Erneut hohe AustrittszahlenErstmals unter 1,7 Millionen Katholiken im Erzbistum Köln

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Blick auf das goldene Kreuz auf dem Chordach des Kölner Doms. (Symbolbild)

Blick auf das goldene Kreuz auf dem Chordach des Kölner Doms. (Symbolbild)

Der Kölner Generalvikar Assmann ist zuversichtlich, dass die katholische Kirche eine Zukunft hat. Pastoraltheologe Bernhard Spielberg hingegen ist besorgt.

Nach der Rekordzahl beim Kirchenaustritt im Jahr 2022 hat sich der Massenexodus aus der katholischen Kirche im darauf folgenden Jahr etwas abgeschwächt. Wie die Deutsche Bischofskonferenz am Donnerstag bekanntgab, kehrten 2023 rund 403.000 Katholikinnen und Katholiken ihrer Kirche den Rücken. Das waren knapp 120.000 weniger als 2022. Die Zahlen bewegen sich aber immer noch deutlich über dem Niveau der Jahre vor der Missbrauchs-Skandalwelle seit 2018/19.

Da die Zahl der Neuaufnahmen in die Kirche durch Taufe oder Wiedereintritt (137.000) deutlich niedriger ist als die Sterbefälle (226.000), sank die Gesamtzahl der Kirchenmitglieder von 20,9 Millionen auf 20,3 Millionen. Damit machen die katholischen Christen in Deutschland noch 24 Prozent der Gesamtbevölkerung aus.

Austrittszahlen: Bundesweite Entwicklung spiegelt sich für das Erzbistum Köln wider

Einen geringfügigen Zuwachs verzeichnet die Statistik beim Gottesdienstbesuch, der bei 6,2 Prozent lag – 0,5 Punkte über dem Wert von 2022. Allerdings wurden auch hier längst nicht mehr die Werte aus der Zeit vor der Corona-Pandemie erreicht, in deren Folge der Kirchenbesuch regelrecht eingebrochen war.

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Die bundesweite Entwicklung spiegelt sich auch in den Kennzahlen für das Erzbistum Köln wider. Im nach wie vor größten der 27 deutschen Bistümer sank die Katholikenzahl erstmals unter 1,7 Millionen auf jetzt 1,68 Millionen. Das sind knapp 59.300 Menschen weniger als noch im Jahr zuvor. Der Mitgliederschwund setzt sich zusammen aus knapp 41.000 Kirchenaustritten (2022: 51.300) und knapp 25.000 Todesfällen, denen nur etwa 11.000 Taufen und 500 Eintritte oder Wiederaufnahmen gegenüberstehen.

Der Gottesdienstbesuch lag mit fünf Prozent (2022: 4,6 Prozent) unter dem Bundesdurchschnitt. Durchgehend rückläufig war die Zahl der Sakramentenspendungen. So ließen sich im Erzbistum 1990 Menschen trauen, gut 700 weniger als im Vorjahr. Zur Erstkommunion gingen 12.400 Kinder (2022: 14.100), zur Firmung 6000 Jugendliche (2022: 6350).

Kölner Generalvikar Guido Assmann bezeichnet Rückgang der Austrittszahlen als positiv

Der Kölner Generalvikar Guido Assmann sagte, „der Trend, dass wir Katholiken weniger werden, hat sich fortgesetzt“. Demgegenüber bezeichnete er den Rückgang der Austrittszahlen als positive Entwicklung. „Als Kirche haben wir einen Sendungsauftrag und möchten möglichst viele mit der Frohen Botschaft von Jesus Christus erreichen und sie einladen in unsere Gemeinschaft. Das wird uns weiter antreiben.“ Assmann hob in diesem Zusammenhang hervor, dass Kardinal Rainer Woelki die „Neuevangelisierung“ als ein vorrangiges Ziel genannt habe, „das ihm sehr am Herzen liegt“. Er sei zuversichtlich, „dass wir als Kirche eine Zukunft haben und sogar wieder eine von ‚innen heraus‘ wachsende Kirche werden können“, fügte Assmann hinzu.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hatte ihre Zahlen bereits im Mai veröffentlicht. Hier lag die Zahl der Austritte im vergangenen Jahr bei 380.000 – genau so hoch wie im Jahr zuvor.

„Ohne mit der Wimper zu zucken, lässt man Hunderttausende gehen“
Pastoraltheologe Bernhard Spielberg

Der Freiburger Pastoraltheologe Bernhard Spielberg beklagte eine Gleichgültigkeit aufseiten der Kirchenleitung. „Ohne mit der Wimper zu zucken, lässt man Hunderttausende gehen“, sagte Spielberg dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die aktuellen Austrittszahlen, immerhin die zweithöchsten jemals registrierten, gäben „keinen Grund zur Entwarnung“. Er sehe nicht, „dass man sich der Dramatik ernsthaft stellt“.

Forschungen zur Kirchenbindung zeigten eindeutig, dass ein erheblicher Teil des Mitgliederverlusts nicht einfach einem „Gezeitenstrom“ geschuldet ist, an dem sich nichts ändern ließe, so Spielberg weiter. „Wenn man das Wort vom Sendungsauftrag ernst nimmt, dann müsste das doch irgendwie erkennbar werden.“ Der Theologe empfahl der Kirche, „in Zeit und Nähe für Menschen“ zu investieren. „Man muss nicht die Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens geben können, aber man kann Menschen auf ihrer Suche nach Sinn im Leben unterstützen.“

Untersuchung zeigt „insgesamt stabilen, langfristigen Trend nach unten“

Der Theologe Tobias Kläden von der „Katholischen Arbeitsstelle für missionarische Pastoral“ (Kamp) in Erfurt nannte es „aus der kirchlichen Sicht natürlich erfreulich, wenn die Zahl der Austritte zurückgeht oder die Quote der Gottesdienstteilnahme leicht ansteigt“. Demgegenüber zeigten die Befunde der jüngsten Kirchenmitgliedsuntersuchung (KMU 6), an der Kläden von katholischer Seite als Koordinator mitwirkte, „einen insgesamt stabilen, langfristigen Trend nach unten“.

Kläden machte dies am Gottesdienstbesuch fest, wobei „das Corona-Loch, während dessen die Gottesdienstteilnahme deutlich erschwert war, als Ausnahmesituation außen vor gelassen“ werden müsse. Genauso habe die KMU 6 „eine hohe Austrittsneigung“ ergeben: „Fast die Hälfte der katholischen Befragten gab an, mindestens schon einmal daran gedacht zu haben, aus der Kirche auszutreten. Auch hier ist also davon auszugehen, dass die Austritte in den kommenden Jahren mehr oder weniger auf dem jetzt zu beobachtenden hohen Niveau verbleiben“, sagte Kläden.

Die KMU 6 spreche daher von „organisationalen Kipppunkten“, die für beide große Kirchen zu erwarten seien. „Diese Entwicklung hin zur Minderheitensituation für das Christentum gilt es ehrlich wahrzunehmen.“ Die Kirchen sähen sich tiefgreifenden Transformationen ausgesetzt. Anders als Spielberg zeigte Kläden sich überzeugt, dass sich diese Veränderungsprozesse „durch - trotzdem notwendige - Reform- und Optimierungsprozesse nicht wesentlich abmildern oder gar aufhalten lassen werden“.

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