Scholz ist erneut der SPD-Kanzlerkandidat und versucht beim ersten Wahlkampfauftritt, sich und seiner Partei Mut zu machen.
KommunalkongressScholz eröffnet Wahlkampf
Nach der Klärung der K-Frage durch die SPD-Spitze ist der Kanzler und designierte Kanzlerkandidat Olaf Scholz mit einer Rede vor gut 100 Kommunalpolitikern in den Wahlkampf gestartet. Er bekräftigte darin sein Nein zur Lieferung des Marschflugkörpers Taurus in die Ukraine, warb für eine Reform der Schuldenbremse und für mehr bezahlbaren Wohnraum. Auf die Querelen bei der Entscheidung über die Kanzlerkandidatur ging er mit keinem Wort ein.
14 Stunden vor seinem Auftritt auf dem Kommunalkongress war die Entscheidung über die K-Frage gefallen, aber erst nach einer quälenden Debatte darüber, ob der weitaus beliebtere Verteidigungsminister Boris Pistorius als Ersatzkandidat einspringen soll.
Pistorius erklärte zuerst seinen Verzicht. Anschließend kündigte die Parteispitze an, dass der Parteivorstand Scholz am Montag nominieren werde. Das letzte Wort hat dann der Parteitag am 11. Januar, auf dem sich die Partei für die Wahl am 23. Februar aufstellt.
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Zwei Geburtstage am Wahltag: „Es muss also gutgehen“
„An diesem Datum wollen wir zeigen, wofür wir stehen, wie wir dieses Land weiterhin führen können“, sagte Scholz in seiner Rede. Dabei solle die SPD auch auf die Erfolge aufbauen, die sie bisher erreicht habe. Auf die schwierige Ausgangslage mit einem Rückstand von bis zu 19 Prozentpunkten auf die Union ging Scholz nicht ein. Er versuchte aber mit einem Scherz, sich und seiner Partei Mut zu machen: Die Wahl finde am Geburtstag von Parteichef Lars Klingbeil und seiner Frau Britta Ernst statt. „Es muss also gut gehen.“
Scholz bekräftigt Kurs der „Besonnenheit“ im Ukraine-Krieg
Gleich als erstes Thema sprach Scholz den Ukraine-Krieg an und bekräftigte seinen Kurs der „Besonnenheit“. Es sei richtig gewesen, Deutschland zum wichtigsten Unterstützer der Ukraine nach den USA zu machen, sagte er. Es gehe aber auch darum, einen Krieg zwischen Russland und der Nato zu verhindern. „Das habe ich getan.“ Den Einsatz von russischen Mittelstreckenraketen nannte er „eine furchtbare Eskalation“ und er machte klar, dass er von seinem Nein zur Lieferung der Taurus-Marschflugkörper nicht abrücken werde.
Von den bisherigen Errungenschaften würdigte Scholz unter anderem die Reformen in der Migrationspolitik. Und er warb für die Reform der Schuldenbremse, an der die Ampel-Koalition mit zerbrochen ist. „Wir werden sie nicht wegkriegen, wir wollen sie auch nicht wegkriegen“, sagte er. Aber eine „moderate Reform“ sei notwendig.
Gegenwind bekam Scholz beim Kommunalkongress nicht. In einer Fragerunde wurde die holprige Klärung der K-Frage genauso wenig angesprochen wie die Entscheidung selbst. Der Kanzler wurde nach seiner Rede mit stehendem Applaus gefeiert.
Klingbeil schwört Partei auf Aufholjagd ein
SPD-Chef Lars Klingbeil rief die Kommunalpolitiker auf, nach den Querelen der letzten Tage geschlossen in den Wahlkampf zu ziehen: „Wenn die SPD was kann, dann ist das kämpfen.“ Er schwor seine Partei auf einen harten Wahlkampf ein: „Die Aufholjagd, die beginnt jetzt, und da brauchen wir Euch“, sagte Klingbeil. „Ich habe Lust auf diesen Wahlkampf und ich will mit Euch gewinnen.“
Klingbeil ist wegen des Managements der K-Frage selbst in die Kritik geraten. Die Parteiführung hatte darauf verzichtet, Scholz gleich nach dem Platzen der Ampel-Regierung und der Entscheidung für eine Neuwahl als Kanzlerkandidaten zu nominieren. Sie ermöglichte so erst die Debatte über Pistorius, die mit einer Äußerung von Fraktionschef Rolf Mützenich über „Grummeln“ in der Partei begann. Immer mehr SPD-Politiker auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene sprachen sich anschließend offen für Pistorius aus.
Klingbeil verteidigte sein Vorgehen aber. „Natürlich muss diskutiert werden in der Partei. „Ich bin ein Parteivorsitzender, der nicht sagt Basta (...), sondern ich will auch reinhorchen in die Partei, ich will auch ernst nehmen, was diskutiert wird.“
Scholz nennt Zuverlässigkeit der Umfragen „überschaubar“
Die Ausgangslage für Scholz könnte ungünstiger kaum sein. Wenn er wiedergewählt werden will, muss er eine extreme Aufholjagd hinlegen. In den Umfragen liegt die SPD aktuell mit Werten zwischen 14 und 16 Prozent noch hinter der AfD mit 17 bis 19 Prozent und weit hinter der Union mit Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU), die auf Werte zwischen 32 und 34 Prozent kommt. Im aktuellen ARD-Deutschlandtrend haben jetzt sogar die Grünen mit der SPD gleichgezogen.
Scholz hatte kürzlich in der „Süddeutschen Zeitung“ an die Bundestagswahl 2021 erinnert, vor der manche die SPD schon in aussichtsloser Lage wähnten. „Die Zuverlässigkeit solcher Umfragen ist überschaubar, wie die letzte Bundestagswahl gezeigt hat, auch wenn das manche schnell vergessen haben.“
Die SPD lag damals zweieinhalb Monate vor der Wahl ebenfalls weit hinter der Union - bis zu 16 Prozentpunkte. Doch dann fiel Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet ein Lacher im Flutgebiet auf die Füße und die Stimmung drehte sich. Bei der Wahl holten die Sozialdemokraten schließlich 25,7 Prozent der Stimmen und Scholz wurde Kanzler der ersten Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP auf Bundesebene.
Vierkampf um das Kanzleramt
Mit der Entscheidung für Scholz ist die Riege der Kanzlerkandidaten und -kandidatinnen nun quasi komplett. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik sind es vier:
Als erste Parteien hatten CDU und CSU den Unionsfraktionschef im Bundestag, Friedrich Merz (CDU), im September überraschend geräuschlos zu ihrem Spitzenmann für den Wahlkampf gekürt.
Die Grünen stellten am vergangenen Wochenende Robert Habeck (55) auf. Im ARD-Deutschlandtrend gewann die Partei prompt zwei Prozentpunkte hinzu und zog mit der SPD gleich.
Erstmals zieht die AfD mit einer Kanzlerkandidatin in den Wahlkampf. Parteichefin Alice Weidel soll am 7. Dezember vom Parteivorstand nominiert werden. (dpa)