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Kriegsblogger prophezeien Eskalation„Putin demütigt ihn“ – Trump übernimmt Moskaus „falsche“ Geschichte

Lesezeit 6 Minuten
US-Präsident Donald Trump spricht wie Kremlchef Wladimir Putin über die Lage in Kursk. Aus der Ukraine kommt deutlicher Widerspruch. (Archivbild)

US-Präsident Donald Trump spricht wie Kremlchef Wladimir Putin über die Lage in Kursk. Aus der Ukraine kommt deutlicher Widerspruch. (Archivbild)

Während Kiew dem Kreml Fake-News vorwirft, zeigt Trump sich zufrieden mit Putin – und verbreitet seine Angaben weiter.

US-Präsident Donald Trump hat mit einer Wortmeldung zu Russlands Krieg gegen die Ukraine erneut für Aufsehen und Kritik gesorgt. Trump hatte sich nach einem Gespräch seines Sondergesandten Steve Witkoff mit Kremlchef Wladimir Putin über Moskaus Bedingungen für eine von Washington vorgeschlagene Waffenruhe auf seiner Plattform Truth Social geäußert. Kritiker warfen dem US-Präsidenten daraufhin vor, die Angaben Putins übernommen zu haben.

„Genau in diesem Moment sind Tausende ukrainische Soldaten durch das russische Militär eingekesselt und sind in einer sehr schlechten und verletzlichen Lage“, behauptete Trump. Deshalb habe er Putin gebeten, das Leben der ukrainischen Truppen zu verschonen, erklärte Trump weiter. Sonst drohe ein so „grausames Massaker, wie man es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht gesehen“ habe, wählte der US-Präsident drastische Worte. 

Donald Trump übernimmt Wladimir Putins Angaben zu Kursk

Das Problem: Außer Trumps Angaben finden sich für diese Behauptung ausschließlich russische Quellen für derartige Behauptungen zur Lage in Kursk, das von ukrainischen Truppen im letzten Jahr teilweise eingenommen worden war.

Wladimir Putin bei seinem Besuch in der russischen Grenzregion Kursk. (Archivbild)

Wladimir Putin bei seinem Besuch in der russischen Grenzregion Kursk. (Archivbild)

Insbesondere Wladimir Putin, für den die zeitweilige Eroberung russischer Gebiete eine Blamage darstellte, hatte zuletzt immer wieder die Erfolge seiner Armee in Kursk betont und die Region sogar selbst im Tarnanzug besucht. Die Lage der Ukrainer vor Ort sei aussichtslos, hieß es von Putin, der schließlich martialische Worte wählte: „Es wird nur zwei Möglichkeiten geben: sich zu ergeben oder zu sterben.“

Die Ukraine widersprach den Angaben von Trump und Putin am Freitagabend vehement. Berichte über eine „Einkreisung“ ukrainischer Truppen in Kursk seien „falsch“ und von russischer Seite bewusst in Umlauf gebracht worden, um Druck auf Kiew auszuüben und politische Entscheidungen des Westens zu manipulieren, erklärte der Generalstab. Die Truppen in Kursk hätten sich bereits in den letzten Tagen in „vorteilhaftere Positionen“ zurückgezogen, erklärte die Armeeführung weiter. Üblicherweise ist mit dieser Formulierung ein Rückzug gemeint.   

Selenskyj weist Behauptungen über Lage in Kursk zurück

Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wies Trumps Behauptung am Samstag schließlich mit deutlichen Worten zurück. „Es gibt keine Einkreisung unserer Truppen“, schrieb er auf der Plattform X. „Unsere Truppen halten weiterhin russische und nordkoreanische Gruppierungen in der Region Kursk zurück“, fügte Selenskyj an und warnte unterdessen vor möglichen neuen russischen Angriffsplänen.

Russland ziehe nahe der Ostgrenze erneut Truppen zusammen. „Dies deutet auf die Absicht hin, unsere Region Sumy anzugreifen“, so Selenskyj. Der neue Aufmarsch sei ein Zeichen dafür, „dass Moskau die Diplomatie weiterhin ignorieren wird“ und den Krieg „verlängern“ wolle, hieß es weiter aus Kiew. 

Donald Trump: „Sehr gute Diskussionen“ mit Putin

Bei Trump klang das am Freitag anders: Es habe „sehr gute und produktive Diskussionen“ mit Putin gegeben, hatte der US-Präsident erklärt. „Es gibt eine gute Chance, dass dieser furchtbare, blutige Krieg endlich zu einem Ende kommen kann“, hieß es weiter.

Putin hat Trumps Vorlage unterdessen schnell angenommen: Moskau stehe Trumps Wunsch nach Gnade „wohlwollend“ gegenüber, erklärte der Kremlchef in einer Fernsehansprache am Freitagabend.

„Wenn sie ihre Waffen niederlegen und sich ergeben, wird ihnen das Leben und eine würdige Behandlung entsprechend dem Völkerrecht und der Gesetze der Russischen Föderation garantiert“, versicherte der Kremlchef, der zuvor noch gedroht hatte, die ukrainischen Soldaten wie Terroristen behandeln zu wollen. Moskau wirft den ukrainischen Truppen „Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung“ vor, Belege dafür wurden bisher nicht vorgelegt. 

„Nichts von dem, was Trump sagt, stimmt“

An Trump wurde derweil schnell Kritik laut. Der US-Präsident hatte nicht nur Putins Angaben zu Kursk übernommen, sondern der Ukraine erneut eine Mitschuld am russischen Angriffskrieg gegeben. „Man sollte sich nicht mit jemand anlegen, der viel größer ist als man selbst“, erklärte Trump bei einem Auftritt im US-Justizministerium. 

US-Präsident Donald Trump und Kremlchef Wladimir Putin bei einem gemeinsamen Auftritt im Jahr 2018.

US-Präsident Donald Trump und Kremlchef Wladimir Putin bei einem gemeinsamen Auftritt im Jahr 2018.

„Putin kann aus diesem Krieg nicht aussteigen, denn dann stünde er mit leeren Händen da“, betonte Selenskyj derweil, ohne Trump zu adressieren. „Deshalb setzt er jetzt alles daran, die Diplomatie zu sabotieren, indem er von Anfang an inakzeptable Bedingungen für einen Waffenstillstand stellt.“

„Geheimdienstinformationen aus dem Kreml“

Russland- und Politik-Experten wurden unterdessen deutlicher: Trump habe Putins Behauptung „unkritisch“ und „fast wortwörtlich“ wiederholt, stellte Max Seddon, langjähriger Moskau-Korrespondent der „Financial Times“, fest. „Nichts von dem, was Trump sagt, stimmt“, schrieb unterdessen der britische Außenpolitikanalyst Jimmy Rushton bei X. „Russland hat keine ukrainischen Truppen ‚eingekesselt‘, und die Ukraine hat diesen Krieg nicht begonnen“, die Aussagen Trumps seien „komplett wahnhaft“.

Trump habe sich „nun vollständig in Putins Megaphon verwandelt“, lautete derweil das Fazit des Politologen Aleksandar Djokic. „Offenbar stammen die einzigen Geheimdienstinformationen, die Trump liest, aus dem Kreml“, kommentierte der ehemalige russische Schachweltmeister und nunmehrige Kremlkritikers Garri Kasparow.

US-Analysten: Keine Anhaltspunkte für Trumps Behauptung

Widerspruch gab es für Trump auch vom amerikanischen Institut für Kriegsstudien, das seit Kriegsbeginn die Lage an der Front anhand verfügbarer Daten beobachtet. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass ukrainische Truppen irgendwo entlang der Frontlinie „eingekesselt“ worden seien, auch nicht in Kursk, erklärten die US-Analysten in ihrem täglichen Lagebericht. 

Gleichzeitig berichteten russische Medien am Freitag, dass Trumps Sondergesandter, Steve Witkoff, auf sein Gespräch mit Putin am späten Donnerstagabend rund acht Stunden habe warten müssen. Trotzdem übernahm Trump danach die Angaben des Kremlchefs zur Lage in Kursk.

„Putin spielt mit Donald Trump und erniedrigt ihn“

Das Verhalten des russischen Präsidenten zeige, dass er mit Trump spiele, kommentierte der Kölner Politologe Thomas Jäger die lange Wartezeit für Witkoff, der schließlich mit „unerfüllbaren Bedingungen“ zurückgeschickt worden sei. „Putin spielt mit Donald Trump und erniedrigt ihn“, schrieb der Professor für internationale Politik der Universität Köln bei X.

Aus Moskau kamen unterdessen weiterhin bedrohliche Töne. Putins Entscheidung, den Ukrainer in Kursk „Gnade“ zu gewähren, sei ein „sehr humaner Ansatz unseres Landes“, schrieb der ehemalige russische Präsident Dmitri Medwedew in seinem Telegram-Kanal. Die „Kehrseite der Medaille“ bedeute für die „ukrainischen Nazis“ in Kursk jedoch, dass sie „konsequent und rücksichtslos vernichtet“ werden würden, sollten sie Putins Aufforderung zur Kapitulation nicht folgen.

Moskaus Hardliner bleiben auf Kriegskurs

Moskaus Hardliner lassen wie bereits in den letzten Tagen keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie einen Waffenstillstand ablehnen. Die Propagandisten im russischen Staatsfernsehen träumen weiterhin vom „Sieg“ über die Ukraine und fordern die Eroberung weiterer Gebiete vom Kreml.

Auch Putins Soldaten stehen einer Waffenruhe offenbar ablehnend gegenüber, wie ein Bericht der „Moscow Times“ nahelegt. In der russischen Armee halte „jeder einen vorübergehenden Waffenstillstand für völligen Unsinn“, zitierte das russische Exilmedium einen anonymen russischen Soldaten. Auch Befehle, sich auf eine Waffenruhe vorzubereiten, habe es bisher nicht gegeben, hieß es weiter. „An allen Fronten werden die Befestigungen verstärkt“, erklärte ein Soldat.

„Niemand rechnet damit, bis zum Sommer zu Hause zu sein“

Bei den russischen Kriegsbloggern rechnet derzeit ebenfalls niemand mit einer schnellen Waffenruhe. „Man kann in den kommenden Tagen mit Vorwürfen der amerikanischen Seite über Russlands mangelnde Friedensbereitschaft rechnen, was wahrscheinlich zu einer Eskalation des Krieges führen wird“, prophezeite einer der reichweitenstarken Kanäle. Die Soldaten an der Front, die mit der „Moscow Times“ geredet haben, sehen die Lage ähnlich. „Niemand rechnet damit, bis zum Sommer wieder zu Hause zu sein“, zitierte die Zeitung einen der Kämpfer.