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Nach Neonazi-Aufmarsch in Bautzen„Gezielter Einschüchterungsversuch“ – Queerfeindlicher Hass erschüttert CSDs

Lesezeit 3 Minuten
Teilnehmer einer rechten Demonstration in Bautzen werden am Bahnhof von Polizisten begleitet.

Teilnehmer einer rechten Demonstration in Bautzen werden am Bahnhof von Polizisten begleitet.

Nach dem Neonazi-Aufmarsch beim Christopher Street Day in Bautzen steigt die Angst in der queeren Szene. Der Lesben- und Schwulenverband übt scharfe Kritik an Politik und Sicherheitsbehörden. Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung kündigt seine Teilnahme am Leipziger CSD an und zeigt sich solidarisch.

Unter Jubel wurden Regenbogenflaggen verbrannt, Pyrotechnik gezündet und rechtsextreme Parolen gerufen: Der Christopher Street Day in Bautzen am vergangenen Samstag war für viele der 1000 Teilnehmer ein Schock. Rund 700 Rechtsextreme ließen ihrem Hass bei Gegenprotesten freien Lauf – darunter auch zahlreiche gewaltbereite Neonazis.

Auch Tage später ist die Erschütterung in der queeren Szene zu spüren. „Ich bin erschrocken, dass Menschen, die friedlich für Freiheit und Demokratie auf die Straße gehen, so attackiert werden“, sagte der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) besorgt. „Die Attacken von Neonazis gegen den CSD in Bautzen waren ein gezielter Einschüchterungsversuch.“

Die Sorge ist groß, dass es bei kommenden CSD-Veranstaltungen zu weiteren Attacken Rechtsextremer kommen könnte, zumal es bereits entsprechende Aufrufe gibt. Neonazis rufen auf Telegram und Tiktok zu Treffpunkten und Versammlungen an Bahnhöfen in Leipzig und Magdeburg auf.

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Politisch motivierte Gewalt gegen queere Menschen steigt deutlich

Queer-Beauftragter Lehmann hofft darauf, dass trotzdem viele Menschen für Selbstbestimmung und Toleranz auf die Straße gehen. „Ich rufe dazu auf, dass alle, denen unsere Demokratie am Herzen liegt, die CSDs gerade in Ostdeutschland unterstützen“, sagt der Regierungsvertreter. Die lokalen Sicherheitsbehörden hätten die Aufgabe, die CSDs zu schützen und sichere Demonstrationen zu ermöglichen. Als demokratische Gesellschaft müsse es das Ziel sein, dass alle Menschen offen, sicher und angstfrei leben können und sich niemand im Alltag verstecken müsse, so Sven Lehmann.

Derzeit fürchten allerdings immer mehr queere Menschen um ihre Sicherheit. Laut Zahlen des Bundeskriminalamts sind Fälle politisch motivierter Kriminalität im Bereich „sexuelle Orientierung“ im vergangenen Jahr um fast 50 Prozent gestiegen. Im Bereich „geschlechtsbezogene Diversität“ haben sie sich sogar verdoppelt.

Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums teilte dem RND mit, dass der Anstieg mit Sorge beobachte werde. Das Motiv der Täter vermutet das Ministerium in einer gefühlten Bedrohung der eigenen sozialen oder moralischen Normen. Täter sähen queere Personen als Bedrohung für das eigene Geschlechterbild, so die Sprecherin. Gerade in Zeiten gesellschaftlicher Konflikte und Polarisierungen sei die Zunahme entsprechender Straftaten zu erwarten.

CSD-Deutschland und Lesben- und Schwulenverband sind sich nicht einig

Andre Lehmann, Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes, sieht eine Mitverantwortung des Staates. Politik und Sicherheitsbehörden würden die Gefahr für queere Menschen häufig nicht ernst genug nehmen. „Der Auftritt der Polizei in Bautzen lässt sich in der wohlwollendsten Analyse als Anwesenheit beschreiben. Das schadet dem häufig ohnehin schon geringen Vertrauen queerer Menschen in die Polizei“, sagt er.

Gleichzeitig warte man seit 75 Jahren auf einen grundgesetzlichen Schutz vor Diskriminierung. Diesen würden Teile der Union verweigern. „Bis heute sind wir die einzige Gruppe, die im Nationalsozialismus verfolgt wurde, aber nicht vom Grundgesetz explizit geschützt wird“, erklärt Lehmann. „Ich stelle mir ernsthaft die Frage, was passieren muss, damit es endlich alle verstehen: Wir sprechen von Sicherheit und Lebensqualität von Millionen Menschen in diesem Land, die zunehmend dahinbröckelt.“

CSD-Vorstand pocht auf verstärkte Aufklärung und Schulung

Auch Kai Bölle, Vorstandsmitglied des Vereins CSD-Deutschland, hält eine Ergänzung des Diskriminierungsverbots im Grundgesetz um das Merkmal der sexuellen Orientierung für überfällig. Gleichzeitig bewertet Bölle aber die Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden insgesamt als positiv. Die Polizei erfülle ihre Aufgabe und schütze Demonstrationen und Veranstalter. Allerdings seien auch in den Reihen der Polizei viele Menschen zu beobachten, die Vorurteile gegen LGBTIQ+ haben. Bölle pocht auf verbindliche und deutlich verstärkte Aufklärung und Schulung.

Beide Vertreter der LGBTIQ+-Gemeinschaft betonen, dass man sich von Rechtsextremen nicht einschüchtern lassen wolle. Zum nächsten großen CSD am kommenden Samstag in Leipzig werden Zehntausende Menschen erwartet. Auch der Queer-Beauftragte Lehmann plant seine Teilnahme. „Wir werden gemeinsam zeigen, dass wir uns nicht unsichtbar machen lassen und gemeinsam unsere Rechte und unsere Würde verteidigen“, sagte er. (rnd)