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Jahrzehnte des SchweigensErstmals Gedenkstunde im Bundestag für queere NS-Opfer

Lesezeit 2 Minuten
Es ist ein Mensch zu sehen, der eine Regebogenflagge in die Luft hält.

Am Freitag ehrt der Bundestag erstmal queere NS-Opfer. (Symbolbild)

Am Freitag würdigt das Parlament erstmals Menschen die in der Zeit des Nationalsozialismus aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität verfolgt wurden.

Für den Bundestag ist es eine gedenkpolitische Premiere: Erstmals würdigt das Parlament am Freitag jene Menschen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt wurden.

Schwule Männer, aber auch lesbische Frauen und Transsexuelle wurden im Zuchthaus und in Konzentrationslagern gequält. Ihr Leid war 1945 nicht zu Ende: Der von den Nazis verschärfte Strafrechtsparagraf 175, der sexuelle Handlungen unter Männern unter Strafe stellte, galt in der Bundesrepublik bis 1969 unverändert fort.

Geschichte der queeren NS-Opfer lange missachtet

Die Geschichte der queeren NS-Opfer wurde lange in der Forschung, der Aufarbeitung und der Erinnerung missachtet. „Sie galten nicht als ‚würdige‘ Opfer, noch nicht einmal als Opfer“, erklärte dazu der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne).

„Die Gedenkstunde im Bundestag beendet eine schmerzhafte, viel zu lange Ignoranz von erlittenem Leid und holt die queeren Opfer in das kollektive Gedächtnis.“ Der Begriff „queer“ bezeichnet Menschen mit einer Identität jenseits der heterosexuellen Norm.

Große Strafrechtsreform 1969 bringt Änderungen

Für sie ging die Repression nach 1949 weiter. Zwischen 1949 und 1969 wurden in der Bundesrepublik rund 50.000 Menschen, zumeist schwule Männer, auf Grundlage des Paragrafen 175 verurteilt.

Erst die große Strafrechtsreform der sozialliberalen Koalition unter Kanzler Willy Brandt (SPD) entkriminalisierte 1969 sexuelle Handlungen unter erwachsenen Männern. Die Urteile in der Bundesrepublik hatten für die Opfer oft gravierende Folgen.

In der Aufarbeitung lange tabubehaftetes Nischenthema

„Sie zerstörten in vielen Fällen Partnerschaften, bürgerliche Existenzen und ganze Biografien“, heißt es in einem 2016 vorgelegten Rechtsgutachten der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

„Erpressung und Doppelleben, gesellschaftliche Ausgrenzung und berufliche Vernichtung, Angst und Selbstmorde waren die erschütternde Realität vieler homosexueller Männer.“ Dieses Unrecht war in der Aufarbeitung über Jahrzehnte hinweg allenfalls ein tabubehaftetes Nischenthema.

Historische Forschung begann erst in den vergangenen Jahren

Erst in den vergangenen Jahren hat sich die historische Forschung des Themas angenommen und schwule, lesbische und andere queere Menschen eindeutig als Opfergruppe des nationalsozialistischen Unrechts identifiziert.

Schon seit 2018 lag dem Bundestag eine Petition mit der Forderung nach einer Würdigung für die queeren Opfer des Nationalsozialismus vor. Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) wollte die Anregung nicht aufgreifen. Seine Nachfolgerin Bärbel Bas (SPD) indes setzte sich persönlich dafür ein. (afp)