Viele der 40.000 Justizmitarbeiter in NRW sehen sich an der Belastungsgrenze. Die Gewerkschaft warnt die schwarz-grüne Landesregierung davor, beim Personal zu kürzen.
Neuer Ärger für Minister LimbachEmpörung über Kürzungspläne in der NRW-Justiz
Alexandra Baldermann ist Vorsitzende der Fachbereichsgruppe Ambulanter Sozialer Dienst der Justiz NRW (ASDJ NRW) bei der Deutschen Justiz Gewerkschaft. Sie arbeitet als Fachkraft in den Bereichen Bewährungshilfe, Führungsaufsicht und Gerichtshilfe beim Landgericht Duisburg. Im Durchschnitt betreuen die Fachkräfte 70 straffällig gewordene Personen – und im Rahmen der Gerichtshilfe auch Geschädigte.
„Sollten jetzt etliche Stellen wegfallen, kann die erforderliche sozialpädagogische Arbeit, welche zur Resozialisierung notwendig ist, nicht mehr ausreichend geleistet werden. Die Gefahr, dass die Klienten nur noch verwaltet und nicht mehr inhaltlich betreut werden, ist groß“, sagte Baldermann dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
In NRW sind derzeit viele Justizmitarbeiter beunruhigt. Denn: NRW-Justizminister Benjamin Limbach plant einen massiven Personalabbau bei den Justiz-Beschäftigten. Nach Informationen der Deutschen Justiz-Gewerkschaft (DJG) sollen 149 Ausbildungsplätze, 40 Jobs für Gerichtsvollzieher, 30 Positionen bei den Sozialinspektoren und 100 Praktikantenstellen wegfallen. Darüber hinaus sind 34 Stellen in der Bewährungshilfe bedroht. „Der geplanten Kürzungen sind ein Schlag ins Gesicht der Justizmitarbeiter“, sagte Klaus Plattes, Chef der DJG in NRW, unserer Zeitung. Der Vorgang zeige „einmal mehr“, dass Minister Limbach in der schwarz-grünen Koalition „kein gutes Standing“ habe.
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Klaus Plattes: „Nur die Täter werden sich über die geplanten Kürzungen freuen“
Anders als sein Vorgänger Peter Biesenbach (CDU) finde Limbach „offenbar keinen Draht“ zum NRW-Finanzminister. Während es Innenminister Herbert Reul (CDU) gelinge, zusätzliche Mittel für die Polizei zu bekommen, sehe sich der Justizbereich schmerzhaft abgekoppelt. Die Folge: „Strafverfahren bleiben liegen, Haftbefehle werden nicht vollstreckt, Hausdurchsuchungen müssen verschoben werden. Nur die Täter werden sich über die geplanten Kürzungen freuen“, sagte Plattes.
Viele Mitarbeiter würden durch die Überlastung krank, was dann noch größere Löcher in die dünne Personaldecke reiße. „Dass mit der Cum-Ex-Ermittlerin Anne Brorhilker eine prominente Staatsanwältin der Justiz den Rücken kehr, passt ins Bild. Unter den derzeitigen Bedingungen wird es der Justiz nicht gelingen, den dringend benötigten Nachwuchs zu generieren“, sagte der Gewerkschaftsvorsitzende.
Auch die Opposition im Landtag ist entsetzt über die Pläne. „Das ist ein absoluter Wahnsinn“, sagte Werner Pfeil, rechtspolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion NRW, zu den geplanten Stellenstreichungen. Die Justiz in NRW stehe „kurz vor dem Kollaps“, erklärte der Liberale. „Bei 250.000 offenen Ermittlungsverfahren und einer Eskalation von Cybercrime und Subventionsbetrug durch Corona-Fälle brauchen wir jede Hand“, empörte sich Pfeil.
Die Absicht, die Referendarausbildung drastisch auf nur noch 3000 Plätze zu reduzieren, mache die Lage noch dramatischer: „Gerade jetzt, wo wir dringend frische Kräfte brauchen, soll bei der Ausbildung gespart werden? Das ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die sich für Recht und Ordnung einsetzen“, so Pfeil. „Ich rufe die Landesregierung dazu auf, diesen gefährlichen Kurs sofort zu stoppen. Wir können es uns nicht leisten, unsere Justiz derart zu schwächen. Es geht um nichts Geringeres als den Zusammenhalt und die Sicherheit unseres Landes.“
Limbach stellt neue Pläne vor – Elisabeth Müller-Witt: „Theaterdonner“
Justizminister Limbach will am Freitag neue Pläne zur Entlastung der Staatsanwaltschaften vorstellen. Elisabeth Müller-Witt, Vize-Fraktionschefin der SPD, hält das für „Theaterdonner“. „Die Beschäftigten in der Justiz wissen: Unter Limbach wird nichts besser, aber vieles schlechter“, so Müller-Witt. Der Grüne sei „als politischer Seiteneinsteiger schon jetzt grandios gescheitert“. Sie sei gespannt, wie lange „die Nibelungentreue der Grünen zu ihrem einstigen Hoffnungsträger“ noch halte.
Dir Kürzungen bei den Gerichtsvollziehern wird bei den Betroffenen als „Rachefeldzug“ empfunden. Es sei unverständlich, warum Limbach im mittleren Dienst kürze, aber den höheren Dienst und die Beschäftigten seines Ministeriums verschone. Das Justizministerium äußerte sich auf Anfrage nicht zu dem Vorgang.