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Kölner Experte bei „Markus Lanz“„Ab zwei Uhr morgens ist meine Mailbox voll mit Drohungen“

Lesezeit 4 Minuten
Carlo Masala, Politikwissenschaftler, nimmt an der Podiumsdiskussion teil. (Archivbild)

Carlo Masala, Politikwissenschaftler, berichtet aus erster Hand von wachsenden Anfeindungen. (Archivbild)

Die Drohungen und Angriffe gegen Politiker nehmen zu, und machen dabei auch nicht Halt vor Politikexperten wie Carlo Masala.

Wenn ein AfD-Vertreter in einem Polittalk zu Gast ist, scheint sein Redeanteil ungleich größer als der der anderen Gäste. Das zeigte am späten Dienstagabend mal wieder die „Markus Lanz“-Sendung, in der es um den Angriff auf den SPD-Politiker Matthias Ecke, die Korruptions- und Spionage-Vorwürfe gegen die AfD und den Wandel der westlich dominierten Weltordnung ging.

Daran ändert sich auch nichts, wenn es sich dabei mit Rüdiger Lucassen, dem verteidigungspolitischen Sprecher der AfD-Fraktion, um einen der gemäßigteren Charaktere der Partei handelt, wie in der Sendung mehrfach betont wurde. Die gleichen Ausweichstrategien wie schon andere vor ihm aus seiner Partei benutzte er dennoch.

AfD-Vertreter bei Markus Lanz benutzt Ausweichstrategien

Äußerte er sich zu dem Angriff auf Ecke noch recht eindeutig, indem er sagte, dass „Angriffe gegen Menschen und auch Politiker überhaupt nicht gehen“, egal welcher Partei sie angehörten, und in dem Zusammenhang aber auch betonte, dass die AfD am häufigsten Opfer gewalttätiger Angriffe werde, rettete er sich später mit Gegenfragen.

Fragte Militärexperte Carlo Masala ihn etwa, wie er als Patriot in einer Partei sein könne, in der „sehr viele prominente Figuren eine solche Nähe zu inhaltlichen Positionen Russlands vorweisen“, antwortete er stumpf: „Warum ist ein Herr Schröder noch in der SPD, der Millionengeschäfte mit Putin macht?“ Gute Frage, mag da mancher sagen, aber eben keine Antwort. Lapidar berief er sich dann auf Nachfragen noch auf den „Pluralismus“ in seiner Partei.

Diskussion nach steigenden Angriffen auf Politiker: War der Angriff auf Ecke eine Zäsur?

Zum Thema Angriffe auf Politiker sorgte dafür Antonie Rietzschel, Investigativreporterin der „Leipziger Volkszeitung“, die unter anderem zu Extremismus und AfD recherchiert, in der Sendung für ein paar Einordnungen ‒ etwa dazu, dass zwar die AfD bei den gewalttätigen Angriffen, dicht gefolgt von den Grünen, am häufigsten Opfer wird. Dass bei den Angriffen generell, zu denen auch verbale gehören, die Grünen aber weit vorne liegen. Bei der Frage nach der Deutungshoheit darüber, wie der Angriff auf Ecke einzuordnen ist und ob er tatsächlich eine Zäsur bedeutet, gab es wiederum unterschiedliche Einschätzungen.

Während Rietzschel dazu tendierte, „dass es keine Zäsur ist, weil wir in den letzten Jahren ganz klar gesehen haben, dass Politiker mehr Angriffen ausgesetzt sind“, also eine bereits länger entstehende Entwicklung in den Angriffen sah, kommentierte der ebenfalls anwesende Politologe Herfried Münkler: „Das Denkbare, das Sagbare und Machbare hängen miteinander zusammen.“ Das Zitat des AfD-Mannes Alexander Gauland, „Wir werden sie jagen“, aus dem Jahr 2017 sei für ihn eine „Veränderung der politischen Sprache gewesen“. Aber auch im Angriff auf Ecke sehe er einen Wendepunkt. „Die Fähigkeit, sich zur Wahl zu stellen, wird immer mehr eingeschränkt bis zur körperlichen Bedrohung“, sagte er. Es seien mittlerweile „keine Einzelfälle mehr. Dahinter steckt eine Entwicklungsrichtung, die Demokratie grundsätzlich infrage stellt.“

Dass die Bedrohungen und Angriffe nicht nur aktive Politiker treffen, sondern auch Politikexperten wie Masala, machte dieser eindringlich deutlich: „Ich werde bedroht, regelmäßig. Ich habe auch schon Vorträge unter Polizeischutz gehalten“, sagte er. Dem vorangegangen seien Drohungen aus der Querdenkerszene. Das gehe „bis hin zu Morddrohungen“. Masala machte am Beispiel der aktuellen Sendung ganz deutlich: „Die Sendung wird relativ spät ausgestrahlt. Aber ab 2 Uhr morgens ist meine Mail-Inbox voll von solchen Drohungen.“ Auch AfD-Mann Lucassen machte während der Sendung deutlich, dass das Haus von ihm und seiner Frau mit „Nazis raus“-Parolen beschmiert worden sei und das Paar deswegen auch ausgezogen sei.

Problem der Bühne für extreme Ansichten: Die Balance muss gehalten werden

Als es dann um die Spionagevorwürfe gegen die AfD ging, verstrickte er sich aber wieder in Ausflüchte („Im Fall Krah gibt es keine Beweise“) oder Nichtantworten, etwa als Lanz wissen wollte, ob Krah seiner Meinung nach hätte zurücktreten sollen.

Trotz des großen Redeanteils von Lucassen, gerade in der zweiten Hälfte der Sendung, förderte der Talk einige interessante Erkenntnisse der Anwesenden zutage, etwa zu den Veränderungen des Demokratiebildes oder zum Schluss auch dazu, was Waffenlieferungen an die Ukraine eigentlich bewirkten (Münkler: „Es kommt darauf an, die ukrainische Durchhaltefähigkeit so zu erhöhen, dass Putin zu dem Ergebnis kommt, sein Ziel nicht zu erreichen“). Doch es könnte auch mehr sein.

Und bei den Sendern muss man sich die Frage stellen, wie man bei einem AfD-Gast ‒ wenn man sich denn dafür entscheidet ‒ auch die Balance der Debatte behält, um für ein wenig informatives Konfrontativgespräch nicht konstruktive Diskussionen opfern zu müssen. Denn an einem AfD-Mann wie Lucassen, wie gesagt einer der gemäßigteren, beißt sich auch ein Markus Lanz mit seinem beständigen Nachhaken und auch mal Dazwischenreden die Zähne aus.