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Nächster Ampel-Konflikt drohtSPD macht Druck bei der Schuldenbremse

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Robert Habeck (lv.l.n.r.), Olaf Scholz und Christian Lindner: Streit um die Schuldenbremse

Robert Habeck (lv.l.n.r.), Olaf Scholz und Christian Lindner: Streit um die Schuldenbremse

Die Ampel ist ohne verabschiedeten Etat ins neue Jahr gestartet, das birgt Sprengstoff. Die SPD will die Schuldenbremse schnell reformieren.

In der Fachsprache klingt es harmlos: Es gilt die vorläufige Haushaltsführung. Doch in der Realität birgt das Sprengstoff. Erst recht für eine Koalition wie die Ampel. Weil SPD, Grüne und FDP Ende vorigen Jahres die durch das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts nötigen Milliarden-Einsparungen nur „politisch“ entschieden, den Etat 2024 aber nicht im Bundestag verabschiedet haben, steht im neuen Jahr die Finanzpolitik gleich wieder auf der Tagesordnung. Und weil Kanzler Olaf Scholz den Willen in seiner SPD (und auch bei den Grünen) nicht gegen Finanzminister Christian Lindner (FDP) durchsetzte, die Schuldenbremse erneut auszusetzen, knirscht es weiter in der Ampel.

Parallel zur Haushaltsausschusssitzung an diesem Donnerstag tagt die SPD-Bundestagsfraktion. Während sich die Haushälter der Fraktionen in einer Öffentlichen Anhörung von neun Professoren und eine Professorin die möglichen Gefahren und Probleme des Etats inklusive Schuldenfrage erörtern lassen, wollen die SPD-Abgeordneten ein dem RND vorliegendes Positionspapier zur Reform der Schuldenbremse beschließen. Darin heißt es: „Die Schuldenbremse in ihrer jetzigen Form ist nicht mehr zeitgemäß. Die derzeit starren Regeln sind ein Wohlstandsrisiko für jetzige und kommende Generationen, indem sie nicht genügend Spielräume für starke Zukunftsinvestitionen ermöglichen.“ Schöne Grüße an die FDP.

SPD: Verzicht auf kreditfinanzierte Zukunftsinvestitionen langfristig verheerend

Die Karlsruher Richter hatten die Übertragung von Notkrediten auf folgende Haushaltsjahre für verfassungswidrig – und rückwirkend für nichtig – erklärt. Um für die Bekämpfung einer Krise höhere Kredite aufzunehmen, muss der Bund nun jedes Jahr aufs Neue die Schuldenbremse aussetzen und dies mit einer Notlage erklären. Lindner lehnt das für 2024 ab.

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Die SPD-Fraktion begründet ihren Vorstoß für eine Überarbeitung der Schuldenbremse so: Investitionen zum Wohle vor allem auch zukünftiger Generationen – für Digitalisierung, Klimaschutz, Bildung, aber auch für die Ukraine-Hilfe – könnten „sehr wohl zu einem erheblichen Anteil auch sinnvoll über Kredite finanziert werden“. Ein Verzicht auf kreditfinanzierte Zukunftsinvestitionen könne langfristig verheerend sein. Die SPD-Fraktion will jetzt Eckpunkte für einen „neuen haushaltspolitischen Zukunftsdeal“ für Deutschland erarbeiten

Grünen-Haushälter Sven-Christian Kindler sagte dem RND, die Anhörung im Haushaltsausschuss diene auch der Erörterung, ob und an welchen Stellen es im parlamentarischen Verfahren noch Änderungsbedarf gebe. Gerade die von der Regierung vorgeschlagenen Änderungen im Klima- und Transformationsfonds müssten in der Prioritätensetzung noch bewertetet werden. Und er betonte: „Unsere Solidarität mit den Menschen in der Ukraine ist ungebrochen.“ Das habe der Kanzler klargestellt. „Sollte es im Laufe des Jahres 2024 notwendig sein, bei der Unterstützung der Ukraine nachzusteuern, dann werden wir das machen. Wenn das dann nur über die Nutzung der Notfallregel der Schuldenbremse finanzierbar ist, dann werden wir sie auch nutzen.“

Union: Geld für Hochwassergebiete und Bauern statt für Entwicklungshilfe

Der Vorsitzende der Linken, Martin Schirdewan, sagte dem RND: „Die Sparmaßnahmen der Bundesregierung für den Haushalt 2024 sind eine einzige Katastrophe.“ In einer Zeit, in der die Demokratie in der größten Volkswirtschaft Europas in der Krise stecke und die steigenden Lebenshaltungskosten viele Menschen unter Druck setzten, lege die Regierung nicht die notwendigen Investitionen vor, sondern präsentiere einen Kürzungshaushalt.

„Das ist politischer Wahnsinn“, sagte Schirdewan. „Unsere Demokratie schwebt inzwischen in Lebensgefahr, und die Ampel-Regierung schafft es nicht, mit einer Investitionswende die notwendige lebensrettende Infusion zu verabreichen.“ Nötig sei die Aussetzung der Schuldenbremse oder eine höhere steuerliche Belastung von großen Vermögen und Konzerngewinnen.

Unions-Chefhaushälter Christian Haase verteidigte wiederum das Nein der Union zur weiteren Aussetzung der Schuldenbremse. Auch das Hochwasser in mehreren Bundesländern über die Jahreswende sei kein Grund, neue Schulden zu machen, sagte er dem RND. Die Länder könnten das selbst in ihren Haushalten über eine Notsituation regeln. Die Verschärfung der Leistungskürzungen für arbeitsunwillige Bürgergeldempfänger reiche nicht aus, sagte Haase weiter. „Das Bürgergeld setzt falsche Anreize. Weniger Hängematte, mehr Fordern und Fördern muss das Credo sein“, forderte er. Das gelte erst mit Blick auf die Erhöhung des Bürgergeldes um elf Prozent 2023 und zwölf Prozent 2024. Das habe die „arbeitende Gesellschaft“ nicht bekommen.

Die „Sonderopfer für die Landwirte“ durch die geplanten Kürzungen von Agrardieselsubventionen bezeichnete Haase als falsch. Bevor Deutschland Milliarden Euro für Entwicklungshilfe und Klimaschutz in anderen Ländern ausgebe, „sollten wir dieses Geld für die Hilfe der betroffenen Menschen in den Hochwassergebieten und die Landwirte nutzen“.

Ende Januar soll der Bundestag über den Etat 2024 entscheiden

Kindler wiederum erklärte: „Die Probleme in der Landwirtschaft sind vielfältig und auch das Ergebnis von jahrzehntelanger Misswirtschaft von Agrarministern aus CDU und CSU.“ Das Höfesterben sei auch das Ergebnis „völlig fehllaufender Agrarsubventionen, die vor allem die großen industrielle Betriebe bevorteilen und kleine Bauernhöfe benachteiligen“. Darüber wolle der Bauernverband aber nicht gerne reden. Kindler: „Vertritt er ja in der Hauptsache genau die Profitinteressen der Agrarindustrie und nicht prioritär die Anliegen der kleinen und mittelständischen bäuerlichen Betriebe.“ Deren Problem sei unter anderem, dass sie seit Jahren ihre Produkte häufig unter den Erzeugerpreisen an die großen Lebensmittelketten mit viel Marktmacht verkaufen müssten.

In der nächsten Woche kommt der Haushaltsausschuss zu einer Bereinigungssitzung zusammen, Ende Januar soll der Bundestag über den Etat 2024 entscheiden und am 2. Februar der Bundesrat. Und bis dahin gilt eben die vorläufige Haushaltsführung – eine Fortsetzung der Staatstätigkeit ohne gültiges Haushaltsgesetz. Das bedeutet, Gehälter für Staatsdiener sowie Sozialausgaben laufen weiter, aber neue Maßnahmen können nicht begonnen werden.