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Kein Flut-Krisenstab in NRWArmin Laschet zwischen Krisenmanagement und Wahlkampf

Lesezeit 4 Minuten
Laschet in Stolberg

NRW-Ministerpäsident Armin Laschet (CDU) informiert sich in Stolberg bei Aachen über die Unwetter-Folgen.

Düsseldorf – NRW-Ministerpräsident Armin Laschet wirkt nur am Schluss der Pressekonferenz entspannt. Eine Journalistin fragt den CDU-Politiker, ob es stimme, dass er eine WDR-Moderatorin im Interview mit „junge Frau“ angesprochen habe. „Nein, das ist nicht mein Sprachgebrauch“, sagt Laschet und lächelt. Die Moderatorin habe ja selbst klargestellt, dass die Anrede so nicht gefallen sei.

Die Pressekonferenz dreht sich um die Katastrophenlage in NRW nach dem Starkregen der vergangenen Tage. Viele Menschen starben, Häuser stürzten ein, viele Opfer haben in den Fluten alles verloren. Die Frage, ob der Ministerpräsident die Moderatorin als „junge Frau“ bezeichnet habe, wirkt in diesem Zusammenhang völlig unangemessen. Zumindest unter normalen Umständen. Aber die Umstände sind nicht normal. Armin Laschet ist Kanzlerkandidat von CDU und CSU und steht unter scharfer Beobachtung. Eine Twitter-Meldung über den vermeintlich despektierlichen Umgang mit der WDR-Frau hatte in den sozialen Netzwerken eine Welle der Empörung ausgelöst.

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Alles zum Thema Armin Laschet

Armin Laschet ist ein Typ, der in Gesprächen auch mal schnell emotional wird. Das wirkt authentisch, kann aber auch zum Problem werden. Auf kritische Nachfragen reagiert er mitunter genervt. „Ich bin Ministerpräsident, kein Aktivist“, sagt Laschet beim Thema Klimaschutz. „Nur weil jetzt ein solcher Tag ist, ändert man nicht die Politik.“

Das sollte sich vernünftig anhören. Dazu passt allerdings nicht, dass Laschet wenige Stunden zuvor, bei einem Ortstermin in Hagen, ein anderes Signal sendete. Da hatte der Ministerpräsident erklärt, die enormen Schäden seien ein Beleg dafür, dass größere Anstrengungen für mehr Klimaschutz nötig seien. Was gilt denn nun? Laschet bemüht sich, eine Balance herzustellen. Entschlossenheit zu zeigen, ohne aktionistisch zu wirken. Es geht ihm darum, möglichst wenig anzuecken. Die Fluten in NRW sind für ihn nicht Fukushima. Kein Grund, noch schneller aus der Braunkohle auszusteigen als ohnehin geplant.

Laschet haben die vergangenen Tage offenbar zugesetzt. In der Pressekonferenz liest er seinen Text vom Blatt ab, wirkt heiser und muss häufig hüsteln. Der Ministerpräsident kommt normalerweise mit wenigen Stunden Schlaf zurecht, das hilft ihm, sein enormes Pensum zu schaffen. Als die ersten schweren Schäden im märkischen Kreis auftreten, bricht er seine Wahlkampftour in Süddeutschland ab und nimmt spontan im Hagen Quartier. Dort will er sich alleine ein Bild von der Lage verschaffen, ohne den üblichen Pressetross als Begleitung. Fotos, die wie inszeniert wirken, sind kontraproduktiv. „Das ist keine Frage, mit der man Bilder erzeugen will“, sagt Laschet später bei einem improvisiert wirkenden Presse-Statement vor einem Feuerwehrauto. Tatsächlich?

Flut-Fotos werden auf Twitter verbreitet

Das Social-Media-Team der Staatskanzlei hatte zu diesem Zeitpunkt längst Fotos des Hagen-Besuchs in den Netzwerken verbreitet. Und nicht nur das. Der Mann, der die Not der Menschen nicht für Wahlkampfzwecke nutzen will, ermöglicht der „Bild"-Zeitung in einer Live-Schalte ein Flut-Interview. Es sich mit der Boulevardpresse zu verscherzen, will Laschet nicht riskieren. Seine Medienberaterin, die Journalistin Tanit Koch, war bis 2018 Chefredakteurin der „Bild"-Zeitung.

Wenige Wochen vor der Bundestagswahl kann jeder Fehler von Laschet beträchtlichen Schaden anrichten, schlimmstenfalls den Wahlsieg kosten. In der Corona-Pandemie kam NRW, gemessen an den Todeszahlen, vergleichsweise gut durch die Krise. Jetzt gilt es, eine Katastrophe zu meistern, die um ein Vielfaches greifbarer ist. Die Bilder aus vielen Teilen NRWs erschüttern die Menschen in ganz Deutschland.

NRW richtet keinen Krisenstab ein

Anders als seine Konkurrenten um das Kanzleramt, Annalena Baerbock (Grüne) und Olaf Scholz (SPD), hat Laschet nun eine weitere Chance, sich als Krisenmanager zu profilieren. Es wirkt fast unprofessionell, dass er der Opposition dabei eine offene Flanke bietet. Obwohl die Fluten wohl eine der größten Katastrophen in der Geschichte des Landes ausgelöst haben, verzichtet der Ministerpräsident darauf, den Krisenstab des Landes einzuberufen.

Vielmehr überlässt er das Krisenmanagement einer Koordinierungsgruppe im NRW-Innenministerium. Das mag fachlich gut begründbar sein. Die Außenwahrnehmung ist aber fatal: Die Fachleute werkeln zu lassen, wirkt so, als sei die Katastrophe nicht groß genug, um dafür zu sorgen, dass Laschet persönlich die Zügel in die Hand nimmt.

Gummistiefel-Bilder kommen gut an

Dabei müsste auch Laschet, wissen, wie wichtig politische Symbolik ist. 2014 verpasste die damalige Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) die Gelegenheit, nach einem Unwetter mit mehreren Toten nach Münster zu reisen. Die „Funklochaffäre" stürzte die zuvor hoch angesehene Landesmutter in eine Glaubwürdigkeitskrise, von der sie sich nicht mehr erholte. Umgekehrt schaffte es der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder, sich 2002 mit seinem Gummistiefel-Auftritt beim Elbe-Hochwasser wichtige Sympathiepunkte für seine Wiederwahl zu sichern.

NRW bremst Windkraft aus

Vor der Sommerpause hatte NRW das Klimaanpassungsgesetz verabschiedet. Darin sind Regenlungen vorgesehen, die das Land vor extremen Wetterlagen besser schützen sollen. Laschet betont in diesen Tagen gerne, dass NRW bundesweit der Vorreiter mit einem solchen Vorstoß sei. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass NRW gleichzeitig die Bedingungen für den dringend nötigen Ausbau der Windkraft massiv verschlechtert hat. Der vorgeschriebene 1000-Meter-Abstand zwischen Windrädern und der nächsten Wohnbebauung bedeutet das Aus für viele Standorte, die für die Windenergie in Frage kämen. Hagen und Erftstadt sind nicht Fukushima. Aber die Unwetter-Tragödie sollte auch für Laschet ein Anlass sein, mit den Widersprüchen in seiner Klimaschutz-Agenda aufzuräumen.