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Quadrell im FaktencheckWeidel, Scholz, Merz, Habeck – was stimmte, was nicht?

Lesezeit 5 Minuten
Das Bild zeigt Olaf Scholz (SPD), Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Friedrich Merz (CDU) und Alice Weidel (AfD) während des ‚Quadrell‘ der TV Diskussion zum Bundestagswahlkampf.

Olaf Scholz (SPD), Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Friedrich Merz (CDU) und Alice Weidel (AfD) nehmen am 'Quadrell' der TV Diskussion zum Bundestagswahlkampf im Studio teil.

Zwei Stunden lang hauten sich Olaf Scholz, Friedrich Merz, Robert Habeck und Alice Weidel Behauptungen und Zahlen um die Ohren.

Eine Woche vor der Bundestagswahl haben sich erstmals die vier Kanzlerkandidaten von SPD, Union, Grünen und AfD in einer TV-Runde einen heftigen Schlagabtausch zu zentralen politischen Fragen geliefert. Wir haben einige davon auf Plausibilität überprüft.

Alice Weidel: „CO₂-Preis macht Benzin und Diesel bis zu einem Euro pro Liter teurer“

AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel konzentrierte sich in ihren Beiträgen im Quadrell mehrfach auf die ihrer Ansicht nach falsche Energiepolitik Deutschlands. In einer hitzigen Debatte mit Bundeswirtschaftsminister und Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck sagte Weidel, Deutschland habe die „höchsten Strompreise weltweit“. Zudem machte sie die steigende CO₂-Abgabe für exorbitante Preissteigerungen bei Benzin und Diesel in den kommenden Jahren verantwortlich.

Alice Weidel steht beim „Quadrell“ der TV Diskussion zum Bundestagswahlkampf im Studio.

Alice Weidel sprach immer wieder von der nach ihrer Ansicht falschen Energiepolitik Deutschlands.

„Wir werden Sprit-Preissteigerungen haben von bis zu einem Euro pro Liter“, sagte AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel. Die steigende CO₂-Abgabe werde ab 2027 dazu führen, dass sich Benzin und Diesel extrem verteuerten.

Das stimmt:

Die steigende CO₂-Abgabe sorgt dafür, dass sich die Kraftstoffpreise erhöhen. Zum Jahresbeginn 2025 stieg der CO₂-Preis pro Tonne von 45 auf 55 Euro. Benzin und Diesel wurden dadurch jeweils um rund drei Cent pro Liter teurer. Auch hat Deutschland im weltweiten Vergleich hohe Strompreise.

Das stimmt nicht:

Deutschland hat nicht die „höchsten Strompreise weltweit“. Italien (41 Cent/Kilowattstunde) und Irland (39 Cent) liegen beim Haushaltsstrompreis deutlich darüber, danach folgt Dänemark (35 Cent) dann kommen Deutschland (34 Cent) gleichauf mit Belgien und dem Vereinigten Königreich. Weidel hat also unrecht.

Die CO₂-Abgabe wird sich 2026 in einem Korridor von 55 bis 65 Euro bewegen, in diesem Rahmen soll sich der Preis durch die Versteigerung von begrenzt verfügbaren CO₂-Zertifikaten bilden. Der Automobilclub ADAC rechnet dadurch mit einer Steigerung der Kraftstoffpreise um einen weiteren Cent pro Liter.

Nach 2027 bildet sich der Preis der Zertifikate am Markt – ist also davon abhängig, wie umweltschädlich die Industrie dann noch produziert. Die ADAC-Experten halten eine Verdoppelung des heutigen CO₂-Preises für wahrscheinlich. Das würde einen weiteren Anstieg von bis zu 19 Cent pro Liter Benzin und Diesel bedeuten. Weidel befürchtet einen bis zu dreimal so starken Anstieg wie die Experten des größten deutschen Automobilclubs.


So haben wir recherchiert:

Strompreise: Electricity price by country 2024 | Statista

Kraftstoffpreise: CO₂-Steuer: Was der Anstieg für Autofahrer bedeutet | ADAC

Olaf Scholz: Haben Abschiebungen um 70 Prozent erhöht

Bundeskanzler Olaf Scholz hält der SPD-geführten Bundesregierung zugute, die irreguläre Migration 2024 um 100.000 Personen gesenkt zu haben und kündigt einen weiteren Rückgang um 100.000 für 2025 an. Zudem sagt er, dass die Zahl der Abschiebungen um 70 Prozent seit 2021 angestiegen sei.

Olaf Scholz (SPD), besichtigt das Studio vor dem „Quadrell“ der TV Diskussion zum Bundestagswahlkampf im Studio.

Das Thema Migration spielt beim Bundestagswahlkampf eine große Rolle.

Das stimmt:

Die Zahl der Abschiebungen ist seit 2021 kontinuierlich gestiegen. 2021 gab es 11.982 Abschiebungen aus Deutschland, 2022 waren es 12.945, 2023 16.430, 2024 wurden 20.084 Menschen abgeschoben. Der Anstieg um 70 Prozent ist also korrekt. In den Vorjahren, direkt nach der großen Flüchtlingszuwanderung ab 2015, lag die Zahl der Abschiebungen allerdings weit höher: 2016 wurden mehr als 25.000 Menschen aus Deutschland abgeschoben, 2017 noch mehr als 24.000.

Die Zahl der Asylanträge ging 2024 um rund 100.000 zurück, die Zahl der illegalen Grenzübertritte nur um 50.000.

Das stimmt nicht:

Scholz arbeitet zwar mit korrekten Angaben, die allerdings nicht das komplette Migrationsgeschehen auch der Vorjahre abbilden.


So haben wir recherchiert:

Die Zahl der Abschiebungen wird kontinuierlich von der Linkspartei im Bundestag abgefragt, zum Beispiel in der Drucksache 20/11471. Eine Übersicht findet sich hier: Abschiebungen in Deutschland | Zahlen zu Asyl in Deutschland | bpb.de

Die Asylanträge und Grenzübertritte finden sich in der Statistik des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge.

Friedrich Merz: Deutschland zahlt 300 Millionen Euro Entwicklungshilfe an Afghanistan

CDU-Spitzenkandidat Friedrich Merz fordert mehr Abschiebungen nach Afghanistan. Deutschland solle als Druckmittel gegenüber den regierenden Taliban einsetzen, dass 300 Millionen Euro Entwicklungshilfe in das Land am Hindukusch flössen. „Wir geben 300 Millionen Euro Entwicklungshilfe nach Afghanistan. Warum machen wir das, ohne mit den Taliban darüber zu sprechen?“, fragte Merz.

Friedrich Merz nimmt am „Quadrell“ der TV Diskussion zum Bundestagswahlkampf im Studio teil.

Ende August 2024 war erstmals seit der Machtergreifung der Taliban vor drei Jahren wieder ein Abschiebeflug aus Deutschland nach Afghanistan gestartet.

Das stimmt:

Die Bundesregierung hat nach der Machtübernahme der Taliban vor dreieinhalb Jahren die staatliche bilaterale Entwicklungszusammenarbeit ausgesetzt. Dennoch hilft Deutschland weiter humanitär im Land. Laut Entwicklungshilfeministerium führe die Bundesregierung „keine Regierungsverhandlungen mit der Taliban-Regierung, stimmt die Projekte nicht mit ihr ab und arbeitet in keiner Weise mit ihr zusammen. Dementsprechend erfolgen auch keine finanziellen Zusagen an das Taliban-Regime.“

Bis 2023 wurden 371 Millionen Euro für Entwicklungshilfe gezahlt und über internationale Organisationen wie die Weltbank oder Nichtregierungsorganisationen gezahlt.

Das stimmt nicht:

Wenn Friedrich Merz mit seiner Schätzung von 300 Millionen Euro eine jährliche Zahlung meint, liegt er nicht richtig. So viel wurde vor der Machtübernahme der Taliban gezahlt. Ob die Beteiligung an anderen Hilfsprojekten ein politisches Druckmittel gegenüber den Taliban sein könnte, ist eine Frage von politischer Opportunität.


So haben wir recherchiert:

Statement des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu Afghanistan: Afghanistan | BMZ

Zahlen 2021–2023: Afghanistan: Millionen Entwicklungshilfe | Spiegel.de

Robert Habeck: Deutschlands Milliardäre haben 2024 rund 28 Milliarden Euro mehr verdient

Bundeswirtschaftsminister und Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck will ähnlich wie SPD, Linke und BSW die Reichsten stärker zur Kasse bitten. Habeck sagte in der Sendung mit leichtem Verhaspler: „Wir haben 130 Milliardäre in Deutschland. Milliardäre nicht Millionäre. Die haben im letzten Jahr 28 Milliarden mehr Vermögen bekommen.“

Robert Habeck nimmt am „Quadrell“ der TV Diskussion zum Bundestagswahlkampf im Studio teil.

Milliardäre oder Millionäre? Bei dieser Aussage kam Habeck leicht ins Straucheln.

Das stimmt:

Laut der „Liste der 500 reichsten Deutschen“ gab es 2024 sogar 249 Milliardäre in der Bundesrepublik, 23 mehr als im Vorjahr und „so viele wie nie zuvor“. Nach einer Studie der Entwicklungshilfeorganisation Oxfam stieg das Vermögen der deutschen Superreichen 2024 insgesamt um 26,8 Milliarden Euro. 71 Prozent des Milliardärsvermögens hierzulande stammten aus Erbschaften.

Das stimmt nicht:

Der Bundeswirtschaftsminister schätzt die Zahl der deutschen Milliardärinnen und Milliardäre deutlich zu niedrig ein, deren Vermögenszuwachs dafür etwas zu hoch. An der Aussage ändert das nichts.


So haben wir recherchiert:

„Liste der 500 reichsten Deutschen“: Milliardäre: Das sind die 500 reichsten Deutschen 2024 – exklusive Auswertung | manager-magazin.de

Oxfam-Studie: „Ungerechte Steuerpolitik“: Zahl der Milliardäre steigt – und deren Vermögen auch | n-tv.de