FDP-Chef Christian Lindner plädiert für eine Enquete-Kommission – „Zum Teil unverhältnismäßige Eingriffe“
FinanzministerLindner fordert Aufarbeitung der Corona-Politik
Nach der Veröffentlichung der RKI-Protokolle zur Pandemiebekämpfung fordert FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner eine umfassende Analyse der politischen Entscheidungen in der Corona-Zeit. „Wir müssen die Pandemie aufarbeiten, um die richtigen Schlussfolgerungen für die Zukunft ziehen zu können“, sagte Lindner dem „Kölner Stadt-Anzeiger.“
Heute wisse man, „dass viele Entscheidungen der früheren Bundesregierung großen sozialen und wirtschaftlichen Schaden angerichtet haben“. So seien „Schulschließungen, Kontaktbeschränkungen, Ausgangssperren und Zutrittsverbote zum Teil absolut unverhältnismäßige Eingriffe in die Freiheitsrechte“ gewesen. „In einigen Bundesländern war es nicht möglich, abends zusammen mit der eigenen Ehefrau mit dem Hund Gassi zu gehen. Auch die Sperrung von Spielplätzen und die Schließung von Outdoor-Sporteinrichtungen war – rückblickend betrachtet – überzogen“, beklagte der FDP-Politiker.
Ein Online-Portal hatte die Herausgabe von Protokollen des Krisenstabs des Robert Koch-Instituts (RKI) aus der Zeit von Januar 2020 bis April 2021 durchgesetzt und damit eine neue Debatte über die Entscheidungen in der Coronazeit ausgelöst. Die Unterlagen geben Einblick in die Diskussionen um die Corona-Maßnahmen. Die Dokumente sind teilweise geschwärzt.
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Der Bundesfinanzminister begrüßte, dass nun neue Bewegung in der Frage der Aufarbeitung komme. „Die FDP setzt sich dafür ein, dass sich eine Enquete-Kommission des Bundestags mit der Aufarbeitung der Pandemie befasst“, sagte Lindner.
In die Arbeit dieses Gremiums könnten auch Experten direkt eingebunden werden. „Deswegen ist eine Enquete-Kommission das Mittel der Wahl“, sagte Lindner. Kritiker der Pandemie-Maßnahmen hatten wiederholt die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses gefordert. Dieser könnte allerdings „zur parteipolitischen Profilierung missbraucht“ werden, warnte Lindner.
Ihm gehe es aber nicht darum, „Entscheider anzuklagen“. Wichtig sei es, einen „gesellschaftlichen Lernprozess“ aufzusetzen. „Eine transparente Aufarbeitung könnte Verschwörungstheoretikern und Querdenkern den Wind aus den Segeln nehmen. Ich nehme wahr, dass die Union, die sich bislang gegen eine Aufarbeitung gesperrt hat, über eine Kurskorrektur nachdenkt.“
Auch Armin Laschet für Enqete-Kommission
Die Spaltung der Gesellschaft dauere zum Teil bis heute an. Eine systematische Fehleranalyse könne einen Betrag zur Aussöhnung von Befürworten und Gegnern der Maßnahmen sein. „Ziel muss es sein, dass wir auf eine künftige Pandemie besser vorbereitet sind. Es wäre fatal, wenn sich die Fehler der Vergangenheit wiederholen würden.“ Auch der frühere NRW-Ministerpräsident Armin Laschet sprach sich für eine Enquete-Kommission des Bundestages aus.
Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann wies dagegen auf die Erfolge der deutschen Corona-Politik hin und verteidigte staatliche Auflagen in der Hochphase der Pandemie. „In der Rückschau können wir mit Erleichterung feststellen, dass unser Land die Corona-Pandemie und ihre Folgen gut bewältigt hat“, sagte sie in Berlin. „Die getroffenen konsequenten Maßnahmen haben sehr vielen Menschen das Leben gerettet.“ Sie betonte aber auch, es sei wichtig, sich im Nachgang damit zu befassen sowie Lehren und Schlussfolgerungen zu ziehen.
Zuvor war das Bundesgesundheitsministerium Vermutungen über eine externe Einflussnahme auf eine höhere Risikobewertung des RKI zur Corona-Lage im März 2020 entgegengetreten. Die Spekulationen stützten sich auf geschwärzte Passagen. „Das RKI ist in seinen fachlichen Bewertungen von Krankheiten absolut unabhängig“, erklärte eine Sprecherin von Minister Karl Lauterbach (SPD). (mit dpa)