In Hessen offenbart sich nach und nach ein rechtes Netzwerk bei der Polizei. NRW-Innenminister Herbert Reul spricht im Interview darüber, ob so etwas auch in NRW möglich wäre.
Außerdem spricht er über die nach wie vor hohe Gefahr eines islamistischen Anschlags in NRW und die Gründe dafür.
Im Gespräch erzählt er auch, warum er Markus Söder für einen schlechten Kanzlerkandidaten hält.
Herr Reul, bei der Polizei in Hessen gibt es offenbar ein rechtes Netzwerk. Könnte der Skandal auch NRW erfassen?
Herbert Reul: Auszuschließen ist so etwas nie. Aber wir tun alles dafür, dass solche Netzwerke nicht unentdeckt bleiben. Ich habe 2018 veranlasst, dass alle Polizeianwärter vor der Einstellung vom Verfassungsschutz überprüft werden. Aber die machen erst einen kleinen Bruchteil im Apparat aus. Bei der Polizei arbeiten 50.000 Menschen. Es wäre naiv, für alle die Hand ins Feuer zu legen. Klar ist: Wer nicht mit beiden Beinen auf dem Boden des Grundgesetzes steht, fliegt raus. Punkt. Ich habe in jeder Polizeibehörde einen Extremismusbeauftragten als Ansprechpartner für jeden eingesetzt, der einen Extremismusverdacht in den eigenen Reihen melden möchte.
Sind Polizisten anfälliger für rechte Parolen als andere Berufsgruppen?
Sie geraten im Alltag jedenfalls häufiger in schwierige Situationen. Viele stellen sich die Frage, wie unsere Gesellschaft besser funktionieren könnte. Rechte Parteien liefern darauf einfache Antworten. Am Ende sind unsere Polizisten aufgrund ihrer Aus- und Weiterbildung wahrscheinlich weniger empfänglich für rechte Parolen als der Rest der Gesellschaft.
Ein Bündnis gegen „Polizeigewalt und Repression“ will im August vor Ihrem Wohnhaus gegen Rassismus bei der Polizei demonstrieren. Werden Sie mit den Demonstranten sprechen?
Ich mische mich da nicht ein. Das müssen die zuständigen Behörden entscheiden. An dem Tag werde ich meinen feststehenden Terminplan abarbeiten.
In der Corona-Krise ist die islamistische Bedrohung aus dem Focus geraten. Hat sich das Lagebild verändert?
Die Gefahr, dass es in NRW zu einem islamistischen Anschlag kommt, ist nach wie vor hoch. Auch wenn das Thema durch die Coronakrise vielleicht nicht mehr in den Schlagzeilen ist. Die Zahl der Salafisten ist von 2019 bis heute von 3100 auf 3200 leicht angestiegen. Die Zahl der gewaltorientierten Islamisten bleibt mit fast 800 auf hohem Niveau. Die große Welle von Rückkehrern aus den Krisengebieten, die wir befürchtet hatten, ist ausgeblieben. Das liegt vielleicht daran, dass viele Kämpfer immer noch an ein Wiedererstarken des Islamischen Staats glauben und in neue Krisengebiete abgewandert sind.
Sie haben in Bergisch Gladbach das Präventionsprogramm Wegweiser gestartet, das gegen Islamismus wirken soll. Gibt es dort einen Hotspot?
Die größte Gefahr besteht in der Radikalisierung durch das Internet. Das gibt es überall, auch auf dem Land. Deswegen verfolgen wir mit dem Programm einen flächendeckenden Ansatz. Seit 2017 haben wir die Zahl der Orte, in denen es Anlaufstellen gibt, auf 25 verdoppelt.
Mallorca hat das Feiern am Ballermann verboten. Sollten Urlauber, die zurückkehren einen Corona-Test machen?
Ich war entsetzt, als ich die Bilder gesehen habe. Die Gelage am Ballermann sind absolut inakzeptabel und verantwortungslos. Bund und Länder haben sich darauf verständigt, Einreisende und Rückkehrer aus Risikogebieten bei der Einreise zu testen. So soll eine zweite Welle vermieden werden. Die Gebiete richten sich nach den vom Robert Koch-Institut festgelegten Risikoländern. Die Leute, die am Ballermann gefeiert haben, müsste man anders behandeln als die, die einen Wanderurlaub gebucht hatten.
Sie hatten doch einen Urlaub auf Mallorca geplant, oder?
Ja. Aber wir fliegen doch nicht. Ich habe den lange im Voraus gebuchten Mallorca-Urlaub abgesagt. Das Risiko des Fliegens ohne Sicherheitsabstand war mir zu groß. Ich fahre jetzt mit dem Auto nach Mecklenburg-Vorpommern. Da habe ich im Notfall alle Entscheidungen über eine Rückreise selbst in der Hand.
Es kann aber sein, dass in Deutschland einzelne Bezirke künftig von der Polizei abgeriegelt werden, wenn es regionale Hotspots gibt.
Ja, darauf haben Bund und Länder sich verständigt. Das ist ja auch vernünftig. Ich kann nur hoffen, dass es nicht zu solchen Einsätzen kommt. Polizeisperren an Kreisgrenzen liefern keine schönen Bilder, sind aber vielleicht die Ultima Ratio, um eine Quarantäne durchzusetzen.
Markus Söder sonnt sich in Bildern mit der Kanzlerin im Schloss Herrenchiemsee. Sollte Laschet die Kanzlerin jetzt auch nach NRW einladen?
Unsinn. Was Markus Söder da veranstaltet, ist doch eine durchschaubare barocke Inszenierung. Mir ist unerklärlich, wieso Leute auf die Idee kommen, dass er ein guter Kanzlerkandidat sei. Söder hat der Union mit seiner Strategie, die AfD rechts überholen zu wollen, seit 2015 schweren Schaden zugefügt. Das hat uns fast 20 Prozent an Zustimmung gekostet. Immerhin hat er das inzwischen eingesehen. Dass er sich nun einen grünen Anstrich gibt, zeigt nur, dass er keinen klaren politischen Kompass hat.
Wäre es klug, Söder zum Kanzlerkandidaten zu machen?
Um Gottes willen. Heiße Luft und eine Politik, die auf Inszenierungen setzt, bringen die CDU nicht weiter. In der Corona-Krise hat sich gezeigt, dass der abgewogene und verantwortliche Kurs der NRW-Landesregierung in allen Punkten erfolgreicher war als die pseudo-restriktive Strategie von Söder. Deshalb glaube ich, dass Armin Laschet der bessere Kanzlerkandidat für die Union wäre.
Autofahrer, die ihren Führerschein verloren haben, sollen ihn zurückbekommen, wer nur eine Geldbuße zahlen musste wird nicht begnadigt. Warum messen Sie mit zweierlei Maß?
Wir messen nicht mit zweierlei Maß. Das Maß ist das Grundgesetz. Ein Fahrverbot kann unter Umständen intensiv in das Grundrecht eingreifen – etwa wenn ich als Taxifahrer arbeite, im Außendienst tätig bin oder meine Mutter pflege, die ich nur mit dem Auto erreichen kann. Außerdem ist damit ja lediglich eine Prüfung von uns aus gemeint. Betroffenen in NRW bleibt es überlassen, im Falle einer noch nicht gezahlten Geldbuße und bei einer individuellen besonderen Härte eine Gnadenentscheidung zu beantragen.