AboAbonnieren

Höhere Gaspreise: Druck auf Ampel für Entlastungen wächst

Lesezeit 4 Minuten

Berlin – Angesichts deutlicher Preissteigerungen für Haushalte wegen der neuen staatlichen Gasumlage steigt der Druck auf die Bundesregierung für zusätzliche Entlastungen schon zum Herbst. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) forderte die Bundesregierung auf, ein neues Entlastungspaket für die Bürger zu schnüren. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken kündigte an, ihre Partei werde „einen neuen Anlauf nehmen, eine Übergewinnsteuer für Konzerne einzuführen, die sich an der Krise bereichern”.

Die Chefin des Verbraucherzentrale-Bundesverbands, Ramona Pop, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, es sei ein Entlastungspaket für einkommensschwache Haushalte notwendig, bis die Gasumlage komme: ”Am wichtigsten ist schnelles Handeln: Wenn die Gasumlage kommt, muss das Hilfspaket stehen.”

Miersch für passgenaue Maßnahmen

Alles zum Thema RWE

SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch sagte der Deutschen Presse-Agentur am Samstag, es werde nicht das eine weitere Entlastungspaket geben können. „Sondern es bedarf einer Vielzahl an passgenauen Maßnahmen der verschiedenen Ebenen. Diese sollten bereits beginnen, im Herbst zu wirken.”

Die staatliche Gas-Umlage soll im Oktober für Firmen und Privathaushalte eingeführt werden. Sie soll Gasversorgern zugute kommen, die zu hohen Preisen Ersatz für ausbleibende Gasmengen aus Russland kaufen müssen. Die Bundesregierung hatte die Umlage im Zuge des Rettungspakets für den Versorger Uniper beschlossen.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nannte zuletzt eine Spanne von 1,5 bis 5 Cent pro Kilowattstunde, in der sich die Gas-Umlage bewegen werde. Bei einem durchschnittlichen Vier-Personen-Haushalt mit einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden im Jahr wären das 300 bis 1000 Euro. Dazu kommen marktgetriebene drastische Preissteigerungen ohnehin schrittweise bei den Kunden an.

Ramelow sagte der dpa in Erfurt: „Die soziale Arithmetik hat die Ampel-Regierung derzeit kaum im Blick. Grund ist vor allem die Blockade der FDP.” Er forderte eine Sonder-Ministerpräsidentenkonferenz mit der Bundesregierung.

Die Regierung hatte bei der Verkündung der Umlage weitere Entlastungen angekündigt. Zu Beginn kommenden Jahres soll es eine Wohngeldreform geben, der Kreis der Berechtigten soll ausgeweitet werden. Ebenfalls zum 1. Januar 2023 soll ein Bürgergeld kommen, welches das bisherige Hartz-IV-System ablösen soll. In der Koalition sind aber die genauen Konditionen noch umstritten. Die Regierung will außerdem Kündigungsschutzregeln überprüfen, so dass überforderten Mietern der Mietvertrag oder Energiekunden der Liefervertrag nicht gekündigt werden kann.

Entlastungen erreichen Bevölkerung laut Miersch bald

Miersch sagte, zunächst würden weitere Teile der bereits beschlossenen Entlastungspakete in den kommenden Wochen die Bürgerinnen und Bürger erreichen. „Viele werden die Mehrbelastungen im Herbst und Winter spüren, so dass jetzt alle Stellen immer wieder aufklären müssen, dass alle zum sparsamen Umgang mit Energie beitragen. Betroffen sind Bürger und Unternehmen, aber auch alle anderen Einrichtungen wie zum Beispiel Sport- und Bildungsstätten.”

Wer Hartz IV bezieht und beim Heizen spart, soll nach einem Vorschlag des stellvertretenden Vorsitzenden der FDP-Bundestagsfraktion, Lukas Köhler, finanziell profitieren. „Die deutlich gestiegenen Preise sind für viele Menschen der wichtigste Anreiz, um Gas einzusparen”, sagte Köhler dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Wer jedoch Arbeitslosengeld II bezieht, hat diesen Anreiz nicht, da die Kosten in der Regel vollständig vom Jobcenter übernommen werden.”

Köhler sagte weiter: „Um das zu ändern, schlage ich vor, dass die ALG-II-Empfänger künftig finanziell an den eingesparten Heizkosten beteiligt werden.” Wer weniger Gas verbrauche als in den Vorjahren, bekomme dann einen Großteil der dadurch eingesparten Heizkosten ausgezahlt. „Somit würde sich sparsames Heizen nicht nur beim Gasverbrauch, sondern auch unmittelbar auf dem Konto der ALG-II-Empfänger bemerkbar machen.” Köhler sprach von einer „Finanzspritze ohne zusätzliche Kosten für die Steuerzahler - im Gegenteil, denn auch der Staat würde schließlich davon profitieren, wenn ein Teil des eingesparten Geldes in seiner Kasse verbliebe”.

Der Paritätische Gesamtverband zeigte sich verärgert über die geplante Gasumlage. „Es kann nicht angehen, dass Krisengewinner nunmehr auch noch von jedem Einkaufsrisiko freigestellt werden”, sagte der Hauptgeschäftsführer des Wohlfahrtsverbands, Ulrich Schneider, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Gasversorger wie Wintershall Dea wiesen einen Gewinn von 1,3 Milliarden Euro im ersten Halbjahr 2022 aus, RWE sogar 5 bis 5,5 Milliarden Euro. Schneider plädierte für eine „Übergewinnsteuer für Unternehmen, die mit Krieg und Krisen außergewöhnlich hohe Erträge erwirtschaftet haben und weiter erwirtschaften”.

Die SPD-Vorsitzende Esken sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung”, es sei „nicht hinzunehmen, dass Energiekonzerne Krisengewinne einfahren in einer Zeit, in der der Staat Gasversorger mit einer solidarischen Preisumlage stabilisiert oder gar mit Steuergeldern”. Das werde zu Recht als große Ungerechtigkeit empfunden. Die FDP lehnt eine Übergewinnsteuer ab, unter anderem weil sie nicht passgenau anzuwenden sei. Für eine Übergewinnsteuer ist auch Habeck.

© dpa-infocom, dpa:220730-99-212240/4 (dpa)