Bei der Einigung über die Kindergrundsicherung stehen der erzeugte Theaterdonner und das Ergebnis in keinem Verhältnis.
Kommentar zur AmpelkoalitionKindergrundsicherung: Nach dem Streit ist vor dem Streit
Immer wieder muss man bei der Ampelkoalition feststellen: Der Berg kreißte und gebar eine Maus. Auch bei der Einigung über die Kindergrundsicherung stehen der erzeugte Theaterdonner und das Ergebnis in keinem Verhältnis. Unter dem Strich hat die Koalition beschlossen, finanzielle Hilfen, die ärmeren Familien ohnehin zustehen, leichter zugänglich zu machen und das Existenzminimum für Kinder neu zu berechnen.
Letzteres muss der der Sozialstaat ohnehin immer mal wieder tun, weil sich Lebensgewohnheiten und Bedürfnisse ändern. Dass der Kinderzuschlag bislang ein Rohrkrepierer war, liegt an viel zu komplizierten Antragsverfahren. Das Problem ist seit Jahren bekannt. Hilfreich wäre es, wenn mal genauso viel Energie in den Abbau eben solcher bürokratischer Hürden fließen würde wie in den politischen Streit.
Kindergrundsicherung richtig und überfällig
Was die Koalition nun auf den Weg gebracht hat, ist übrigens richtig und überfällig: Die Leistungen für Kinder in Sozialbezug werden zu einer Grundsicherung zusammengefasst. Dadurch soll den berechtigten Familien der Zugang erleichtert werden. Weitere Erhöhungen der Sozialleistungen geschehen mit Augenmaß und unter bestimmten Voraussetzungen. Das Prinzip Fördern und Fordern bleibt also erhalten, was wichtig ist. Schon die Bürgergeld-Reform hatte bei vielen Menschen mit kleinen Erwerbseinkommen Unmut ausgelöst, weil sie sich gefragt haben, ob sich arbeiten eigentlich noch lohne.
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Mit dieser Reform wird die Kinderarmut nicht verschwinden. Sie muss aber auf mehr Ebenen als mit direkten finanziellen Hilfen bekämpft werden. Ausreichend Krippen- und Kita-Plätze sowie ein Schulsystem, in dem Kinder aus benachteiligten Familien gezielt gefördert werden, sind im Kampf gegen Kinderarmut der zentrale Hebel. Oft benötigen auch die Eltern Unterstützung und Beratung, um ihren Kindern Chancen zu eröffnen, die sie selbst nicht hatten.
In der Ampelkoalition gilt leider weiter das Prinzip: Nach dem Streit ist vor dem Streit. Die Frage, ob die Einigung auf die Kindergrundsicherung denn nun das Kabinett passieren wird, trauten sich die Kontrahenten, Familienministerin Paus und Finanzminister Lindner, erst nach einer kurzen Verständigung während der Pressekonferenz zur Vorstellung des Kompromisses mit Ja zu beantworten. Kein gutes Vorzeichen.
Im Bundestag droht erneut Streit
Für Kanzler Scholz war es wichtig, den öffentlich ausgetragenen Streit seiner Minister inklusive gegenseitiger Blockade im Kabinett vor der am Dienstag in Meseberg beginnenden Kabinettsklausur aus der Welt zu schaffen. Daher hatte er sich am Sonntag in die festgefahrenen Gespräche eingeklinkt. Nun ist die Kuh namens Kindergrundsicherung zwar vorerst vom Eis. Die Ampel-Kühe haben allerdings die Angewohnheit, sofort erneut aufs Eis zu gehen, auch wenn sie gerade erst mit vereinten Kräften und unter Einbuße von Umfragewerten heruntergezogen wurden.
s ist also damit zu rechnen, dass die Kindergrundsicherung wie auch schon das Heizungsgesetz im Bundestag abermals für Zoff sorgen wird.
Demokratische Prozesse kommen nicht ohne Streit aus – das muss man der Ampel zugute halten. Wenn aber wie nun erneut im Fall der Kindergrundsicherung ein Riesenalarm ausgelöst wird und sich dann an den Problemen der Menschen nur wenig ändert und sich der Eindruck erhärtet, dass die Regierung ihren tatsächlich großen Aufgaben nicht gewachsen ist, dann besteht Anlass zur Sorge. Denn dann geht grundlegend Vertrauen in die Politik und eben auch in das politische System verloren. Wenn man auf langfristige Umfragewerte schaut, ist dieser Prozess schon in Gang gesetzt. Höchste Zeit für die Ampel, das Wort „konstruktiv“ nicht immer nur als Floskel einzusetzen.