Nach wochenlangem Streit hat sich die Ampel jetzt auf die Einführung der Kindergrundsicherung geeinigt. Ein großer Wurf? Bei Sozialexperten in NRW stoßen die Pläne auf wenig Begeisterung.
Kritik von NRW-Experten„Mit diesem Beschluss wird Kinderarmut bleiben"
Die von der Ampel-Koalition vorgelegten Eckpunkte zur künftigen Ausgestaltung einer Kindergrundsicherung stoßen bei Sozialexperten in NRW zum Teil auf heftige Kritik. Dabei handele es sich um „alten Wein in neuen Schläuchen“, sagte Christian Woltering, Landesgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes NRW, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die Bundesregierung betreibe „Etikettenschwindel“. „Eine echte Neubemessung des Existenzminimums für Kinder, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, findet nicht statt“, sagte Woltering. Kinder würden „weiterhin wie kleine Erwachsene behandelt, anstatt ihre speziellen Bedarfe zu berücksichtigen“.
In Berlin hatten Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne), Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) gemeinsame Eckpunkte für die Kindergrundsicherung vorgestellt. Künftig sollen Leistungen für Familien wie das Kindergeld, der Kinderzuschlag und weitere Leistungen aus dem Bürgergeld für Kinder zusammengefasst werden. Im ersten Jahr ab 2025 sind demnach 2,4 Milliarden Euro vorgesehen.
„Kindergrundsicherung verdient den Namen nicht"
Auch Ayla Celik, Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW in NRW, zeigte sich unzufrieden. „Das, was jetzt kommt, hat den Namen nicht verdient“, sagte Celik unsere Zeitung. „Mit diesem Beschluss wird Kinderarmut bleiben, denn für manche Familien wird die Veränderung kaum merkbar sein“, fügte die Gewerkschaftschefin hinzu. Die hinterlegte Summe von 2,4 Milliarden Euro reiche bei weitem nicht aus, um für mehr soziale Gerechtigkeit, mehr Teilhabe und auch mehr Bildungschancen zu sorgen.
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Auch der Kinderschutzbund in NRW wies auf Defizite hin. „Die Einigung bleibt deutlich hinter unseren Erwartungen zurück“, sagte Vize-Landeschef Manfred Walhorn unserer Zeitung. Richtig sei, dass die Situation von Alleinerziehenden in den Fokus genommen wurde. „Wir sind aber enttäuscht, dass nicht schon das soziokulturelle Existenzminimum neu berechnet und geprüft worden ist. Eine wirkliche Kindergrundsicherung müsse das soziale und kulturelle Existenzminimum von Kindern absichern – das ist auf die lange Bank geschoben worden,“ so Walhorn.
NRW-Familienministerin Josefine Paul (Grüne) wertete die Einigung positiv. Die Eckpunkte seien eine gute Nachricht für Kinder und Familien: „Es ist der richtige Weg, Leistungen für Kinder zu einer einzigen Leistung zu bündeln und den Zugang zu vereinfachen“, so Paul. Ein „Wehrmutstopfen“, sei allerdings, „dass sich bei der Frage der finanziellen Ausstattung die Einigung weniger an den familien- und sozialpolitischen Notwendigkeiten als der sehr spartanischen Vorstellung des Bundesfinanzministers“ orientiere.
„Kein Kind wird weniger arm"
Marcel Hafke, Parlamentarischer Geschäftsführer und familienpolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion NRW, erklärte, Sozialleistungen würden jetzt „nicht mehr mit der Gießkanne verteilt, sondern sinnvoll gebündelt und zielgerichtet eingesetzt“. Gute Löhne und Beschäftigung, flächendeckende Betreuung und Zugang zu Bildung und Teilhabe blieben für alle Kinder wichtige Voraussetzungen im Kampf gegen Armut.“
Die CDU im Landtag kritisierte, bei der Einigung handele es sich nur um „eine Zusammenlegung bestehender Leistungen“: „Mit dieser Regelung wird also kein einziges Kind weniger arm“, sagte Familienexperte Jens Kamieth.