AboAbonnieren

Kölner Politik-Professor Thomas Jäger„Donald Trump hat die Wut heftig angefacht“

Lesezeit 3 Minuten
Donald Trump 070121

Donald Trump hat die Wut seiner Anhänger über Wochen angefacht.

Köln – Seit mehr als 20 Jahren lehrt und forscht Thomas Jäger an der Kölner Universität zu Internationaler Politik und Außenpolitik. Er ist regelmäßiger Kommentator zu politischen Themen und Herausgeber diverser Fachpublikationen. Die Entwicklung in den USA hat er bis tief in die Nacht verfolgt.

Professor Jäger, wie bewerten Sie die Ereignisse im US-Kapitol am Mittwochabend?

Präsident Trump hatte seine Anhänger zum Marsch auf das Kapitol aufgefordert. Und dem sind sie gefolgt. Das war sicher keine spontane Aktion. Denn sie bezweckte, dass das Wahlergebnis des Electoral College nicht zertifiziert werden sollte. Auf diesem Weg hoffte Präsident Trump, doch noch im Amt bleiben zu können, weil entweder neu gewählt würde oder das Repräsentantenhaus den nächsten Präsident wählen müsste. Dort haben, weil nach Bundesstaaten abgestimmt wird, die Republikaner die Mehrheit.

Alles zum Thema Universität zu Köln

Zur Person

Prof. Dr. Thomas Jäger (60) ist Inhaber des Lehrstuhls für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln. Die Fragen beantwortete er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ schriftlich in der Nacht auf den 7. Januar.

Aber es blieb nicht bei einem bloßen Protest, einer Demonstration.

Es war eine Überraschung, dass Sicherheitskräfte das Kapitol nicht besser geschützt haben, obwohl mit gewalttätigen Ausschreitungen gerechnet worden war. Aus diesem Versäumnis gab es die Gelegenheit, einen Anschlag auf das Parlament zu führen. Die Kammern waren in den Augen von Trumps Anhängern dabei, eine gefälschte Wahl zu zertifizieren. Freilich gab es keine Wahlfälschung, aber das dringt in die Parallelwelt der Trump-Anhänger nicht ein.

Ist es das logische Finale der Präsidentschaft von Donald Trump?

Trump hatte stets behauptet, an der Spitze einer Bewegung zu stehen. Und gestern hat er gezeigt, dass er diese Bewegung auf die Straße bringt. Und Gewalt war ein konstantes Thema seiner Präsidentschaft - von seiner Äußerung, er könne auf der 5th Avenue in New York jemanden erschießen, ohne eine Stimme zu verlieren, bis zur Aussage in Charlottesville seien gute Leute auf beiden Seiten marschiert.

Als er nun zum Marsch auf das Kapitol aufrief, tat er zudem noch so, als würde er an der Spitze mitmarschieren. Das unterließ er dann. Doch den Zorn seiner Anhänger, die geballte Wut auf die aus ihrer Sicht korrupten Verhältnisse hatte Donald Trump da schon heftig angefacht.

Ist die amerikanische Demokratie jetzt grundsätzlich gefährdet?

Nein. Jedenfalls nicht wegen des Sturm auf das Kapitol. Dieser ist einerseits ein Anschlag auf die demokratischen Verfahren, andererseits eine Schändung der demokratischen Symbole, hat aber auch einen tragischen Zug deshalb, weil es nie eine Aussicht auf Erfolg gab. Den Zweck, Joe Biden als nächsten Präsidenten zu verhindern, konnte die Gewalt nie erreichen. Die Demokratie in den USA steht aber in Gefahr, weil die Gesellschaft so tief gespalten ist und dies wiederum ist ein Grund für den Sturm auf das Kapitol. Insofern ist er auch eine Folge der jahrelangen Polarisierung in den USA.

Könnten verfassungsrechtliche Änderungen folgen?

Nein.