Düsseldorf – Als beide an der Naumann-Stiftung erstmals aufeinandertrafen, war der Jüngere Zivi, der Ältere wissenschaftlicher Referent. „Wir hatten von Anfang an einen guten Draht. Wenn uns damals jemand gesagt hätte, dass er mal Parteichef der NRW-FDP werden sollte und ich sein Nachfolger, hätten wir das nicht geglaubt.“
Joachim Stamp (47) spricht über Christian Lindner (39). Nachdem die Lichtgestalt der NRW-Liberalen zurück nach Berlin gewechselt ist, ist Stamp die Nummer eins in der Landes-FDP. Weil der Wechsel von Lindner in den Bundestag lange geplant war, wurde der Politiker aus Bonn nach dem überraschenden Wahlsieg von Schwarz-Gelb als Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration und als Stellvertreter von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) ins Kabinett berufen. Lindner hinterlässt große Fußstapfen. Durch sein Talent hat er die Liberalen in NRW fast im Alleingang zurück an die Macht geführt. Sein Nachfolger zu sein ist eine Bürde. Die Partei scheint das zu spüren und streichelt Stamp. Beim Parteitag in Neuss erhielt er 92,8 Prozent der Stimmen.
Fachlich macht Stamp niemand etwas vor
Stamp ist nicht Lindner, aber das kann ja auch ein Vorteil sein, heißt es in der Landtagsfraktion. Fachlich mache dem Minister für Integration und Familie keiner was vor. Wo Lindner durch seine Rhetorik beeindruckte, punktet der ehemalige Mitarbeiter von Guido Westerwelle mit Sachlichkeit. Glamour und Show sind nicht sein Ding, der Familienvater wirkt eher unprätentiös und ist bodenständig. Lindner fährt Porsche, Stamp packt seine Frau und die beiden kleinen Töchter in einen Kleinwagen. „Ich habe mir gebraucht einen weißen Fiat 500 mit rotem Faltdach gekauft“, sagt der Minister schmunzelnd.
Stamp wohnt im Süden von Bonn, im Stadtteil Röttgen. Die Parteispitze wurde auf ihn aufmerksam, weil er dort als Kommunalpolitiker Rekordergebnisse erzielte. 2009 bekam er 67,6 Prozent der Stimmen. „Wie macht der das?“, fragte sich der damalige FDP-Landeschef Andreas Pinkwart – und beförderte den Religionswissenschaftler 2010 zum Generalsekretär.
In Bonn war Stamp nah bei den Menschen. „Meine Mutter war Kantorin der evangelischen Thomaskirchengemeinde in meinem Heimatort. Ich bin in Röttgen gemeinsam mit meiner Tante, die dort Ärztin war, aufgewachsen“, erzählt der Liberale. „Ich bin kein Vereinsmeier, aber ich unterstütze unsere örtlichen Vereine.“ Seit Jahren nimmt er an der Seniorenfahrt mit dem Schiff von Bonn nach Linz teil. „Bis 2004 war ich Innenverteidiger bei Rot-Weiß Röttgen in der Kreisliga C“, sagt Stamp. Auch in der Landespolitik wirkt er geerdet.
Es müssen dicke Bretter gebohrt werden
Vor der Landtagswahl profilierte er sich im Untersuchungsausschuss zum Fall Amri als Kritiker der rot-grünen Flüchtlingspolitik. Stamp fährt jetzt einen restriktiveren Kurs: „Wir müssen Kriminelle und Gefährder konsequenter abschieben. Gegen die, die sich nicht an die Regeln halten, werden wir mit aller Härte vorgehen, wer sich gut integriert, soll eine Bleibeperspektive bekommen“, sagt der Politiker, der als Jugendlicher Schlagzeug gespielt hat. Stamp will die Kommunen bei der Pass-Ersatzbeschaffung von abgelehnten Asylbewerbern unterstützen: „Je besser das Rückführungsmanagement funktioniert, umso großzügiger kann man bei der legalen Migration sein.“
Auch als Familienminister muss Stamp dicke Bretter bohren. Die Vorgängerregierung hatte die überfällige Reform des Kinderbildungsgesetzes vor sich hergeschoben. „Wir wollen das neue Gesetz so schnell wie möglich vorlegen und sind in ersten Gesprächen mit den kommunalen Spitzenverbänden. Wir brauchen eine dauerhaft auskömmliche Finanzierung, mehr Qualität und Flexibilität bei den Öffnungszeiten“, sagt Stamp. „Mir ist es wichtig, dass die Kinder in einem liebevollen Umfeld aufwachsen“, fügt er hinzu.
Stamps Frau arbeitet bei der Bundesnetzagentur. „Wir haben Glück, dass wir bei der Betreuung unserer Kinder auch von meiner Mutter und meiner Tante und einem Au-pair unterstützt werden“, sagte der Minister. Die Probleme von jungen Familien kennt er aus eigener Anschauung. Nach der Geburt der ersten Tochter nahm er sich eine berufliche Auszeit und wurde Hausmann: „Ich war knapp zwei Jahre in Elternzeit.“
Dabei hat er zugleich seine Promotion abgeschlossen. In seiner knappen Freizeit guckt Stamp bisweilen gerne TV-Serien. Vom Polit-Thriller „House of Cards“, der sich um skrupellose Kongressabgeordneten in Washington dreht, hat er alle Staffeln gesehen.
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