Weltweit zeigt sich der Klimawandel – mit existenziellen Folgen. Er wird viele aktuelle Probleme wie auch die Migration relativieren.
KommentarKlimawandel wird aktuelle Probleme einholen – auch die Migrationsdebatte
Das Drama lässt sich über den Wein erzählen. In diesem Jahr wird voraussichtlich so wenig davon produziert wie seit 60 Jahren nicht. Der Grund ist extremes Wetter: viel zu trocken, viel zu viel Regen. Wo Alkohol im Spiel ist, liegt die Komik nah. Allerdings handelt es sich in diesem Fall um Galgenhumor, im wahrsten Sinne des Wortes. Denn zu lachen gibt es herzlich wenig, die Lage ist dramatisch, und zwar ganz existenziell.
Der EU-Klimawandeldienst Copernicus vermeldet den wärmsten Oktober seit Beginn der Aufzeichnungen 1940. Die Meere waren deutlich zu warm, Temperaturrekorde gab es auch hier. Das Eis in der Westantarktis schmilzt selbst in den positivsten Szenarien rapide. Die Schweizer Gletscher verloren in den vergangenen zwei Jahren so viel Eis wie in den 30 Jahren davor. Die Auswirkungen sind auch in Europa zu spüren: In Deutschland werden im Sommer plötzlich Ventilatoren zum Verkaufshit, Flüsse trocknen aus, Berge geraten ins Rutschen, und der Wein – und nicht nur der – wächst nicht mehr so gut.
Wetterextreme vernichten Existenzgrundlagen, Felder, Unterkünfte, sie treiben Menschen in die Flucht. Der Zusammenhang mit der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas, mit der Abholzung von Wäldern ist offenkundig.
Klimawandel: Migration wird zunehmen, wenn Wüsten sich ausbreiten
Es tut also not, übers Wetter zu reden, und zwar dringend. Das bedarf mehr als Bekenntnissen zum Klimaschutz, es bedarf der Bereitschaft zum Handeln. Dazu gehört es, nicht auf andere zu warten, sondern selbst anzufangen. Dazu gehören ein Umbau der Industrie und der Energieversorgung und auch ein verändertes Verhalten der Menschen. Dazu gehört es, Bequemlichkeit nicht mit der vermeintlichen Einschränkung von persönlicher Freiheit zu verwechseln und dabei im Namen von Currywurst und Tempo 300 jegliches Umdenken wegzuwischen.
Gemessen an den Folgen des Klimawandels werden viele der aktuellen Probleme sich relativieren. Die Migrationszahlen von heute werden um ein Vielfaches übertroffen werden, wenn Wüsten sich ausbreiten und Meeresspiegel steigen.
Die Energie, mit der gerade über Drittstaaten und Asylrecht – und zuweilen eben auch über Currywürste – diskutiert wird, könnte die Klimapolitik gut gebrauchen. Und dort würde sie nicht an den Folgen, sondern an den Ursachen ansetzen.