Kölner Jura-ProfessorSo könnte Vizepräsident Pence Trump des Amtes entheben
Lindenthal – Kurz nach dem Abendessen richtete Kirk Junker am Mittwochabend in seiner Wohnung in Lindenthal den Blick auf sein Handy. Den Sturm des Kapitols durch aufgebrachte Anhänger von US-Präsident Donald Trump meldeten die US-Websites. Für den Professor für US-Recht, der unter anderem amerikanisches Verfassungsrecht lehrt, war nicht mehr an Schlaf zu denken. Bis weit in die Nacht beobachtete er die Entwicklung. Und am Morgen danach kann er während eines Telefonats dem Angriff auf ein demokratisches Symbol der USA sogar etwas Positives abgewinnen.
„Es war nicht nur für mich ein Schock, sondern auch für Senatoren, die lange Jahre treu an der Seite von US-Präsident Donald Trump standen“, sagt der Professor. Und dieser Schock habe dazu geführt, dass einige Trump ergebene Abgeordnete wie der Republikaner Lindsey Graham von ihm abgerückt seien. „Genug ist genug“, hatte Graham am späten Mittwochabend Washingtoner Ortszeit gesagt. Joe Biden sei der rechtmäßig gewählte Präsident der Vereinigten Staaten. „Einige Senatoren waren vier Jahre lang wie Zombies, die selbst abstruse Thesen Trumps gestützt haben - das hat sich am Mittwoch geändert", sagt der 61-jährige Junker.
„Die Amtszeit frühzeitig zu beenden, wäre ein wichtiges Signal“
Der gewaltsame Einbruch in das Kapitol hatte das Ziel, die Auszählung der Stimmen der Wahlleute für den künftigen Präsidenten zu verhindern. Tatsächlich mussten die Sitzungen für Stunden unterbrochen werden - Zeit, in denen Abgeordnete über eine mögliche Amtsenthebung Trumps zu diskutieren begannen. Neben dem offiziellen Amtsenthebungsverfahren („Impeachment“) kommt dazu die 25. Ergänzung der US-Verfassung in Frage. Demnach kann der Vize-Präsident mit einer Mehrheit der Minister und Unterstützung des Kongresses den Präsidenten für amtsunfähig erklären.
„Die Amtszeit frühzeitig zu beenden - auch wenn sie nur noch maximal zwei Wochen dauert - wäre ein absolut wichtiges Signal“, sagt Junker. „Alle Schüler und Studenten wüssten auf alle Zeit, dass Trump der Präsident war, der kurz vor Ende noch seines Amtes enthoben wurde.“
Eigentlich sei die Verfassung nach der Ermordung John F. Kennedys ergänzt worden, damit etwa im Falle einer Hirnverletzung die USA nicht ohne präsidiale Führung dastünden. Die 25. Ergänzung könne mit Begründung der geistigen Unfähigkeit durch die eigenen Minister eigentlich nur zum Tragen kommen, wenn ein Präsident „absolut durchgenknallt sei“ („nutty as a fruitcake“), schrieb einmal der frühere Senator Birch Bayh.
Tatsächlich sieht Junker die Möglichkeit gegeben, dass dieser Fall eingetreten sei. Es hinge demnach an der Frage, ob Vizepräsident Mike Pence die Initiative dazu ergreife. „Mit Statements gegen Trump sieht sich Pence derzeit auf der besseren Seite“, sagt Junker. „Aber ich bin unsicher, ob er wirklich darüber hinaus bereit ist, den Weg einzuschreiten.“
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Auch eine Amtsenthebung über den förmlichen Weg des Impeachment sei noch vor dem 20. Januar, dem offiziellen Ende von Trumps Amtszeit möglich. Denn bei der Nominierung der US-Verfassungsrichterin Amy Coney Barrett vor wenigen Monaten habe der Senat bewiesen, dass er sehr schnell handeln könne.
In diesem Fall hatten die Abgeordneten im Interesse Trumps gehandelt, jetzt würde sich die Mehrheit gegen Trump richten müssen.
Unabhängig vom Ausgang ist Junker jetzt schon klar, dass es an Lehrstoff in den kommenden Monaten und Jahren nach dieser Entwicklung nicht mangeln wird. Mehr als 1000 Studenten jedes Semester würden an der Universtität Köln Seminare und Vorlesungen zu US-Recht hören - und nach Ende der Weihnachtspause ginge es damit weiter. „Allerdings hat es nichts gebracht, vor kurzem noch näher an die Uni zu ziehen“, so Junker. Bis auf Weiteres werde virtuell gelehrt.