Merz stänkert gegen alle linken Parteien und zieht den Mord an Walter Lübcke zur Untermauerung seiner Thesen heran. Die Fakten sind andere.
Unionskandidat in MünchenHarsche Kritik an Merz nach Rede über „linke Spinner“ und Lübcke

Friedrich Merz spricht beim gemeinsamen Wahlkampfabschluss von CSU und CDU für die Bundestagswahl in München.
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Zum Wahlkampfabschluss hat Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz am Samstagabend noch einmal auf markige Worte gesetzt. Während Merz in den vergangenen Wochen bei seinen Auftritten im TV eher mäßigende Töne wählte und eine Koalition mit den Grünen explizit nicht ausschloss, drosch der Sauerländer am Samstagabend (22. Februar) in München verbal auf alles ein, was politisch links von der Union zu verorten ist. Im Löwenbräukeller sprach Merz vor CSU-Anhängern, und da kamen seine Seitenhiebe erkennbar gut an.
Vor dem Veranstaltungsort hatte es erneut Demonstrationen gegen das Einreißen der „Brandmauer“ gegen die AfD durch die Union wenige Wochen zuvor im Bundestag gegeben, als Merz die Stimmen der Rechtspopulisten zur Verschärfung der Migrationspolitik in Kauf genommen hatte. Auf der Bühne im Innern des Veranstaltungsorts rief Merz dann: „Links ist vorbei. Es gibt keine linke Mehrheit mehr und keine linke Politik mehr. Es ist vorbei. Es geht nicht mehr.“
Friedrich Merz kritisiert angeblich fehlende Demonstrationen nach Mord an Walter Lübcke
Der Kanzlerkandidat sagte weiter unter dem Jubel des Publikums: „Für die Mehrheit, die gerade denken kann. Und die auch noch alle Tassen im Schrank haben [..] Und nicht für irgendwelche grünen und linken Spinner auf dieser Welt, die da draußen rumlaufen. Die haben in der Mehrheit der Bevölkerung nichts zu suchen. Gar nichts.“
Merz kritisierte, dass viele Veranstaltungen der Union derzeit unter Polizeischutz stattfinden müssten. Er redete sich in Rage: „Ich frage mal die ganzen, die da draußen rumlaufen, Antifa und ‚Gegen Rechts‘: Wo waren die denn, als Walter Lübcke in Kassel ermordet worden ist von einem Rechtsradikalen?“
Der Kasseler Regierungspräsident war 2019 von einem Rechtsextremen wegen seines Einsatzes für Geflüchtete ermordet worden.
SPD-Generalsekretär nennt Merz „Mini-Trump“
Merz' Äußerungen riefen von vielen Seiten harsche Kritik hervor. Die SPD-Spitze wirft ihm vor, das Land zu spalten. „Friedrich Merz macht auf den letzten Metern des Wahlkampfes die Gräben in der demokratischen Mitte unseres Landes nochmals tiefer“, kritisierte SPD-Chef Lars Klingbeil auf X.
Generalsekretär Matthias Miersch sprach vom Tiefpunkt des Wahlkampfes. „Statt zu einen, entscheidet sich Friedrich Merz, noch einmal richtig zu spalten. So spricht niemand, der Kanzler für alle sein will – so spricht ein Mini-Trump“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Miersch kritisierte: „Wer linke Politik beenden will, erklärt Millionen Menschen, dass ihre Sorgen keinen Platz mehr haben.“ So rede kein Bundeskanzler, sondern ein Demagoge.
Die Journalistin und Expertin für US-Rechtsextremismus Annika Brockschmidt schrieb auf Bluesky: „Diese hasserfüllte, enthemmte Merz-Rede in München lässt sich eigentlich nur damit erklären, dass Merz, entgegen seiner Versprechen (denn was sind die schon wert?) doch eine Koalition mit der AfD anstrebt.“ Dies hatte Merz allerdings wiederholt ausgeschlossen. Brockschmidt wirft aber die Frage auf, mit wem Merz im Fall seines wahrscheinlichen Wahlsiegs denn koalieren wollen, wenn er SPD und Grüne auf diese Weise ausschließe.
Die Zukunftsforscherin Maja Göpel nennt die Merz-Rede „verstörend“. Er habe einen großen Teil der deutschen Bürgerinnen und Bürger als „Spinner“ diffamiert.
Merz-Statement hält keinem Faktencheck stand
Andere zeigten sich besonders von Merz' Statement zum Mord an CDU-Politiker Walter Lübcke empört. Nachweislich stimmt es nicht, dass es danach keine Demonstrationen gegen Rechtsextremismus gab. Darauf wird vielfach hingewiesen.
Es wird aus einem Interview mit dem Lübcke-Sohn Christoph zitiert. Dieser beklagte, sein Vater habe dagegen für seine Politik und gegen Anfeindungen wenig bis gar keine Unterstützung aus seiner Partei bekommen.
Der Rechtswissenschaftler Maximilian Pichl unterzieht Merz' Äußerungen einem Faktencheck. „Tatsächlich demonstrierten 10.000 Menschen in Kassel wegen des Mords, auch in anderen Städten“, schreibt er. „CDU + Grüne betrieben im U-Ausschuss keine effektive Aufklärung, trotz des Mords an einem Politiker. Das mussten SPD und Linke leisten“, heißt es weiter auf Bluesky. (mit dpa)