Vor dem EU-Krisengipfel erhöht Brüssel den Druck auf Orbán und droht mit einem Wirtschaftskrieg gegen Ungarn. Jetzt zeichnet sich eine Lösung ab.
EU-SondergipfeltreffenEine „Notbremse“ als Zugeständnis – Orbáns letzte Chance
Wenn am Donnerstag die Staats- und Regierungschefs zum EU-Sondergipfel nach Brüssel kommen, steht auf der Tagesordnung nur ein einziger Punkt: die Überarbeitung des EU-Haushalts für 2021 bis 2027. Nachdem Ungarns Regierungschef Viktor Orbán das Budget mit 50 Milliarden Euro Ukraine-Hilfe durch sein Veto blockiert hatte, müssen die EU-Staaten an diesem Donnerstag einen neuen Anlauf nehmen. Wenige Tage vor dem Gipfel zeichnet sich nun eine Lösung ab.
Der ungarische Rechtspopulist, der enge Beziehungen zu Russlands Präsident Putin pflegt, lehnt jegliche finanzielle und militärische Hilfe für die Ukraine ab. Noch am Wochenende bekräftigte ein Sprecher des Außenministeriums in Budapest, man werde nicht mithelfen, dass weitere EU-Gelder für Waffenlieferungen an die Ukraine verwendet würden. Es sei sinnlos, Druck auf Ungarn auszuüben.
Ungarn blockiert in der EU Milliardenhilfe für Ukraine
Orbán hatte im Dezember zwar die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit der Ukraine ermöglicht, indem er kurz vor der Abstimmung den Saal verließ. Wenn es aber um 50 Milliarden aus dem EU-Haushalt geht, ist eine Kaffeepause vor der Tür keine Option mehr. Ebenso gilt es als ausgeschlossen, dass Ungarn beim Gipfel überraschend einlenkt und den Finanzhilfen ohne weiteres zustimmt.
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Nun gibt es Bewegung, um beim Gipfel eine gemeinsame Lösung zu finden. Sie knüpft an den Vorschlag von Orbáns Unterhändler an, die Gelder nicht wie geplant für vier Jahre zu bewilligen, sondern nur für ein oder zwei Jahre. Dann müsste aber immer wieder neu abgestimmt werden und die Sorge ist groß, Ungarn könnte jedes Jahr aufs Neue sein Veto einlegen und Zugeständnisse erpressen.
„Wir dürfen die Erpressungsversuche Orbáns nicht durchgehen lassen“, warnt Grünen-Fraktionschefin Terry Reintke im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Meloni, Fico und andere nehmen sich Orbán bereits zum Vorbild, und wir laufen Gefahr, dass die EU handlungsunfähig und zum Spielball undemokratischer Regierungen wird“, sagte sie mit Blick auf die Ministerpräsidenten Italiens und der Slowakei. Auch der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, bekräftigt: „Diese Woche ist Scheitern keine Option.“
Damit die jährlichen Zusagen nicht so leicht blockiert werden können, gibt es nun einen Plan: Eine Auszahlung soll nur noch mit einer Notbremse verhindert werden können, wie es sie bereits beim EU-Wiederaufbaufonds zur Abfederung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Pandemie gibt. Die Niederlande hatten damals ein Veto gegen den Fonds eingelegt und waren durch die Einführung einer Notbremse umgestimmt worden.
Bei diesem Instrument müssen die Staats- und Regierungschefs zwar den Hilfen aus dem Fonds zustimmen, aber nicht einstimmig. Stattdessen reicht eine qualifizierte Mehrheit. Konkret bedeutet das für Orbán, er müsste sich mit drei weiteren Staatschefs zusammentun, um die Auszahlung der Finanzhilfen an die Ukraine künftig blockieren zu können. Für den ungarischen Regierungschef wäre dies eine gesichtswahrende Lösung, die der Ukraine dennoch die notwendige Unterstützung sichert und sie nicht länger zum Spielball seiner Politik macht.
Zeichen des Einlenkens – Orbán scheint sich zu bewegen
Das Konzept einer Notbremse bestätigte am Montag Orbáns Chefberater Balazs Orbán. Budapest habe am Wochenende Brüssel einen Kompromiss unterbreitet, teilte er mit. Demnach stimme Ungarn den Finanzhilfen zu, wenn die Möglichkeit für einen späteren Einspruch bestehe.
Die finnische Außenministerin Elina Valtonen zeigte sich nach Gesprächen mit ihrem ungarischen Amtskollegen letzte Woche zuversichtlich, dass Orbán seine Blockade aufgeben wird. „Außenminister Szijjártó hat uns ein positives Signal gegeben und ich hoffe sehr, dass wir endlich die Hilfen für die Ukraine beschließen können“, sagte sie im RND-Interview.
Und wenn Orbán nicht zustimmt? In diesem Fall wollen die anderen 26 EU-Mitglieder Hilfszahlungen an die Ukraine ohne Ungarn ermöglichen. Dies wäre dann kein EU-Fonds, sondern ein freiwilliger Geldtopf der anderen 26 Staaten. Dieses Szenario will man in Brüssel vermeiden. Denn es wäre nicht nur langwierig, weil alle nationalen Parlamente zustimmen müssten. Die Europäische Union stünde auch desaströs da, nachdem sie sich auch nach zwei Gipfeln nicht auf eine gemeinsame Regelung ihrer Finanzen einigen konnte. Und es wäre ein klares Signal an Orbán, dass er in der EU keine Kompromisse eingehen muss, sondern seine eigenen Vorstellungen gegen alle anderen durchsetzen kann.
Deutschland will, dass die EU spart – das sehen nicht alle so
Wie der Rat auf eine solche Brüskierung reagieren würde, ist angesichts vieler Optionen unklar. Dem ungarischen Rechtspopulisten das Stimmrecht zu entziehen, um Vetos in Zukunft zu verhindern, würde Monate dauern. Laut der Financial Times gibt es Überlegungen, Budapest EU-Mittel zu streichen, die ungarische Währung zu destabilisieren und Arbeitsplätze und Wohlstand in dem Land zu schädigen. Allein, dass diese Pläne so kurz vor dem Gipfel durchgesickert sind, könnte Orbán zum Einlenken bewegen. Zudem könnten die EU-Staaten Konsequenzen erwägen, weil Ungarn wohl gegen die Grundpflicht eines jeden EU-Mitglieds der „aufrichtigen Zusammenarbeit“ verstößt.
Die Staats- und Regierungschefs müssen in dieser Woche aber nicht nur Orbán umstimmen, sondern sich auch auf die Summe der Budgeterhöhungen einigen. Neben den 50 Milliarden für die Ukraine stehen noch weitere Posten auf der Ausgabenliste, darunter 2 Milliarden für die Asylpolitik und mehrere Milliarden wegen gestiegener Zinsen.
ährend das EU-Parlament und die Kommission noch höheren Bedarf anmelden, wollen viele Staats- und Regierungschefs lieber sparen und Mittel umschichten – allen voran große Geldgeber wie Deutschland. Für wichtige Projekte wie das Forschungsprogramm Horizon oder Erasmus, das tausenden jungen Menschen ein Studium im Ausland ermöglicht, gibt es dann deutlich weniger Geld.