wie Rhodos, Kos und Lesbos im östlichen Mittelmeer klar an die Seite Griechenlands gestellt. Die türkische Regierung stellt die Souveränität Athens über diese Inseln infrage und fordert den Abzug aller griechischen Truppen. Cavusoglu sagte, Drittländer wie Deutschland „dürfen sich nicht auf Provokationen und Propaganda, vor allem aus Griechenland und dem griechischen Teil Zyperns, einlassen”.
Konfrontation in Griechenland
Aber auch in Griechenland verlief der Besuch nicht ganz konfliktfrei. Der griechische Außenminister Dendias kritisierte die deutschen Rüstungsexporte und den Verkauf von U-Booten an die Türkei scharf. „Mit diesen U-Booten ist die Gefahr groß, dass das Kräfteverhältnis im Mittelmeer aus den Fugen gerät”, sagte er.
Als weiterer ungelöster Punkt zwischen den beiden Ländern standen bei dem Treffen einmal mehr Griechenlands Forderungen nach Reparationen für die im Zweiten Weltkrieg von den deutschen Besatzern angerichteten Zerstörungen. „Ich möchte unterstreichen, dass das Thema der Reparationen Deutschlands für die griechische Regierung, aber hauptsächlich für die griechische Gesellschaft, offen bleibt”, sagte Dendias. Das Thema müsse gelöst werden. Baerbock hingegen verwies auf die grundsätzliche deutsche Ablehnung solcher Forderungen. Berlin hält das Thema juristisch für abgeschlossen.
Fortschritte könnte es aber beim geplanten Ringtausch mit Griechenland zur Versorgung der Ukraine mit Schützenpanzern geben. „Ich denke, dass wir hier auf einem guten Weg sind”, sagte Baerbock. Es geht um die Lieferung von rund 100 griechischen Schützenpanzern sowjetischer Bauart vom Typ BMP-1 in die Ukraine. Griechenland soll dafür von Deutschland Marder-Schützenpanzer erhalten. Die griechische Seite will ihre Panzer aber erst liefern, wenn der Ersatz aus Deutschland da ist.
Baerbock hatte sich bewusst dafür entschieden, ihre Antrittsbesuche bei den beiden zerstrittenen Nato-Partnern Türkei und Griechenland miteinander zu verbinden. „Wir brauchen Einheit, wir brauchen Dialog, wir brauchen in diesen schwierigen Zeiten besonnenes Handeln”, sagte sie in Athen mit Blick auf den Ukraine-Krieg und seine Folgen. Streit in den Reihen des Bündnisses sei genau das, was der russische Präsident Wladimir Putin wolle.
© dpa-infocom, dpa:220730-99-210033/2 (dpa)