London/Windsor – Mit einem der größten Staatsbegräbnisse der Geschichte hat die Welt am Montag Abschied von der Queen genommen. Unter den Augen von Millionen Fernsehzuschauern in aller Welt erwies eine trauernde Nation in London und Windsor der gestorbenen Königin Elizabeth II. die letzte Ehre. An den beispiellosen Trauerfeierlichkeiten nahmen zahlreiche Staatsoberhäupter und Monarchen teil, einige waren extra von weit her angereist. Hunderttausende säumten zu dem Jahrhundertereignis die Straßen.
König Charles III. wirkte ergriffen, als er mit seiner engsten Familie den Sarg seiner Mutter durch die britische Hauptstadt geleitete. Der 73-Jährige hatte Tränen in den Augen. Auch die Queen-Urenkel Prinz George (9), ein künftiger König, und Prinzessin Charlotte (7) reihten sich tapfer mit ihren Eltern Prinz William und Prinzessin Kate (beide 40) in die Trauerprozession ein.
Am Nachmittag wurde der Leichnam der Königin zu ihrer Residenz Windsor, westlich von London, gebracht. Dort wurde sie am Abend nach einem Aussegnungsgottesdienst an der Seite ihres im April 2021 mit 99 Jahren gestorbenen Ehemannes Prinz Philip in einer privaten Zeremonie beigesetzt. Sie ruhen in der King-George-VI.-Gedenkkapelle, einer kleinen Seitenkapelle der St.-Georges-Kapelle, wie der Palast am Abend mitteilte.
Letzte Fahrt durch London nach Windsor
Dort liegen auch die Eltern der Queen, König George VI. (1895-1952) und „Queen Mum” (1900-2002), sowie die Urne der jüngeren Queen-Schwester Prinzessin Margaret (1930-2002), die vor 20 Jahren auf eigenen Wunsch - entgegen der Tradition - kremiert wurde.
Kommentatoren sprachen von einem beispiellosen Spektakel in der jüngeren Geschichte. Elizabeth II. saß 70 Jahre auf dem Thron - länger als alle anderen britischen Monarchen. Sie starb am 8. September mit 96 Jahren auf ihrem schottischen Landsitz Balmoral.
Auf den Straßen war die Anteilnahme groß. Zahlreiche Menschen warfen vom Rand Blumen auf den Leichenwagen, als das Fahrzeug die Königin zum letzten Mal durch London und dann zu ihrer geliebten Residenz Schloss Windsor brachte. Dort warteten auch die geliebten Corgis der Queen, die nun von ihrem zweitältesten Sohn Prinz Andrew betreut werden, sowie ihr Lieblingspferd Emma.
Das Staatsbegräbnis war minuziös durchgetaktet: Um 11.44 Uhr (12.44 Uhr MESZ) wurde der in die königliche Standarte gehüllte Sarg aus der Westminster Hall des Parlaments, wo etliche Menschen über Tage der aufgebahrten Queen die letzte Ehre erwiesen hatten, in die nahe Westminster Abbey getragen. Dort nahmen etwa 2000 Gästen an einem einstündigen Gottesdienst teil. In der Abtei hatte die Queen 1947 Prinz Philip geheiratet und war 1953 auch gekrönt worden.
Alles ist durchchoreografiert
Schon Stunden vor dem Gottesdienst waren alle Bereiche entlang der Strecke des Trauerzugs gefüllt. Neuankömmlinge wurden in den Hyde Park geleitet, wo die Zeremonie auf Großbildleinwänden gezeigt wurde.
„Wir haben eine gute Show geliefert”, sagte die Londonerin Kas Girdler, die die Zeremonie gemeinsam mit zwei Freundinnen verfolgte. „Darin sind wir gut, das können wir.” Die Londonerin Liz Bosanquet, die mit ihren Söhnen Tommy und Leo und weiteren Freunden die Zeremonie verfolgte, sagte: „Es war sehr bewegend, besonders, als alle geschwiegen haben und danach Applaus ausgebrochen ist.”
Jede Minute des Trauerzugs erklang ein Salutschuss, auch die berühmte Glocke Big Ben schlug regelmäßig. Etliche Soldaten in Gala-Uniform schritten mit dem Sarg an den Stätten von Elizabeths 70-jähriger Herrschaft wie dem Buckingham-Palast vorbei. Viele Uniformen und das Zeremoniell erinnerten Betrachter an das einstige britische Empire, das während Elizabeths Regentschaft weiter zerbröckelte.
Mit König Charles folgten auch die übrigen Kinder der Queen - Prinzessin Anne (72), Prinz Andrew (62) und Prinz Edward (58) - im Trauerzug. Dahinter gingen ihre Enkel Prinz William und Prinz Harry. Ihre Ehefrauen sowie Williams Kinder folgten in Limousinen bis zum Triumphbogen Wellington Arch, wo der Sarg von acht Trägern von einer Lafette in den Leichenwagen umgebettet wurde. Auf Windsor schlossen sich die Royals dem Geleitzug erneut an.
Royals und Staatschefs aus aller Welt zu Gast
Andrew und Harry kamen wie erwartet nicht in Uniform. Dabei waren beide im Militäreinsatz, Andrew im Falklandkrieg und Harry in Afghanistan. Allerdings sind sie keine aktiven Mitglieder der Royal Family mehr. Bei der Totenwache in der Westminster Hall waren sie zuvor ausnahmsweise in Uniform erschienen.
Während des Gottesdienstes waren viele Blicke auf die jüngsten Teilnehmer der Royal Family gerichtet. Charlotte trug einen schwarzen Hut mit Schleife über ihrem langen blonden Haar und einen Mantel. George trug einen dunkelblauen Anzug mit weißem Hemd und Krawatte. Ihr jüngerer Bruder Prinz Louis (4) war nicht zu sehen.
In Schwarz, allerdings in unterschiedlichen Modestilen, erschienen Prinzessin Kate und Harrys Ehefrau, Herzogin Meghan. Kate trug ein langärmeliges Mantelkleid, einen Hut mit Schleier über ihrem Gesicht sowie Perlenohrringe. Dazu hatte sie eine Perlenhalskette der Queen angelegt. Meghan trug ein Kleid mit Cape, Hut und Perlenohrstecker.
Gut ein Dutzend Königinnen und Könige, dazu Sultane und sogar der japanische Kaiser Naruhito, der sonst nie an Beisetzungen teilnimmt - wohl seit langem hat es keine solch exquisite Gästeliste gegeben.
US-Präsident Joe Biden war ebenso angereist wie der französische Staatschef Emmanuel Macron und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Er rechne in nicht allzu ferner Zukunft mit einem Besuch des neuen britischen Königs in Deutschland, sagte Steinmeier, der bei einem Empfang am Sonntag mit dem Monarchen gesprochen hatte, dem ZDF.
Dudelsack und Hymne
Auch die sechs lebenden britischen Ex-Premierminister und Amtsinhaberin Liz Truss nahmen an dem Staatsakt teil. Blumenschmuck und Musik (viel von Bach) waren eigens wegen ihrer Symbolik für die Queen ausgewählt worden.
Auf dem Sarg thronte auch ein persönlicher Brief von Charles an seine Mutter. „In liebevoller und treuer Erinnerung. Charles R.” Das „R.” steht für Rex, das lateinische Wort für „König”.
Der Erzbischof von Canterbury erinnerte auch an die viel beachtete Rede der Queen an die Nation während der Corona-Pandemie. Elizabeth II. sprach ihren Untertanen damals Mut zu und sagte: „Wir werden uns wiedersehen.” Zum Abschluss des Gottesdienstes ertönte das Signal „The Last Post”. Nach zwei Schweigeminuten trug der persönliche Dudelsackpfeifer der Queen das Stück „Sleep, Dearie, Sleep” vor. Schließlich wurde die Nationalhymne „God Save the King” gesungen.
Das Staatsbegräbnis war eine enorme Herausforderung für die Behörden: Polizei, Geheimdienste und Anti-Terror-Einheiten koordinierten die wohl größte Sicherheitsoperation, die die Stadt je erlebt hat. Derweil stand das Land still - fast überall blieben Schulen und Unis sowie Geschäfte geschlossen. Auch auf die Reisepläne zahlreicher Menschen hatte das Ereignis Auswirkungen. Am Londoner Flughafen Heathrow wurden mehr als 100 Flüge abgesagt, damit während der Zeremonien Stille herrscht.
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