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„Zusammenarbeit völlig ausgeschlossen“Die Brandmauer im NRW-Landtag steht – die AfD ist völlig isoliert

Lesezeit 4 Minuten
ARCHIV - 17.06.2021, Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf: Martin Vincentz, AfD-Landtagsabgeordneter, steht am Rednerpult des Landtages. Der 35-jährige Vincentz soll neuer Landeschef der AfD werden. Die AfD will damit einen Generationenwechsel einleiten. (zu dpa «Mediziner und Landtagsabgeordneter Vincentz will AfD NRW anführen») Foto: David Young/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Martin Vincentz, Vorsitzender der AfD-Fraktion, bei einer Rede im Düsseldorfer Landtag. Foto: dpa

Seit dem Einzug der AfD 2017 grenzen sich die anderen Fraktionen konsequent von ihr ab. Ein Abgeordneter erzählt vom Umgang mit ihr.

Im Landtag von Nordrhein-Westfalen steht die Brandmauer, seit die AfD im Mai 2017 erstmals den Einzug in das Parlament geschafft hat. Die Fraktionen von CDU, SPD, Grünen und FDP lehnen nicht nur jegliche Zusammenarbeit ab, sie meiden den Kontakt, wo immer es möglich ist. Es hat nach Angaben der Landtagsverwaltung bisher keinen einzigen AfD-Antrag im Parlament gegeben, der von den anderen Fraktionen mitgetragen wurde.

Von so einer Partei dürfen sich Demokratinnen und Demokraten nicht abhängig machen – niemals
Thomas Kutschaty, SPD, im Februar 2020

Einzig das Einsetzen zweier Enquetekommissionen zum „Krisen- und Notfallmanagement“ als Folge der Corona-Pandemie und zum Thema „Einsamkeit“ kam auf Initiative der AfD zustande. Das Einsetzen solcher Kommissionen ist traditionell als Minderheitenrecht im Parlament verankert.

Die letzte Grundsatzdiskussion über den Umgang mit der rechtsextremen Partei haben die Abgeordneten zuletzt am 13. Februar 2020 in einer Aktuellen Stunde auf Antrag der SPD geführt.

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Anlass war die Skandalwahl in Thüringen, wo sich der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit den Stimmen der AfD und der Unterstützung von Abgeordneten von CDU und FDP zum Ministerpräsidenten hatte wählen lassen. „Die AfD verachtet die Demokratie, sie verachtet unsere demokratische Kultur, sie verachtet unsere demokratischen Institutionen“, sagte Thomas Kutschaty, damals Fraktionschef der SPD-Opposition. „Von so einer Partei dürfen sich Demokratinnen und Demokraten nicht abhängig machen – niemals.“

Fraktionen setzen ein klares Signal

Der Unterstützung von CDU, FDP und Grünen war Kutschaty sich sicher. „Dass die demokratischen Parteien heute dazu ein klares Signal setzen, ist gut. Aber es reicht nicht aus. CDU und FDP müssen in ihren Parteien diese klaren roten Linien auch durchsetzen und nicht nur beschwören“, so die damalige grüne Fraktionschefin Monika Düker.

Im Landtag von NRW war das zum damaligen Zeitpunkt schon nicht mehr nötig. Den einzigen größeren Tabubruch zuvor hatte die CDU im Kölner Stadtbezirk Porz 2014 begangen, als sich Henk van Benthem mit den Stimmen der AfD und der rechtsradikalen Pro Köln zum Bezirksbürgermeister wählen ließ. Damals hatte Armin Laschet als Vorsitzender der NRW-CDU eine klare Antwort gefunden: „Die klare und eindeutige Ablehnung jeder Form der Kooperation mit Rechts- oder Linksradikalen hat der Generalsekretär der CDU Nordrhein-Westfalen, Bodo Löttgen, bereits bekräftigt.“

Die AfD sei schon deshalb ein absolutes Tabu, weil sie sich nach der Landtagswahl 2017 sehr schnell von einer Fraktion, „die vielleicht mal davon geträumt hat, mit einem rechtskonservativen Kurs jenseits der CDU auf Akzeptanz zu stoßen“, zu einer Gruppierung mit einem „faschistoiden Kern“ entwickelt hat, „mit der eine Zusammenarbeit völlig ausgeschlossen ist“, sagt ein SPD-Landtagsabgeordneter.

Tonfall im Landtag hat sich verschärft

Anfangs habe es seitens der AfD zwar „Anbandelungsversuche“ gegeben, aber spätestens mit dem Austritt von drei Abgeordneten aus der AfD-Fraktion in der ersten Legislaturperiode, habe sich auch das erledigt. Im Herbst 2017, gerade mal fünf Monate nach der Wahl, kehren Fraktionschef Marcus Pretzell, sein Stellvertreter Alexander Langguth und der Abgeordnete Frank Neppe der Fraktion den Rücken, die damit auf 13 Mitglieder schrumpft.

Der Politikstil der Fraktion habe sich seither immer weiter radikalisiert, der Ton bei Debatten sei deutlich aggressiver geworden, sagt der SPD-Abgeordnete. „Ihre Begrifflichkeit orientiert sich grundsätzlich an einem stramm rechten Argumentationspfad. Sie reden immer von den Altparteien, was damals der Bolschewismus war, ist heute 'links-grün verseucht' und bei jedem Problemthema wird danach gesucht, warum Migranten daran schuld sind. Weil das so ist, haben sich die anderen Fraktionen von denen ferngehalten. Auch wenn die AfD immer wieder versucht, sie in einen Zusammenhang zu bringen.“

71 Anträge im Parlament und 1275 Kleine und Große Anfragen hat die AfD im Landtag seit Juni 2022 gestellt. Darin geht es um die konsequente Abschiebung „ausländischer Flut-Plünderer“, das „konsequente Vorgehen gegen islamistische Frauennetzwerke“, den Baustopp einer neuen Zentralunterkunft für Geflüchtete in Gladbeck oder die „politisch motivierte Verfremdung der deutschen Sprache“.

„Die AfD redet im Parlament grundsätzlich nicht für die Öffentlichkeit, sondern in erster Linie für ihre Follower im Netz“, so der SPD-Politiker. Das sei gefährlich, weil das zu einer weiteren Radikalisierung führen könnte. „Dem müssen wir etwas entgegensetzen. Da sind wir uns einig.“

Redaktioneller Hinweis: In der ersten Fassung des Beitrags war vom Einsetzen einer Enquetekommission auf AfD-Initiative die Rede. Es waren insgesamt zwei. Die Aussage im Text, die AfD habe als Bergleute verkleidete Anhänger bei einer Debatte auf die Landtagstribüne eingeschleust, haben wir gestrichen, weil es dafür keinen Beleg gibt. Wir bitten, das Versehen zu entschuldigen.