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AbschiebeflugNRW mietet für sieben Geflüchtete kompletten Airbus

Lesezeit 4 Minuten
ARCHIV - 22.10.2015, Niedersachsen, Hannover: Ein Flugzeug ist hinter Stacheldraht zu sehen. Nordrhein-Westfalen hat im vergangenen Jahr 3118 Menschen abgeschoben - im Vergleich der Bundesländer sind das die meisten. (zu dpa: «Land NRW führt erstmals eigenen Abschiebeflug durch») Foto: Julian Stratenschulte/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Am Mittwoch (12. Februar) startete ein Abschiebeflug aus NRW mit sieben Flüchtlingen Richtung Sofia.

Ministerin Josefine Paul lobt die Abschiebung nach Bulgarien – Opposition fragt dagegen nach den Kosten

Als der Airbus A321-231 der Charter-Fluggesellschaft „Danish Air Transport“ (DAT) am Dienstag um 11.14 Uhr in Düsseldorf abhob, hatte er nur wenige Passagiere an Bord: Gerade mal sieben Flüchtlinge teilten sich die 198 Sitzplätze mit Begleitern der Bundespolizei, einem Arzt und einer Dolmetscherin. Den Abschiebeflug nach Bulgarien bezeichnete Flüchtlingsministerin Josefine Paul (Grüne) dennoch als „einen großen Schritt“. Die Opposition spricht von einem Ablenkungsmanöver.

NRW-Abschiebeflug: Was ist die Vorgeschichte?

Nach dem Terroranschlag von Solingen (3 Tote) kam schnell heraus, dass der Täter eigentlich schon im Juni 2023 nach Bulgarien hätte abgeschoben werden sollen. Dort war der Syrer in der EU zuerst aufgetaucht, bevor er nach Deutschland weiterreiste. Bulgarien wäre laut dem sogenannten Dublin-Abkommen also zuständig gewesen. Als man Issa al H. nachts in seiner Flüchtlingsunterkunft in Paderborn abholen und ausfliegen wollte, war er allerdings nicht da. Einen weiteren Abschiebeversuch unternahm man nicht.

Flüchtlingsministerin Paul hatte schnell erklärt, dass Abschiebungen nach Bulgarien auch nicht so leicht seien. Unter anderem gebe es feste Tage und Uhrzeiten, an denen das osteuropäische Land Abgeschobene überhaupt zurücknehmen würde. Diesen Montag wurde durch Unterlagen für den Solingen-Untersuchungsausschuss im Landtag allerdings ein Papier der bulgarischen Behörden bekannt. Das liest sich ganz anders: Eher als freundliche Bitte, Flüchtlinge zwischen 9 und 14 Uhr einzufliegen – und möglichst eine Woche vorher Bescheid zu sagen.

Was passierte am Dienstag?

Einen Tag nach Medienberichten über das Papier der bulgarischen Behörden startete –tatsächlich zufällig – der erste von NRW selbst organisierte Abschiebeflug. Wie man über Flugdaten im Internet einsehen kann, startete der Airbus A321 um 11.14 Uhr in Düsseldorf und landete um 14.28 Uhr mit sechs Minuten Verspätung in der bulgarischen Hauptstadt Sofia.

An Bord waren laut Pauls Ministerium sieben Flüchtlinge: Vier syrische und drei afghanische Männer zwischen Anfang und Ende 20. Es habe sich – so das Ministerium – nicht speziell um Straftäter oder Gefährder gehandelt. Drei hätten bereits im Abschiebegefängnis in Büren eingesessen, einer in einem Flüchtlingsheim, die übrigen drei habe die Bundespolizei eingesammelt.

Warum war das Flugzeug fast leer?

„Laut den Vorgaben der bulgarischen Behörden dürfen insgesamt zehn Personen überstellt werden, entsprechend hatte das Land die Rücküberstellung von maximal zehn Personen vorgesehen. Auf diesem Charterflug waren nun sieben Personen“, so eine Sprecherin des Flüchtlingsministeriums auf Anfrage.

Eigentlich hatte man einen etwas kleineren Airbus A320 bestellt. Am Ende kam aber der A321-231 - das größte Flugzeug in der Flotte. Der Airbus hat 198 Sitzplätze.

Was hat das gekostet?

Die Sprecherin des Ministeriums sagte dazu: „Das lässt sich pauschal nicht beantworten, dabei sind viele Faktoren zu beachten, zum Beispiel die Zahl der Personenbegleiter und des Personals am Boden.“ Ein Konkurrenzunternehmen von DAT nennt im Internet für einen anderen Airbus einen Stundensatz, der bei 18.500 US-Dollar (also knapp 18.000 Euro) beginnt. Von daher hat die Abschiebung – samt Rückflug - auf jeden Fall mehrere zehntausend Euro gekostet.

Was sagt die Opposition?

Die interessiert sich ebenfalls für die Kosten der Aktion: Die SPD-Fraktion hat eine Kleine Anfrage an die Landesregierung auf den Weg gebracht, in der es unter anderem heißt: „In welcher Höhe lagen die finanziellen Ausgaben für die gesamte Maßnahme der Rücküberstellung vom 11. Februar 2025?“

Außerdem schreibt die SPD in ihrer Kleinen Anfrage, dass das BAMF bereits im November grünes Licht für Charter-Überstellungen durch die Bundesländer gegeben habe. Das Land soll daher sagen, was seitdem passiert ist. So habe Bayern zum Beispiel schon vor Monaten „Kleinchartermaßnahmen“ Richtung Bulgarien gestartet.

Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Lisa-Kristin Kapteinat sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Josefine Paul will vor allem eins: von ihrem eigenen Unvermögen und Unwillen ablenken. Dass sie immer noch bürokratische Hürden bei den bulgarischen Behörden als Problem bei den Rückführungen vortäuscht, ist nach den jüngsten Enthüllungen einfach nur blanker Hohn.“

Der FDP-Abgeordnete Marc Lürbke nannte den Flug nach Sofia eine „Alibi-Aktion“ und einen „verzweifelten Versuch, die politisch angeschlagene Ministerin künstlich im Amt zu halten.“

Wie geht es weiter?

FDP-Mann Lürbke fordert: „Charterflüge müssen zur Regel werden – alles andere wäre die Fortsetzung des bisherigen Scheiterns.“ Da hat NRW allerdings noch einiges vor sich. Nach Zahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gab es 2024 deutschlandweit genau 74.583 „Ersuche“ an andere EU-Länder, um Asylbewerber zurückzunehmen. Es gab auch 44.431 „Zustimmungen“, aber nur 5827 „Überstellungen“.

Tausende der Menschen, die nach den Dublin-Regeln abgeschoben werden müssten, sind in NRW untergebracht. Nun sind es sieben weniger. Was aus den Flüchtlingen in Bulgarien wird, ist unklar. Dort muss nun über deren Asylstatus entschieden werden.