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Kaum Euphorie, aber HoffnungWas die Basis von CDU und SPD in NRW zum Koalitionsvertrag sagt

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Friedrich Merz (M), Unions-Kanzlerkandidat und CDU-Bundesvorsitzender, und Lars Klingbeil (r), SPD-Fraktions- und Bundesvorsitzender, geben sich nach einer Pressekonferenz der Parteivorsitzenden von Union und SPD zur Vorstellung des Koalitionsvertrages im Paul-Löbe-Haus die Hand. Links steht Markus Söder, Ministerpräsident von Bayern und CSU-Vorsitzender.

Friedrich Merz (M), Unions-Kanzlerkandidat und CDU-Bundesvorsitzender, und Lars Klingbeil (r), SPD-Fraktions- und Bundesvorsitzender, und Markus Söder, Ministerpräsident von Bayern und CSU-Vorsitzender: Im Koalitionsvertrag haben sie sich auf ihre Regierungspläne für die nächsten vier Jahre geeinigt.

Die Spitzen von Union und SPD loben den Koalitionsvertrag als guten Kompromiss. An der Basis der Parteien rumort es allerdings vielerorts. 

Das Papier ist 144 Seiten stark und trägt den Titel „Verantwortung für Deutschland“. Im Koalitionsvertrag haben sich CDU, CSU und SPD auf ihre Regierungspläne für die nächsten vier Jahre geeinigt. An der Basis der Parteien ist die Erleichterung groß, dass jetzt „endlich wieder Politik gemacht werden kann“, so ein CDU-Politiker aus Köln. Die Angst vor möglichen Neuwahlen ist gebannt. Aber die Euphorie hält sich in engen Grenzen.

Oliver Seeck macht im Kölner Stadtrat für die SPD Politik. Der Koalitionsvertrag enthalte „einige richtige Ansätze“, sagt der Vorsitzende des Sportausschusses. „Aber ich hätte mir an vielen Stellen mehr gewünscht.“ Aus kommunalpolitischer Sicht bleibe der Vertrag hinter den Erwartungen zurück: „Die Städte und Gemeinden werden weiterhin mit großen Aufgaben betraut, etwa im Bildungsbereich oder bei der Integration, ohne dafür scheinbar strukturell besser ausgestattet zu werden“, sagt der Gymnasiallehrer. „Ich hätte mir hier eine stärkere finanzielle und politische Unterstützung für die kommunale Ebene gewünscht.“

Kölner SPD-Politiker Seeck: „Da setzt der Vertrag zu stark auf Kontrolle“

Gerade bei Bildung und Sport, zwei nach Ansicht von Seeck zentralen Themen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, bleibe die Vereinbarung zu vage. „Mir fehlen konkrete Maßnahmen zur Stärkung der Schulen, zur Bekämpfung ungleicher Bildungschancen und zur Förderung des Vereinssports“, sagt der Ratsherr. Beides Schlüsselbereiche, die in der Praxis vor allem von den Kommunen getragen würden: „Hier in Köln ist der Bedarf enorm.“

Kritik übt der Kommunalpolitiker an den Vereinbarungen beim Thema Sicherheit. „Da setzt der Vertrag zu stark auf Kontrolle“, bemängelt Seeck. „Ich hätte mir einen deutlich stärkeren Fokus auf Prävention und auf die sozialen Ursachen von Unsicherheit erhofft“, sagt der Kölner SPD-Politiker. Bei der Kindergrundsicherung oder dem Mindestlohn habe die SPD wichtige Akzente gesetzt. „Dennoch bleibt insgesamt der Eindruck, dass die Möglichkeiten für einen echten Aufbruch nicht ausgeschöpft wurden. Ich hätte mir mehr Mut und Gestaltungswille gewünscht – gerade in einer Zeit, in der viele Menschen auf Antworten warten.“ Mit einer CDU unter Friedrich Merz und einer CSU unter Markus Söder sei aber wohl nicht mehr möglich gewesen.

CDU-Stadtrat: „Mehr Wirtschaft“ gewünscht

Martin Erkelenz aus Köln-Longerich sitzt seit vielen Jahren für CDU im Stadtrat Kölns. Auch er wiegt das Für und Wider der Vereinbarung nüchtern ab. „Ich sehe sie als typischen Kompromiss zweier in weiten Teilen gegensätzlicher Partner“, sagt der Sprecher für Sozialpolitik. Er favorisiere „mehr Wirtschaft“, das heißt insbesondere „mehr Markt im Energiesektor und vor allem den Stopp des Abschaltens von funktionierenden Kraftwerken“. Für „positiv“ hält er das Versprechen der künftigen Bundesregierung, die Finanzkraft der Kommunen zu stärken. „Auch wenn da nicht viel Konkretes dazu gesagt wird. Das lässt jedenfalls hoffen.“

Kritisch sieht der Kommunalpolitiker die Anhebung des Mindestlohns und die Einführung eines Tariftreuegesetzes. „Wir brauchen wird mehr Markt und weniger Staat. Dass dies mit der SPD schwierig umzusetzen ist, war aber klar." Erkelenz setzt darauf, dass Deutschland unter der Führung von Merz zusammen mit Frankreich ein „wirksames Gegengewicht gegen das Trumpsche Wirtschaftschaos“ werden könne.

Mandatsträger auf Landes- und Bundesebene geben der Vereinbarung bessere Noten

Die Mandatsträger auf Landes- und Bundesebene geben der Vereinbarung naturgemäß bessere Noten. Romina Plonsker, Kreisvorsitzende der CDU Rhein-Erft und Landtagsabgeordnete in Düsseldorf, ist „überzeugt davon, dass wir einen Politikwechsel in Deutschland unter Friedrich Merz erleben werden“. Der finde nicht durch das Aufsetzen eines Koalitionsvertrags statt, sondern durch das Handeln der politisch Verantwortlichen bei konkreten Fragestellungen und Herausforderungen. Die Ampel-Regierung sei schließlich nicht durch einen schlechten Vertrag gescheitert, sondern durch schlechte Regierungsarbeit.

Sebastian Hartmann (SPD) und Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU) vertreten den Rhein-Sieg-Kreis bereits seit vielen Jahren in Berlin. Die Bundestagsabgeordneten erwarten durch das Koalitionspapier positive Impulse für die Region. Durch die Entscheidung für das Sondervermögen sei ein neuer finanzieller Rahmen für die Kommunen geschaffen worden, sagt Hartmann, der Bildungseinrichtungen und den Ausbau der Infrastruktur deutlich stärke. „In der alten Ampel stand das auch im Gesetz, konnte aber nicht umgesetzt werden“, räumt der frühere Landeschef der NRW-SPD ein.

Elisabeth Winkelmeier-Becker ist Direktkandidatin der CDU im Wahlkreis 96.

Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU) ist optimistisch, sie sieht eine „gute Basis für einen echten Politikwechsel, gerade in der Wirtschaftspolitik, in der Migrationspolitik und auch beim Bürokratieabbau“.

Winkelmeier-Becker sieht in dem Koalitionsvertrag eine „gute Basis für einen echten Politikwechsel, gerade in der Wirtschaftspolitik, in der Migrationspolitik und auch beim Bürokratieabbau“. Kompromisse müsse man bei solchen Verhandlungen immer eingehen. Sie sieht den Weg frei für niedrigere Energiekosten und Bürokratieabbau, was dem Handwerk, den Bauern und Unternehmen zugutekomme. „Auch die Kommunen werden insgesamt gestärkt“, sagt die CDU-Bundestagsabgeordnete.

Otto Neuhoff: „Das sind Blaupausen und Buzzwords“

Weniger zuversichtlich blickt der Sprecher der Bürgermeister im Rhein-Sieg-Kreis, Otto Neuhoff aus Bad Honnef, auf das Koalitionspapier. Es seien zwar die richtigen Themen adressiert worden, aber Vieles bleibe im Unkonkreten. „Das sind Blaupausen und Buzzwords, ohne dass ich eine Richtung erkennen kann“.

Bergisch Gladbacherin Caroline Bosbach ist neu in den Bundestag eingezogen. Der Koalitionsvertrag sei eine solide Arbeitsgrundlage, könne aber nur ein Startpunkt sein, sagte die CDU-Politikerin. Die Handschrift der Union sei sichtbar, müsse „aber noch deutlicher erkennbar“ werden. Die Politikwende müsse nun allerdings praktisch mit Leben gefüllt werden. „Wenn wir hier scheitern, nimmt das Land schaden.“ (Mitarbeit Sandra Ebert)