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Kommentar

Was plant der grüne Minister?
Özdemirs politisches Schachspiel weist in eine Richtung

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Lesezeit 3 Minuten
Cem Özdemir (Grüne), Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, spricht beim Bundesparteitag der Grünen. (Archivbild)

Cem Özdemir (Grüne), Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, spricht beim Bundesparteitag der Grünen. (Archivbild)

Cem Özdemir weiß ganz genau, wie man auf sich aufmerksam macht. Also stellt sich die Frage: Warum hört man in letzter Zeit so wenig von ihm?

Cem Özdemir weiß, wie man für Schlagzeilen sorgt. Daran besteht kein Zweifel. Der Grünen-Politiker war immer ein Meister darin, sich Gehör zu verschaffen. Unvergessen ist, wie er 2014 geschickt eine Cannabis-Pflanze im Hintergrund eines Videos platzierte, um eine Debatte über die just diesen Monat Gesetz gewordene Legalisierung von Cannabis anzustoßen.

Unvergessen auch sein geschickter Schachzug, zur Vereidigung als Landwirtschaftsminister beim Bundespräsidenten nicht mit dem Dienstwagen, sondern mit dem Fahrrad vorzufahren. Es war das Bild des Tages. Doch mittlerweile ist es sehr leise um Özdemir geworden. Warum?

Warum hört man so wenig von Cem Özdemir?

Es gibt Menschen in hohen politischen Ämtern, die es nur ausnahmsweise in die große Öffentlichkeit schaffen. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) gehört dazu. Sie leitet seit zwei Jahren das Bundesfamilienministerium, und im Gegensatz zu kommunikativ so starken Vorgängerinnen wie Franziska Giffey, Katarina Barley, Manuela Schwesig (alle SPD), Kristina Schröder und Ursula von der Leyen (beide CDU) hat man von Paus nichts mitbekommen, außer wenn sie sich gerade mit FDP-Chef Christian Lindner über die Kindergrundsicherung zofft.

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Cem Özdemir ist ein anderes Kaliber. Er weiß ganz genau, wie man auf sich aufmerksam macht. Also stellt sich die einfache Frage: Warum hört man in letzter Zeit so wenig von ihm? Özdemir ist ein Stratege und ein guter noch dazu. Er geht stets planvoll vor, und eines ist zurzeit jedem guten Strategen klar: Diese Bundesregierung ist nicht beliebt. Die Leute sind genervt von der Ampel und damit auch von nahezu jeder Person, die für sie steht.

Wer nicht bemerkt wird, kann auch keinen Schaden nehmen

Die große Ausnahme stellt nur Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) dar, dem die Herzen zufliegen. Der Kanzler hingegen ist unbeliebt, die beiden Vizekanzler ebenso. Die Umfragewerte von Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner liegen alle im negativen Bereich. Also ist es für Özdemir schlüssig, in dieser Regierung kaum aufzutauchen – sich geradezu vergessen zu machen. Wer öffentlich nicht als Minister bemerkt wird, der kann auch keinen Schaden nehmen.

Man darf als gesichert betrachten, dass Özdemir sich aktuell aktiv dafür entscheidet, keine Rolle zu spielen. Andernfalls hätte er die großen Bühnen der Bauernproteste um den Jahreswechsel auch in größerem Umfang für sich genutzt, um sich zu inszenieren. Aber abgesehen von einer kurzen Distanzierung Özdemirs vom restlichen Kabinett war vom Bundeslandwirtschaftsminister recht schnell kaum mehr etwas zu hören. Scholz und Lindner schlugen sich öffentlich mit den Bauern rum – nicht der zuständige Minister. Der tauchte weitgehend ab. Die spekulative Frage daher lautet: Warum?

Zieht es Cem Özdemir nach Baden-Württemberg?

Ich kann Özdemir nicht in den Kopf schauen, aber sein gesamtes politisches Schachspiel weist in eine Richtung: Baden-Württemberg. Dort wird Landesvater Winfried Kretschmann (Grüne) immer älter, und es ist kein stärkerer Nachfolger erkennbar als eben – Özdemir. Die Landtagswahl dort wird 2026 stattfinden.Traditionell im Frühjahr – ein Dreivierteljahr nach der Bundestagswahl.

Ein kluger Spieler in einer unbeliebten Regierung wird, wenn er Ministerpräsident werden will, also jetzt darauf setzen, möglichst wenig aufzufallen, irgendwann ankündigen, nicht mehr für den Bundestag zu kandidieren, nach der Wahl aus dem Bundeskabinett aussteigen und seine Kandidatur in Baden-Württemberg erklären. Wollen wir wetten?