Köln – Mitte Juli haben sich die Bilder zerstörter Dörfer im Ahrtal, überfluteter Straßen und Häuser in Erftstadt und in der Eifel in unser Gedächtnis gebrannt. Der Tod so vieler Menschen und die Verzweiflung derer, die vor den Trümmern ihrer Existenz stehen, haben uns erschüttert.
Inzwischen sehen wir an vielen Stellen, dass der Wiederaufbau in vollem Gang ist. Wir sehen aber auch, dass viele Schäden so schnell nicht behebbar und manche Dinge sogar unwiederbringlich verloren sind. Vier Wochen nach der Jahrhundertflut ist es Zeit für erste Lehren.
1. Auf das Entsetzen folgte gelebte Solidarität
Nach der Flut war die Stunde der Hilfsbereitschaft. Viele gar nicht unmittelbar betroffene Menschen krempelten buchstäblich die Ärmel hoch, zogen die Gummistiefel an und nahmen de Schaufel in die Hand. Diese gelebte Solidarität tat gut. Ein anderes Zeichen des Zusammenhalts war und ist die überwältigend große Spendenbereitschaft.
Mehr als 360 Millionen Euro haben Bürger und Unternehmen bisher bundesweit für die Opfer der Flutkatastrophe gespendet. Fast drei Millionen Euro davon gingen bislang im Rahmen der Spendenaktion von „Kölner Stadt-Anzeiger“, „Express“ und „Kölnischer Rundschau“ auf den Hilfskonten ein. Allen Spenderinnen und Spendern gebührt großer Dank
2. Das Hilfspaket des Bundes ist Ausdruck einer funktionierenden Demokratie
Bei der finanziellen Bewältigung der Hochwasser-Katastrophe zeigt unser Land, zu welchem Kraftakt es in der Lage ist. Dass Bund und Länder einen Wiederaufbaufonds in der gewaltigen Höhe von 30 Milliarden Euro eingerichtet haben, ist ein Zeichen dieser Stärke. Und dass sich alle Parteien mitten im Bundestagswahlkampf rasch über die finanziellen Hilfen einig waren, ist Ausdruck einer funktionierenden Demokratie.
Die schnell zugesagten Staatshilfen sind ein starkes Signal, das den Menschen im Ahrtal, an der Erft und in der Eifel Mut machen darf. Es kommt nun aber darauf an, dass die zugesagten Hilfen die Betroffenen auch schnell und unbürokratisch erreichen.
3. Geld alleine reicht nicht – Wir brauchen ein konsequentes Umdenken
So großherzig die privaten Spenden und so beeindruckend die Milliarden-Hilfen des Staates auch sind: Geld allein reicht nicht, um die massiven Schäden zu beheben und – noch wichtiger – dafür zu sorgen, dass künftige Hochwasserereignisse glimpflicher ablaufen. Schon nach früheren Überschwemmungen in anderen Teilen Deutschlands beteuerten die verantwortlichen Politiker, jetzt aber wirklich etwas gegen Umweltzerstörung und fortschreitenden Klimawandel zu tun. Geschehen ist bislang viel zu wenig.
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Konkret müssen Katastrophenschutz und Frühwarnsysteme überarbeitet, die Flächennutzungs- und Siedlungspläne verändert und ein bundesweiter Krisenfonds eingeführt werden. Der milliardenteure Aufbau muss mehr sein als die Wiederherstellung des Status Quo. So bitter es klingt: Der Klimawandel lässt sich bestenfalls bremsen, aber nicht mehr rückgängig machen. Damit verbunden ist die wachsende Gefahr von Extremwetterlagen. Dem müssen wir uns anpassen
4. Im Interesse der Opfer braucht es eine konsequente strafrechtliche Aufarbeitung
Mehr als 180 Menschen haben in Rheinland-Pfalz und NRW durch die Flut ihr Leben verloren. Die Ermittlungsbehörden stehen in der Pflicht, ein mögliches Ämterversagen aufzuklären. Erste Verfahren sind eingeleitet, unter anderem gegen den Landrat des Kreises Ahrweiler, Jürgen Pföhler (CDU).
Haben die Verantwortlichen vor Ort fahrlässig gehandelt? Haben Sie zu spät reagiert und die Bevölkerung nicht ausreichend alarmiert? Wurden Warnungen übersehen oder nicht ernst genommen? Wurden Evakuierungen zu spät eingeleitet? Diese Fragen gilt es zügig und konsequent zu beantworten.
5. Die bisherigen Antworten der Politik sind ungenügend
Nein, die Flutkatastrophe in Deutschland ist kein singuläres Ereignis. Extremwetterlagen häufen sich überall auf der Welt. Nach dem jüngsten dramatischen Bericht des Weltklimarats sollte endgültig klar sein: Die Erderwärmung und ihre Folgen sind vom Menschen gemacht. Maßgeblicher Treiber der Erhitzung des Planeten ist der CO2-Ausstoß.
Womit wir in Deutschland auch beim Thema Kohleausstieg sind. Der erst am Jahresbeginn nach langem Ringen besiegelte Kompromiss sieht vor, dass die letzten Kohlekraftwerke bis 2038 laufen dürfen. Es muss nun darüber diskutiert werden, wie dieses Datum nach vorne verlegt werden kann. Insbesondere CDU/CSU und SPD sind gefordert, ihre Positionen neu zu bestimmen – auch wenn NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) die mächtige Braunkohle-Industrie fürchtet und die SPD sich kurz vor der Wahl nicht mit den Gewerkschaften anlegen will.
Wer glaubt, das Thema im Wahlkampf bis zuletzt weitestgehend ausklammern zu können, verspielt auf den letzten Metern Glaubwürdigkeit. Nicht nur bei der jüngeren Generation.