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Gedenken an Opfer„Rechten Terror gab es vor Solingen, und es gibt ihn nach Solingen“

Lesezeit 3 Minuten
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (rechts) trägt sich in das Goldene Buch Solingens ein, neben im der Bürgermeister der Stadt, Tim Kurzbach.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (rechts) trägt sich in das Goldene Buch Solingens ein, neben im der Bürgermeister der Stadt, Tim Kurzbach.

Die Angst nach dem Brandanschlag von Solingen vor 30 Jahren war groß. Am Montag wurde in der Stadt prominent an die Toten erinnert.

Mit einer bewegenden Gedenkveranstaltung ist an die Opfer des fremdenfeindlich motivierten Brandanschlags in Solingen vor 30 Jahren erinnert worden. „Es waren Solinger Kinder“, sagte der Oberbürgermeister der Stadt, Tim Kurzbach (SPD), am Montag mit Blick auf die Todesopfer. Am 29. Mai 1993 habe sich ein „Angriff auf die Menschlichkeit“ ereignet.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier prangerte an, dass viel zu lange Deutschland der Behauptung aufgesessen sei, „es seien verblendete Einzeltäter, die ihr Unwesen treiben“. Er forderte einen wehrhaften und wachsamen Staat und rief zu Zivilcourage und Mut auf.

Rund 600 Menschen waren in das Theater und Konzerthaus der Stadt eingeladen worden. Die Gäste erhoben sich, als die Namen der fünf Toten verlesen wurden. Anwesend waren Vertreterinnen und Vertreter der Familien. Aus der Politik waren neben Steinmeier unter anderen Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) gekommen.

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Mevlüde Genc: Die Mutter der Familie starb im vergangenen Jahr

Vier Männer hatten 1993 aus Fremdenhass nachts Feuer gelegt. Zwei junge Frauen und drei Mädchen starben in den Flammen oder bei dem Versuch, sich davor zu retten. Zum Gesicht der Familie wurde Mevlüde Genc, die zwei Töchter, zwei Enkelinnen und eine Nichte verlor. Genc, die sich dennoch jahrelang für Verständigung, Versöhnung und gesellschaftlichen Zusammenhalt einsetzte, war im Oktober im Alter von 79 Jahren gestorben.

In den Wohnungen standen damals Wassereimer bereit, um bei einem Feuer schnell löschen zu können
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

Auf der Veranstaltung wurde immer wieder Respekt zum Ausdruck gebracht, dass Genc nicht mit Hass, sondern mit Liebe reagiert habe. Steinmeier sagte: „Heute halten wir miteinander inne und trauern um Gürsün Ince, um Hatice Genc, um Gülüstan Öztürk, um Hülya Genc, um Saime Genc.“ Auch werde um Mevlüde Genc getrauert. Das Staatsoberhaupt erinnerte an die Angst in der Zeit nach dem Anschlag: So seien in Solingen Strickleitern ausverkauft gewesen. „Die Menschen hatten Angst, sich im Notfall sonst nicht mehr aus dem oberen Stockwerk ihres Hauses retten zu können. In den Wohnungen standen damals Wassereimer bereit, um bei einem Feuer schnell löschen zu können. An den Klingelschildern und Briefkästen wurden alle fremd klingenden Namen abmontiert.“

Steinmeier erinnerte wie andere Redner auch an weitere Taten Rechtsextremer, die sich in das kollektive Gedächtnis eingegraben hätten, oder über die nicht viel gesprochen werde. Rechtsextreme und Rassisten verbreiteten Angst und Schrecken unter potenziellen Opfern, so der Bundespräsident. „Ich nenne das: Terror. Dieser rechte Terror ist verantwortlich für die Toten hier in Solingen. Diesen rechten Terror gab es vor Solingen, und es gibt ihn nach Solingen. Es gibt eine Kontinuität von rechtsextremer und rassistischer Gewalt in unserem Land.“ Es brauche „einen wehrhaften, einen wachsamen, einen aufrichtigen Staat“.

Steinmeier rief jede Bürgerin und jeden Bürger dazu auf, Verantwortung zu übernehmen, bei Übergriffen einzugreifen oder Lügen, Hass und Hetze zu widersprechen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nannte den Anschlag in Solingen auf Twitter einen dunklen Tag. Und: „Mit Respekt für unsere vielfältige Gesellschaft können wir viel erreichen.“

Von einem „kollektiven Trauma“ sprach die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, auf Zeit Online. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, nannte Solingen in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ eine „Zeitenwende“ im negativen Sinne. (KNA)