Vor zwei Jahren wurde der CDU-Politiker als Ministerpräsident vereidigt – heute wird der Mann aus Aachen immer häufiger als aussichtsreichster Kanzlerkandidat der Union genannt.
Die Führungsrolle im größten Bundesland hat ihn zu einem der mächtigsten Politiker in der Bundes-CDU gemacht. Er sei der „Königsmacher“ für die Kanzlerkandidatur, hieß es schon nach dem Merkel-Rückzug vom Parteivorsitz in der Union.
Will Laschet jetzt mehr? Eine Bilanz
Was soll er denn machen? Alles, was Armin Laschet in diesen Tagen zur K-Frage sagt, wird ja doch nur gegen ihn verwendet. So wird es derzeit gerne von den Vertrauten des NRW-Ministerpräsidenten geraunt – mit einem genüsslichen Lächeln.
Die CDU werde die Frage der Kanzlerkandidatur Ende 2020 auf einem Parteitag entscheiden, hatte Laschet zuletzt in einem Interview gesagt. In seinen Augen hatte er damit lediglich die Position der Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer wiederholt. Doch das Echo im politischen und journalistischen Betrieb der Hauptstadt fiel gegenteilig aus. Rückendeckung für AKK sehe anders aus, hieß es.
Will Armin Laschet jetzt mehr?
Vor zwei Jahren wurde Armin Laschet als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen vereidigt. Die Führungsrolle im größten Bundesland hat ihn zu einem der mächtigsten Politiker in der Bundes-CDU gemacht. Er sei der „Königsmacher“ für die Kanzlerkandidatur, hieß es schon nach dem Merkel-Rückzug vom Parteivorsitz in der Union.
Will Laschet jetzt mehr? Eine Frage, die er nicht eindeutig beantwortet. Schaut und hört man genauer hin, so wird jedoch klar: Laschet hält sich nicht nur geeignet für die Merkel-Nachfolge. Er und seine Getreuen basteln auch geschickt an einer Strategie, die ihn am Ende ins Kanzleramt führen könnte.
Offiziell sagt Laschet Sätze wie diesen: „Wir sollten die Fragen klären, wenn sie anstehen, und nicht vorher.“ Oder: „Es ist völlig klar, dass Annegret Kramp-Karrenbauer diesen Prozess selbstverständlich führen und einen Vorschlag machen wird.“ Ja, natürlich habe AKK das Format, Kanzlerin zu werden. Das hätten andere in der Union aber auch. Dass er damit auch sich selbst meint, sagt er nicht.
Vor der Landtagswahl in NRW im Mai 2017 hatten wohl nur die wenigsten geahnt, dass der Mann aus Aachen zwei Jahre später einmal als Nachfolger von Angela Merkel gehandelt werden würde. Auch mit dem Wechsel an der Parteispitze hatte zunächst kaum in Frage gestanden, dass die neue CDU-Chefin AKK auch Kanzlerkandidatin werden sollte. Doch die Saarländerin konnte bislang politisch kaum Profil gewinnen – und machte einen Fehler nach dem anderen.
Erst leistete sich AKK bei einem Karnevalsauftritt im Februar einen geschmacklosen Gender-Witz über Toiletten für das dritte Geschlecht. Dann sprach sie ihre Parteifreunde bei einer Veranstaltung mit „Liebe Genossinnen und Genossen“ an. Die Frau, die im Kampf gegen Friedrich Merz und Jens Spahn um die Parteispitze keine Nerven gezeigt hatte, wirkte bei ihren Versuchen, sich von der übermächtigen Merkel zu emanzipieren, fahrig und fehleranfällig. Sie schlingerte bei ihrer Haltung zu einer CO2 -Steuer. Kurz vor der Europawahl verärgerte AKK den französischen Präsidenten Emmanuel Macron mit einem Beitrag, in dem sie forderte, das EU-Parlament nicht mehr in Straßburg tagen zu lassen.
Einer war immer da, um AKK zu korrigieren
Und schließlich dann das Rezo-Desaster. Die Reaktion der CDU-Spitze auf die Video-Attacke des Youtubers war schon peinlich bis hilflos, doch AKK trat erst Recht ins Fettnäpfchen. Mit einem missverständlichen, offenbar nicht zu Ende gedachten Vorstoß, digitale Meinungsbeiträge regulieren zu wollen.
Es ist auffällig, dass einer immer da war, um AKK zu korrigieren oder ihr sogar zu widersprechen: Armin Laschet. In der CDU-internen Debatte um eine CO2 -Steuer ließ er durchblicken, er sei dafür – aber nur zu einem „bestimmten Preis“. Zur von AKK ins Gespräch gebrachten Regulierung von Meinungsäußerungen im Netz twitterte Laschet fröhlich: „70 Jahre alt und doch wie für YouTube formuliert. Das Grundgesetz schützt unsere Meinungsfreiheit – in allen Medien.“
In der NRW-CDU wird derzeit ein Szenario durchgespielt, das folgendermaßen aussieht: Verliert die CDU bei den Landtagswahlen im Herbst in Sachsen, Brandenburg und Thüringen dramatisch und landet am Ende sogar in einem oder mehreren Ostländern hinter der AfD, könnte das – sollte die SPD auch noch weiter abstürzen – zum schnellen Ende der großen Koalition in Berlin führen. Dann müsste sich die CDU schnell entscheiden, mit wem sie als Spitzenkandidat bei einer möglichen Neuwahl antritt. Laschet hätte wohl die besten Karten.
Verfolgt er eine gezielte Agenda?
Der 58-Jährige weiß aus eigenem Erleben nur zu gut, dass die Entwicklungen in der Politik oft von Faktoren abhängen, die nur schwer vorherzusehen sind. Die Entscheidung, die Kanzlerfrage offen zu halten, kann ein Resultat dieser Erfahrung sein. Ist das reiner Pragmatismus – oder doch das gezielte Verfolgen einer eigenen Agenda?
Rückblende, Dezember 2018. Kurz vor dem Bundesparteitag der CDU, bei dem über die Merkel-Nachfolge entschieden wird, warnt Laschet in einem Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vor einer Spaltung der Partei in einen konservativen und einen liberalen Flügel. Seinen eigenen Verzicht begründet er mit seiner wichtigen Aufgabe in NRW, die mit dem Bundesvorsitz nicht vereinbar sei. Eine Begründung, die man zunächst einmal nachvollziehen kann. Zudem kommen mit Friedrich Merz und Jens Spahn ja schon zwei Bewerber aus NRW. Beide haben Laschet allerdings nicht in ihre Pläne eingeweiht.
Als der knappe Sieg von AKK über die beiden Kandidaten aus NRW feststeht, sind für den Mann aus Aachen wieder alle Optionen offen. Bei einem Sieg von Merz wäre die K-Frage wohl entschieden gewesen. Nimmt man an, es gäbe im Laschet-Lager einen Geheimplan, der ins Kanzleramt führen soll, dann wäre dessen erster Teil mit dem Sieg AKKs aufgegangen.
Der zweite Teil des Plans, so ist in der NRW-CDU zu hören, basiert auf der schlichten Tatsache, dass Kramp-Karrenbauer keine Gestaltungsmacht mehr hat. Denn sie hat ihr Ministerpräsidentinnenamt abgegeben. Sie ist Parteichefin, aber eben nicht Kanzlerin. An der Seite von Merkel ist AKK nur für die glanzlose Pflicht und nicht für die Kür zuständig. Macht sie dann auch noch wie zuletzt gravierende Fehler, verschleißt sie sich und kommt als Kandidatin womöglich nicht mehr infrage. Genau dann könnte die Stunde des Konsenskandidaten Laschet schlagen.
Dieser präsentiert sich als liberale Alternative zu AKK, als Bewahrer des Merkel-Kurses. Die Kanzlerin ist in ihrer Endphase beliebter denn je. Und auch das Umfragehoch der Grünen spielt Laschet derzeit in die Karten. Obwohl er in Düsseldorf mit den Liberalen regiert, ist einer seiner Trümpfe der gute Kontakt zu der Öko-Partei.
Schon als junger Bundestagsabgeordneter gehörte er in den 1990er Jahren dem ersten inoffiziellen Gesprächskreis von Christdemokraten und Grünen an, der Bonner „Pizza-Connection“. Bleiben die Grünen so stark wie derzeit, könnte es nach der nächsten Bundestagswahl ein schwarz-grünes Regierungsbündnis geben. Laschet wäre in der CDU wohl der beste Architekt, um die Brücke für ein solches Bündnis zu bauen. Mit Friedrich Merz, Lieblingsfeind der Grünen, wäre ein solcher Pakt wohl undenkbar.
Gemischte Gefühle in der Düsseldorfer Parteizentrale
Dennoch müsste auch Laschet bei Schwarz-Grün über seinen Schatten springen. Der Streit über die geplante Abholzung des Hambacher Forstes und der Polizeieinsatz gegen die Klimaaktivisten haben alte ideologische Gräben aufgerissen. Auch mit der Schülerbewegung „Fridays for Future“ fremdelt der Ministerpräsident. Allerdings nur hinter verschlossenen Türen.
In der Düsseldorfer Parteizentrale der CDU sieht man die K-Diskussion mit gemischten Gefühlen. Bislang werden Fragen danach, wer denn im Ernstfall Nachfolger von Laschet werden könnte, noch abgetan. Klar ist aber, dass laut NRW-Verfassung ein Nachfolger aus der Mitte des Parlaments gewählt werden muss.
Von den Kabinettsmitgliedern der Union verfügen Verkehrsminister Hendrik Wüst, Finanzminister Lutz Lienenkämper und Justizminister Peter Biesenbach über ein Landtagsmandat. Letzterer kommt allerdings aus Altersgründen wohl nicht in Frage. Ginge es nach der Diensterfahrung, müsste die Rolle des Kronprinzen dem Finanzminister zufallen. Der zeigt jedoch bislang wenig Interesse daran.
Darum ist auch Hendrik Wüst im Rennen. Der Ex-CDU-Generalsekretär zählte schon früher zu den Hoffnungsträgern der Partei, wurde aber 2010 für die Wahlniederlage des NRW-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers mitverantwortlich gemacht. Erst mit der Aufnahme ins Kabinett Laschet gilt er als rehabilitiert. Ginge Laschet nach Berlin, würde er am liebsten wohl auch seinen früheren Büroleiter und heutigen Chef der Staatskanzlei, Nathanael Liminski, mitnehmen. Der Wechsel des wichtigen Vordenkers wäre ein herber Verlust für das schwarz-gelbe Regierungsteam.
Kein Wunder also, dass viele in der NRW-Union hoffen, dass Laschet am Rhein bleibt. Sie werden sich damit beruhigen, dass AKK so schnell nicht aufgeben wird. Mit ihrer klaren Absage an Bündnisse mit der AfD zeigte sie zuletzt Führungsstärke. Und auch Friedrich Merz hat seine Hoffnung auf die Kanzlerschaft noch nicht aufgegeben.
Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage ist Laschet (46 Punkte) nach Kanzlerin Merkel (58 Punkte) der zweitbeliebteste Unionspolitiker. Merz erreicht 45 Punkte, AKK 36.
Den größten Fehler, den man machen kann, ist, den jovialen, freundlichen Herrn Laschet zu unterschätzen. Das weiß seit 2017 auch Ex-NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft.