Seit dem Rücktritt der Parteivorsitzenden Omid Nouripour und Ricarda Lang sind die Grünen auf der Suche nach neuen Chefs. Favoritin für einen der beiden Plätze ist Franziska Brantner.
Neue Parteivorsitzende gesuchtMögliche neue Grünen-Chefin – Wer ist Franziska Brantner?
Eine Spitzengrüne stieß am Mittwoch gleich mehrere Stoßseufzer aus. „Die Erwartungen sind jetzt krass hoch“, sagte die Frau, die nicht zitiert werden möchte, nachdem die Parteivorsitzenden Omid Nouripour und Ricarda Lang nach einer Serie von Wahlniederlagen ihren Rücktritt erklärt hatten.
Gemeint waren die Erwartungen an etwaige Nachfolger. „Noch ist nicht ausgemacht, wer sich zur Wahl stellt. Wir müssen das alles klug überlegen.“
Der Mann in der neuen Doppelspitze ist noch unklar
Dabei verlautet aus Realo-Kreisen, eine sei gesetzt – die 45-jährige Franziska Brantner aus dem Wahlkreis Heidelberg. Anders ist das bei den Männern. Hier werden der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Andreas Audretsch, ein Linker, ebenso genannt wie der nordrhein-westfälische Wirtschaftsexperte und Landeschef Felix Banaszak sowie der einstige hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir, der nach langen Jahren in Wiesbaden in den Bundestag drängt.
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Nur: Auch für Brantner, die gleichermaßen ehrgeizig wie entspannt erscheint, tun sich noch Hürden auf.
Gut vernetzt und internationale Erfahrung
Zwar gilt sie übereinstimmend als fachkundig, durchsetzungsstark und gut vernetzt in der Partei. Reichlich Erfahrung hat Brantner überdies, unter anderem international. So war sie schon nach dem Abitur in den Büros der grün-nahen Heinrich-Böll-Stiftung in Tel Aviv und Washington D.C. tätig, arbeitete nach einem politikwissenschaftlichen Studium unter anderem in Paris zunächst für die Bertelsmann Stiftung, zog nach vier Jahren im Europaparlament 2013 in den Bundestag ein, 2021 sogar mit einem bei den Grünen seltenen Direktmandat.
Die Mutter einer Tochter ist ausweislich des Lebenslaufs und nach Auskünften von Kennern ein echtes Powerhaus. Seit Bildung der Ampelkoalition hat sie als Parlamentarische Staatssekretärin einen Schreibtisch im Bundeswirtschaftsministerium und schaut aus ihrem Büro über den riesigen Hof auf die große Terrasse des Hausherrn: Vizekanzler Robert Habeck.
Mit dem teilt Brantner realpolitische Überzeugungen und viel Pragmatismus. Das zeigte sich im Sommer, als sie federführend eine Rohstoffpartnerschaft mit Serbien aushandelte. So soll in dem Land Lithium abgebaut werden – trotz großer Kritik heimischer und deutscher Umweltschützer.
„Lithium in Serbien soll nur mit umweltverträglichen Verfahren, dem entsprechenden hohen Schutz von Wasser und Böden sowie einem sehr guten Abfallvermeidungsplan gewonnen werden können“, sagte die Grünen-Politikerin, hielt im Kern aber an dem Projekt fest. Es sei nötig, um die Abhängigkeit Deutschlands von China bei dem für die Verkehrswende wichtigen Leichtmetall zu verringern.
Ihr Pragmatismus ist ihre Achillesferse
Brantners Pragmatismus ist freilich auch Brantners Achillesferse. Bereits jetzt steht Habeck, der für die Grünen als Spitzen- oder Kanzlerkandidat ins Rennen gehen will, im Verdacht, die Partei noch weiter von ihren Ursprüngen entfernen zu wollen als bisher. Zuletzt hieß es, sie solle für ihn den Bundestagswahlkampf managen, gemeinsam mit einem halben Dutzend anderer Habeck-Vertrauter.
Räumlich wäre das praktisch. Zwischen dem Ministerium und der Parteizentrale liegen nicht mehr als 500 Meter Luftlinie – und eine viel befahrene Straße.
Ein Duo Brantners mit Al-Wazir ist jedenfalls kaum vorstellbar
Würde Brantner nun Parteichefin, würde das erst recht wie eine Übernahme wirken. Nachdem Außenministerin Annalena Baerbock auf eine erneute Kanzlerkandidatur verzichtet hatte, könnte der Vizekanzler gewissermaßen durchregieren – so die Mutmaßung seiner Kritiker.
Würde die Bundesdelegiertenkonferenz Mitte November seine Vertraute hingegen aus eben diesem Grunde nicht wählen, würde es wie ein Affront gegen Habeck wirken. Das wäre ebenfalls schlecht, und zwar für alle.
Ein Duo Brantners mit Al-Wazir ist jedenfalls kaum vorstellbar. Er ist nämlich mindestens so pragmatisch wie sie. Die Parteilinke wäre dann faktisch abgemeldet.
Ein Grüner, der dem Vizekanzler eher fernsteht, sagt: „In der Hauptverantwortung ist Robert. Er müsste einigender agieren.“ Die Wahl der neuen Parteispitze ist eine von vielen Proben aufs Exempel.