Wenn ein Krankenhaus Blutkonserven für einen Patienten braucht, geht es oft um Leben und Tod. Doch die Spendebereitschaft wird immer geringer, zuletzt warnte des Rote Kreuz sogar vor einer „Notlage“.
Karneval droht Lage zu verschärfenSpendebereitschaft gering – Blutgruppe A dringend gesucht
A ist aktuell Mangelware. „Natürlich“, sagt Professorin Birgit Gathof, leider gebe es immer wieder „einzelne Blutgruppen, die Sorgen machen“. Derzeit betreffe dies die Gruppe A. „Das kann sich aber jeden Tag ändern und weitere Gruppen hinzukommen“, warnt die Leiterin der Transfusionsmedizin an der Uniklinik Köln. „Denn es braucht nur ein Patient zu kommen, der viel Blut braucht.“ Dies reiße dann „wieder ein Loch in unseren Bestand“. Und dann könne „auch die Blutgruppe Null positiv oder negativ knapp werden“, so Gathof.
Aktuell jedoch gebe es „verschiedenste Werbemaßnahmen, die ganz gut funktionieren", sodass die Situation zumindest an der Unklinik Köln „insgesamt nicht so kritisch“ sei.
Vor etwa zwei Wochen schlug das Rote Kreuz Alarm, sprach von einem Notstand. Der Vorrat an Blutkonserven für die Krankenhäuser in NRW habe einen Tiefstand erreicht. Der DRK-Blutspendedienst West hatte nach eigenen Angaben nur noch so viele Blutkonserven auf Lager, wie die Krankenhäuser innerhalb eines Tages für ihre Patienten verbrauchen - etwa bei Operationen, in der Krebstherapie oder bei Unfallopfern. Mit diesem Lagerbestand war eine „absolut rote Linie“ erreicht, sagt DRK-Sprecher Stephan Küpper. Eigentlich müssten Konserven für fünf Tage auf Lager sein. „Die Krankenwelle hat für einen Notstand beim Blutspenden gesorgt, wir haben sozusagen nur noch von der Hand in den Mund gelebt.“
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„Spendentief“ an Karneval befürchtet
Bei einigen Blutgruppen hätten die Kliniken nur noch die Hälfte dessen erhalten, „was sie bei uns angefordert haben“. Durch den Hilferuf habe sich die Lage zwischenzeitlich zwar aber etwas entspannt. „Unsere Spende-Termine sind gut ausgebucht“, sagt Küpper. Dennoch sei dies vermutlich nur ein „Zwischenhoch“: „Die nächste traditionell sehr schwierige Phase ist in Sicht: Die Karnevalszeit.“
Die Kölner Professorin Gathof teilt diese Sorge. „Deshalb sind wir auch in den kommenden Tagen und Wochen darauf angewiesen, dass möglichst viele Leute zu uns kommen“, betont die Transfusions-Expertin. Auch sie sieht „national gesehen einen erheblichen Engpass, was die Versorgung mit Blut betrifft“. In der Kölner Uniklinik zwar habe dies immer wieder „noch gerade funktioniert“. Aber es gebe „mehrere große Kliniken in NRW, die zuletzt geplante Operationen verschieben mussten“, so Gathof. „Oder Patienten zum Beispiel mit der Blutgruppe Null nicht einbestellt haben“, um einen bestehenden Mangel nicht zu verstärken. Auch Kliniken etwa in Süddeutschland seien zuletzt betroffen gewesen.
Noch könnten Ärzte mit ein bisschen Improvisationstalent die Sicherheit der Patienten gewährleisten, sagen Fachleute. Aber ein langfristiger Trend macht ihnen Sorgen: Die Spendebereitschaft in der Bevölkerung sinkt kontinuierlich und der Mangel wird größer. „Man darf sich da keine Illusionen machen: Wir werden in Zukunft noch wesentlich häufiger solche Mangelsituationen bei Blutprodukten haben“, sagt beispielsweise Peter Horn, Direktor des Instituts für Transfusionsmedizin der Universitätsklinik Essen. Insgesamt würden nur drei Prozent der „spendefähigen Bevölkerung“ auch tatsächlich Blut spenden.
Diese „besorgniserregende Entwicklung“ verstetige sich seit Jahrzehnten, beklagt Sigrid Krebs, Sprecherin der städtischen Kliniken in Köln. „Und seit etwa 15 Jahren nimmt die Spendebereitschaft massiv ab.“ Ein Grund dafür: Die geburtenstarken Jahrgänge, in denen es noch mehr treue Blutspender gab, würden älter und von Blutspendern tendenziell zu Blutempfängern. Aktuell spielten natürlich auch „Themen wie Corona oder die grassierenden Grippe- und Noroviren“ eine Rolle. Hinzu aber komme „vor allem der veränderte gesellschaftliche Konsens“, beklagt Krebs: „Unsere Eltern beispielsweise waren noch geprägt von der Nachkriegszeit, wo man einfach verinnerlicht hatte, wenn Menschen verletzt werden, dann brauchen sie oft Blut, um zu überleben.“ Die regelmäßige Spende sei deshalb „irgendwie auch Ehrensache“ gewesen. Und wenn ein größeres Unglück geschehen sei, „ist man oft automatisch und unaufgefordert ins nächstliegende Krankenhaus gefahren, um sich als Spender zur Verfügung zu stellen“, so Krebs.
Blutspenden können Leben retten
Das Wissen, dadurch Leben retten zu können, sei heutzutage „einfach nicht mehr in den Köpfen verankert“. Dass ein solches Bewusstsein eine entscheidende Rolle spielen könne, habe sich etwa Anfang vergangenen Jahres zu Beginn des Ukraine-Krieges gezeigt. „Das war wie ein Schock und es stellt sich Frage, was da auf uns sowie die Menschen in der Ukraine zukommt - und die Blutspende-Zentralen auch in Köln hatten prompt einen stärkeren Zulauf.“ Der Effekt aber sei schnell wieder verpufft.
„Wir brauchen grundsätzlich mehr Menschen, die durch ihre regelmäßige Blutspende Verantwortung übernehmen“, betont DRK-Sprecher Küpper. „Einen halben Liter, sozusagen zweieinhalb Gläser Kölsch, brauchen wir jeweils nur – und das verträgt umgekehrt ja auch praktisch jeder“, sagt die Kölner Professorin Gathof. Die Branche ringt um gute Ansätze, um vor allem junge Spenderinnen und Spender zu werben. Blutspendedienste werden digitaler, entwickeln eigene Apps. In den sozialen Netzwerken wird das Thema stärker emotionalisiert - etwa indem die Geschichten von jungen Menschen erzählt werden, denen die Blutspende das Leben gerettet und eine neue Zukunft geschenkt hat. Überlegt wird auch, ob den Spendern mitgeteilt werden kann, wofür genau ihr Blut verwendet wurde – für ein Unfallopfer beispielsweise oder einen Krebspatienten.
Das Rote Kreuz mit seinem großen Blutspendedienst hofft zudem auch auf die Unterstützung von Politik und Unternehmen. Wenn Beschäftigte für ihre Blutspende eine Zeitgutschrift vom Chef bekämen, wäre das ein Anreiz, sagt DRK-Sprecher Küpper. „Wir nehmen den Menschen ja nicht nur Blut ab, sondern vor allem auch etwas Zeit.“ Krankenkassen könnten eine Blutspende im Rahmen ihrer Bonusprogramme honorieren. Und in den Schulen könnte das Thema im Biologieunterricht einen festen Platz bekommen, schlägt er vor.
Die Deutsche Gesellschaft für Transfusionsmedizin und der Arbeitskreis Blut beim Robert Koch-Institut verfolgen das Ziel, mehr valide Daten zur Versorgung mit Blutprodukten zu sammeln - auch um der Politik so die Dringlichkeit des Themas deutlich zu machen. Vielleicht würde dies auch die Einschätzung beim nordrein-westfälischen Gesundheitsministerium verändern. Als das Rote Kreuz von einem Notfall sprach, hieß es dort lediglich, „grundsätzlich“ sehe man „die Versorgung der Bevölkerung mit Blut als gesichert an“. Und jetzt, auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“, wurde nur darauf hingewiesen, dass aufgrund des DRK-Hilferufes derzeit „ein Hoch an Blutspenden“ zu verzeichnen sei. (mit dpa)