AboAbonnieren

„Wording“-SeitenhiebPistorius und Steinmeier bieten Trump-Vize die Stirn

Lesezeit 5 Minuten
US-Vizepräsident J.D. Vance spricht auf der 61. Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) in München.

US-Vizepräsident J.D. Vance spricht auf der 61. Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) in München.

Vance warnt davor, die Demokratie durch Regeln für soziale Netzwerke zu beschädigen. Indirekt stützt er die AfD. Zur Ukraine von ihm kein Wort.

Ein bisschen muss J.D. Vance warten. Der neue US-Vizepräsident ist zur Münchner Sicherheitskonferenz gekommen, zum Stelldichein der Außen- und Sicherheitspolitiker, es ist klar, dass er im Fokus steht – die US-Regierung ist frisch im Amt und mit Zöllen und Drohungen voll auf Konfrontationskurs. Die Stimmung ist, vorsichtig gesagt, mittelprächtig.

CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen hält es zu Konferenzbeginn im Deutschlandfunk für nötig zu betonten: „Die Europäer sind nicht die Angestellten der amerikanischen Regierung.“ Und weil die USA Russland ein paar Angebote mit Blick auf die Ukraine gemacht haben, hat auch Konferenzchef Christoph Heusgen schon ein paar kritische Worte Richtung USA geschickt: „Ich glaube schon, dass im Kreml da die Korken knallen.“

Pistorius kämpft gegen Vance an

Eigentlich wollte Boris Pistorius eine ganz andere Rede halten. Zur Sicherheit Europas. Aber nach dem Auftritt von US-Vizepräsident J.D. Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) platzt dem Verteidigungsminister am Freitag der Kragen. Jetzt geht es ihm um die gemeinsamen Werte und die Demokratie.

„Ich bin ein großer Freund Amerikas“, schickt der SPD-Politiker voraus. Die USA hätten ihn früh fasziniert und auch geprägt. „Und gerade deswegen kann ich nicht zur Tagesordnung übergehen.“ Und so haut der Minister dem US-Vizepräsidenten dessen Behauptung um die Ohren, in Deutschland und Europa werde die Meinungsfreiheit eingeschränkt.

Vance sieht „keinen Platz für Brandmauern“

Vance hatte beklagt, verschiedene Äußerungen würden als Desinformation verfolgt. Zu seiner „Magie der Demokratie” gehört der Verzicht auf Regeln gegen Hassbotschaften und Fake News in sozialen Netzwerken. „Wir müssen mehr tun, als über demokratische Werte zu reden, wir müssen sie leben“, sagte Vance.

In den deutschen Bundestagswahlkampf mischte er sich auch gleich ein. „Es gibt keinen Platz für Brandmauern“, erklärte er und warb damit indirekt für die in Teilen rechtsextreme AfD. Und schließlich ein Rat: „Wir sollten keine Angst vor unseren Bürgern haben, selbst wenn sie Ansichten äußern, die nicht mit ihrer Führung übereinstimmen.“

Pistorius keilt zurück, es sei nicht akzeptabel, dass Vance Europa mit autoritären Regimen vergleiche. Die AfD könne einen ganz normalen Wahlkampf machen. „Das ist Demokratie.“ Und die verteidige Deutschland jeden Tag.

Hätte Vance bei seiner Ankunft den Fernseher eingeschaltet, hätte er die AfD-Spitzenkandidatin zur Primetime erlebt, sagt der Minister. In der Bundespressekonferenz werde hingenommen, dass von einschlägigen Journalisten russische Propaganda verbreitet werde: „Ausgeschlossen wird niemand, nur weil er unser Wording nicht teilt.“

Das war ein Seitenhieb auf das Weiße Haus, das jüngst Journalisten aus der Pressekonferenz ausgeschlossen hat, weil sie das Wording von US-Präsident Donald Trump vom „Golf von Amerika“ für den „Golf von Mexiko“ nicht übernehmen.

Scholz und Vance treffen sich nicht

Vance wetterte noch gegen die „Massenimmigration“ und verlor über die Ukraine kein Wort. Dabei bastelt Trump doch schon an einem „Deal” mit Kremlchef Wladimir Putin, wie dessen Krieg zu Ungunsten der Ukraine beendet werden könnte

Am Vormittag hatte er sich erstmal mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt (SPD) sowie mit Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz. Kanzler Olaf Scholz und Vance kommen hingegen nicht zusammen.

Es wird viel gelächelt, aber dann beginnt das offizielle Programm und die Bühne gehört erstmal den Europäern.

Steinmeier warnt, während sich Söder an die USA schmeichelt

Steinmeier warnt eindringlich davor, Demokratien den Tech-Giganten zu opfern – genau die, mit denen sich US-Präsident Donald Trump verbunden hat. Es spricht Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der es mit Schmeichelei versucht: Er erzählt von seiner Vorliebe für amerikanische Softdrinks, spricht von Trumps Wahlsieg als „größtem Comeback in der US-Geschichte“ und sagt: „Ihr alleine seid schon mega, aber mit uns seid ihr stärker.“ Und dann ist auch noch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dran.

Europa first also, nicht America first, zumindest auf der Tagesordnung der Konferenz in einem mit internationalen Gästen überfüllten Luxushotel in der Münchner Innenstadt.

„Es ist die Stunde Europas“, erklärt von der Leyen und sie kündigt an, in der EU eine Ausnahmeklausel für höhere Verteidigungsausgaben durchzusetzen – eine Art Aussetzung der Schuldenbremse auf europäischer Ebene also. Für die nächste Bundesregierung wird das interessant sein, die Ampelkoalition ist auch an dieser Finanzfrage gescheitert.

In den ersten Reihen der Konferenz sitzt Merz, der vielleicht gerade ein Problem eines Koalitionsvertrags schwinden sieht. Aber von der Leyens Hinweis geht auch an die USA und sie hat gleich noch einen, deutlich drohender: „Handelskrieg und Strafzölle sind keine gute Idee.“

Wenn die US-Regierung die durchsetze, werde die EU Gegenmaßnahmen ergreifen. Diese würden „nicht ohne Folge bleiben“. Von Chinas Außenminister Wang Yi kommen ähnliche Ankündigungen.

Steinmeier kontert mit scharfer Kritik

Den deutlichsten Auftritt hat aber der sonst oft zurückhaltende Bundespräsident Steinmeier. Und zwar noch bevor Vance sprach und viele Teilnehmer erschütterte. Es ist wohl Steinmeiers schärfste außenpolitische Positionierung seiner bisherigen Präsidentschaft. Er geht mit der Trump-Regierung hart ins Gericht.

Bundespräsident Steinmeier (l) trifft auf der Münchner Sicherheitskonferenz mit US-Vizepräsident J.D. Vance zusammen.

Bundespräsident Steinmeier (l) trifft auf der Münchner Sicherheitskonferenz mit US-Vizepräsident J.D. Vance zusammen.

Er warnt davor, Demokratien den Tech-Giganten zu opfern – genau die, mit denen sich Trump verbunden fühlt. Er wendet sich gegen den Kurs der Disruption, der Trump so begeistert. Es mache ihm Sorgen, sagt Steinmeier, „wenn eine kleine unternehmerische Elite die Macht, die Mittel und den Willen hat, einen wesentlichen Teil der Spielregeln liberaler Demokratien neu zu bestimmen“.

Steinmeier wendet sich an Europäer und spricht ihnen Mut zu

Auch beim Thema Ukraine geht er auf Konfrontation. „Ich bin überzeugt: Ein bloßes ‚make a deal and leave‘ würde uns alle schwächen: die Ukraine und Europa – aber auch die USA“, mahnt er.

Er warnt davor, die Existenz der Nato zu gefährden. Und macht einen Schritt auf die USA zu – mit dem Angebot einer „ausgeglichenen Lastenteilung zwischen Europa und den USA“. Und ohnehin habe man zwar viele unterschiedliche Ansichten, dennoch aber auch gute Gründe, zusammenzuarbeiten.

Und dann wendet sich Steinmeier an die Europäer – und wohl auch an den Rest der Welt: Seit Trumps Amtsübernahme am 20. Januar frage sich jeder „schon zu den Frühnachrichten: Was kommt als Nächstes, wer ist als Nächster dran?“ Steinmeier gibt die Antwort: „Wir dürfen uns von der Flut der Ankündigungen nicht lähmen lassen. Wir dürfen nicht aus Angst erstarren.“

Er habe viele Stürme in Europa erlebt, sagt Steinmeier zum Schluss: „Machen wir uns nicht kleiner als wir sind“, appelliert er. „Europa hat ein breites Kreuz.“

Seine wichtigsten Sätze wiederholt Steinmeier auf Englisch, sicher ist sicher.