Karlsruhe – Überschattet vom Krieg in der Ukraine hat die erste Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) in Deutschland begonnen - eine Gemeinschaft von rund 350 christlichen Kirchen, die weltweit mehr als 580 Millionen Menschen vertreten. In Karlsruhe tagen bis zum 8. September über 4000 Christen und Christinnen verschiedener Strömungen aus aller Welt, um richtungsweisende Entscheidungen für ihre weitere Arbeit zu treffen.
Dabei wolle man auch eine Plattform sein, damit Ukrainer und Russen miteinander sprechen können, sagte ÖRK-Generalsekretär Ioan Sauca. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mahnte in einer Rede, Dialog dürfe nicht auf fromme Wünsche beschränkt und im Ungefähren bleiben, sonst werde er schlimmstenfalls zur Bühne für Rechtfertigung und Propaganda. „Dialog muss Unrecht zur Sprache bringen, muss Opfer benennen ebenso wie die Täter - und ihre Erfüllungsgehilfen.“
Frank-Walter Steinmeier: russisch-orthodoxer Kirche Paroli bieten
Steinmeier forderte Christen auf, der russisch-orthodoxen Kirche bei ihrer Haltung zum Ukraine-Krieg Paroli zu bieten. „Auf einen schlimmen, ja geradezu glaubensfeindlichen, blasphemischen Irrweg führen zurzeit die Führer der russisch-orthodoxen Kirche ihre Gläubigen und ihre ganze Kirche.“ Patriarch Kyrill hatte mehrfach das Vorgehen von Präsident Wladimir Putin verteidigt. An dem Kongress nehmen auch Vertreter der russisch-orthodoxen Kirche teil. Steinmeier sagte, er erwarte von der Versammlung, „dass ihnen die Wahrheit über diesen brutalen Krieg und die Kritik an der Rolle ihrer Kirchenführung nicht erspart bleiben wird“. Auch elf Ukrainer nehmen laut ÖRK-Generalsekretär Sauca teil.
Sauca sagte, der Krieg werfe einen Schatten auf die Versammlung. „Das ist eine große offene Wunde für uns alle.“ Der ÖRK habe das Vorgehen Russlands früh Angriffskrieg genannt und gefordert, das Töten einzustellen. „Hier haben wir ganz klare Kante gezeigt.“
ÖRK: „Zusammenkunft von historischer Bedeutung“
Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, hofft auf ein klares Zeichen für Frieden von der Versammlung: „Christi Liebe duldet keinen Angriffskrieg“, sagte sie in ihrem Grußwort.
Die Delegierten in Karlsruhe wollen sich aber nicht nur mit dem Krieg befassen. Die christliche Gemeinschaft müsse neu zusammenfinden und sich zu wichtigen gesellschaftlichen Themen positionieren, sagte Sauca und nannte Klimagerechtigkeit, Rassismus und Hungersnot als Beispiele. „Menschen sterben“, betonte er. „Karlsruhe wird ein neuer Anfang sein.“ Die Beschlüsse bestimmten die Arbeit des ÖRK. Sauca sprach daher von einer „Zusammenkunft von historischer Bedeutung“. Bischöfin Petra Bosse-Huber von der EKD sagte, vielleicht sei die ÖRK-Vollversammlung nie wichtiger gewesen als in dieser Zeit.
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Ein anderes strittiges Thema ist ein israelkritischer Antrag der anglikanischen Kirche von Südafrika. „Wir lehnen alle Formen von Antisemitismus ab, verurteilen sie und prangern sie an“, sagte Sauca. Bundespräsident Steinmeier sagte: „Es zählt zu den großen aktuellen Aufgaben der christlichen Kirchen in aller Welt, dem Antisemitismus zu wehren.“ Er bleibe eine Hassideologie mit Vernichtungsgeschichte.
Im ÖRK sind orthodoxe, anglikanische, baptistische, lutherische, methodistische und reformierte sowie unabhängige Kirchen vertreten. Er beschreibt die Vollversammlung als „umfassendste Zusammenkunft von Christinnen und Christen weltweit“. Die katholische Kirche ist kein ÖRK-Mitglied. Sie nimmt nur als Gast an der Vollversammlung teil.
Die Vollversammlung ist das höchste Entscheidungsgremium und findet in der Regel alle acht Jahre statt. Das Motto für die elfte Ausgabe lautet: „Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt.“ (dpa)