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„Dicker, schwächer und dümmer“Harsche Kritik des Wehrbeauftragten an Soldaten

Lesezeit 3 Minuten
Rekruten Bundeswehr

Rekruten im November 2019 bei der Vereidigung vor dem Reichstag

Berlin – Die Aufgaben für die Bundeswehr wachsen, die Folgen des früheren Kaputtsparens sind noch lange nicht überwunden. Dabei sind bei der schleppenden Modernisierung der deutschen Streitkräfte viele Probleme hausgemacht, wie der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels in seinem Jahresbericht feststellt.

Hans-Peter Bartels Wolfgang Schäuble

Hans-Peter Bartels (l.) übergibt Wolfgang Schäuble seinen Jahresbericht.

Ein Novum dabei: Der SPD-Politiker steht auch selbst auf dem Prüfstand. Ob der Bundestag seine Amtszeit über Mai hinaus verlängert, scheint nach Äußerungen aus der Union mindestens unklar.

Personal

Ende vergangenen Jahres hatte die Bundeswehr 183.667 Soldaten, darunter 175.330 Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit. Das vom Ministerium selbst gesteckte Ziel sei erreicht, so Bartels. Bei der Zahl der Bewerbungen gebe es aber das zweitschlechteste Ergebnis seit Aussetzung der Wehrpflicht 2011. Immer stärker ist die Bundeswehr also darauf angewiesen, dass Zeitsoldaten bei der Stange bleiben. In der Folge ist das Durchschnittsalter von 30,3 Jahren (2012) auf 32,3 im vergangen Jahr gestiegen und nun ähnlich hoch wie in Großbritannien (32 Jahre) und Frankreich (33 Jahre). In Kanada liegt es bei 35 Jahren, in Belgien - europäischer Rekord - sogar bei 44 Jahren.

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Klagen zum Nachwuchs kommen aus der Bundeswehr selbst: „Bei Truppenbesuchen wird nicht selten von Vorgesetzten, Kompaniefeldwebeln oder Ausbildern bemängelt, die „Qualität“ der Soldaten sei schlechter geworden, vereinfacht gesagt, sie seien „dicker, schwächer und dümmer“ als früher“, schreibt Bartels. Das Verteidigungsministerium räume ein, dass es weniger Ausmusterungen insbesondere in Bezug auf Übergewicht und früheren Drogenkonsum gebe.

Beschaffungswesen

Das zentrale Erfordernis für eine moderne und vollständig ausgerüstete Bundeswehr bleibe eine schnellere Beschaffung. Bartels hält einen „Paradigmenwechsel“ für nötig. „Das meiste, was unsere Streitkräfte an Ausrüstung brauchen, vom Rucksack bis zum leichten Verbindungshubschrauber, muss nicht immer wieder erst in umständlichen „funktionalen Fähigkeits-Forderungen“ abstrakt definiert, dann europaweit ausgeschrieben, neu erfunden, vergeben getestet, zertifiziert und dann in kleinen Tranchen über 15 Jahre hinweg in die Bundeswehr „eingeführt“ werden“, schreibt er.

„Man kann es auch einfach kaufen. Das heißt, weg vom Grundsatz, dass für deutsches Militär immer alles „Design“ sein muss, weil es sonst nichts taugt, hin zum „IKEA-Prinzip“: aussuchen, bezahlen, mitnehmen!“ Für das obere Ende modernster Technik - vom Kampfpanzer bis zur Raketenabwehr - müsse es dann die Design-Lösung geben.

Ausrüstung

„Nicht zu verstehen ist, dass es bisher nicht einmal gelungen ist, die Soldatinnen und Soldaten komplett mit neuer persönlicher Ausrüstung auszustatten, etwa mit Schutzwesten.“

Extremismus/Kriminalität

Im Bereich Rechtsextremismus gab es im vergangenen Jahr 197 „meldepflichtige Ereignisse“ - eine Steigerung gegenüber den Vorjahren (2018: 170, 2017: 167) Die Bundeswehr habe 45 Soldaten wegen extremistischer Verfehlungen vorzeitig entlassen. Zu einer Entlassung führte der Satz eines Unteroffiziers: „Alle Juden müssten vergast werden.“ Eine Disziplinarmaßnahme wurde für die Worte eines Oberstabsgefreiten verhängt: „Der soll kellnern, der ist schwarz.“

Gestiegen ist die Zahl „meldepflichtiger Ereignisse“ wegen Verdachts auf Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Im Jahr 2019 wurden 345 Vorfälle registriert (2018: 288, 2017: 235). Der Wehrbeauftragte stellt dazu fest: „Die Bundeswehr toleriert keine Form der sexuellen Belästigung und geht entsprechenden Vorwürfen ernsthaft und gründlich nach.“

Finanzen

„Licht und Schatten“ sieht der Wehrbeauftragte bei der finanziellen Ausstattung. Zwar sei der Verteidigungsetat von 32,4 Milliarden Euro im Jahr 2014 auf 43,2 Milliarden im Jahr 2019 gewachsen - zuletzt sogar so kräftig wie nie zuvor binnen eines Jahres. Doch nicht alles fließe in die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte. So überweise die Bundeswehr allein 2,6 Milliarden Euro als Miete für Liegenschaften - Kasernen und Flächen - an den Bund. Seit 2006 sind auch die Pensionsleistungen ehemaliger Soldaten im Verteidigungsetat enthalten. Im vergangenen Jahr seien das allein 6 Milliarden Euro gewesen - „Tendenz steigend“. (dpa)