Das Gesundheitsministerium und das Robert-Koch-Institut melden einen deutlichen Anstieg der Masernfälle in NRW. Kann das gefährlich werden?
„Cluster“Masernfälle in Köln: Schon jetzt fünfmal so viele Erkrankte wie im ganzen vergangenen Jahr
Kleine rote Flecken übersäen zunächst die Mund- und Rachenschleimhaut, bald den ganzen Körper, zu trockenem Husten gesellen sich Abgeschlagenheit und hohes Fieber, manchmal auch Durchfall. Eine Maserninfektion zeigt deutliche Symptome und heilt erst nach zwei bis drei Wochen aus. Aber es kann bei der hochansteckenden Kinderkrankheit auch zu Komplikationen kommen. Noch im Jahr 2019 zählte das RKI 42 Todesfälle in Deutschland. Weltweit kommt die WHO wegen fehlender Schutzimpfungen in vielen Ländern auf 136.000 Todesfälle für das Jahr 2022. Nun meldet das Robert-Koch-Institut (RKI) einen starken Anstieg der Masernfälle für NRW. Wie ist das zu bewerten? Welche Gefahren bestehen? Wie kann man sich schützen? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Wie viele Menschen sind in diesem Jahr in NRW als masernerkrankt gemeldet worden?
Im laufenden Jahr zählt das RKI 24 Masernfälle in Nordrhein-Westfalen. Das Gesundheitsministerium NRW hat aktuellere Zahlen und kommt Stand Montag auf 26 Meldungen. Das ist ein Anteil von etwa 40 Prozent an der deutschlandweiten Zahl von 63 in diesem Jahr. NRW liegt als Bundesland an der Spitze der Masernzahlen. Nach langem Abstand folgt Berlin mit neun Fällen 2024. Sachsen-Anhalt, das Saarland sowie Mecklenburg-Vorpommern meldeten laut RKI noch keinen einzigen Fall.
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Wie viele Menschen sind derzeit in Köln und der Region erkrankt?
Für das laufende Jahr meldet das Gesundheitsamt Köln für das Stadtgebiet elf Masernerkrankte. In Düsseldorf und Leverkusen ist laut RKI jeweils ein Erkrankter bekannt. Bei den Infizierten handelt es sich nach Zahlen des Gesundheitsamtes Köln um mehrheitlich Kinder und Jugendliche. Keines der Kinder besuche eine Einrichtung. Laut RKI ist keiner der Kölner Erkrankten älter als 40 Jahre.
Ist die Zahl der Fälle besorgniserregend hoch?
Sieht man sich allein die Zahlen der vergangenen Jahre an, so ist in der Tat ein deutlicher Anstieg erkennbar. Im vergangenen Kalenderjahr beispielsweise erkrankten in NRW gerade einmal 15 Menschen an den Masern. In diesem Jahr hat man dieses Niveau also schon Ende Februar übertroffen. Allerdings waren die Zahlen in den vergangenen vier Jahren durch die Einführung des Masernschutzgesetzes und die Pandemie deutlich zurückgegangen.
Noch im Jahr 2019 zählte NRW 136 Masernfälle, im Jahr 2017 ganze 521, im Jahr 2006 sogar 1760. Verglichen damit will der Sprecher des Kinder- und Jugendärzteverbandes Jakob Maske nicht von einer dramatischen Lage sprechen. „Die Zahlen liegen deutlich über denen in den Corona-Jahren. Dennoch handelt es sich um einzelne Fälle, wir haben es nicht mit Infektionsketten zu tun“, sagt Maske. Dass die Lage im Griff zu sein scheint, könne man der Masernimpfpflicht verdanken.
Das Kölner Gesundheitsamt spricht von einem „Cluster“, weil die Infektionsketten nicht nachvollziehbar zusammenhängen. Zwar seien die Zahlen deutlich höher als in den vergangenen Jahren – 2023 zählte man in Köln zwei Fälle, 2021 drei, im Jahr 2022 gar keinen – von einem Ausbruch könne man aber nur dann sprechen, „wenn eine gemeinsame Ursache herausgefunden werden konnte“. Insgesamt stuft das Gesundheitsamt, „die Lage nicht als besorgniserregend ein, weist aber darauf hin, dass Impfungen schützen“.
Auch das Gesundheitsministerium NRW geht auf Anfrage davon aus, „dass in Deutschland die Masern nicht mehr endemisch zirkulieren“. Dies bedeute, „dass meist einzelne Fälle auftreten, bei denen die Infektion im Ausland stattgefunden hat, und die Infektionsketten schnell unterbrochen werden können“. Einem aktuellen Bericht des European Centre for Disease prevention and Control (ECDC) zufolge wurde im Jahr 2023 weltweit ein erheblicher Anstieg der Zahl der Masern-Fälle und -Ausbrüche beobachtet. Auch in Europa schnellten die Zahlen dieser Statistik zufolge vor allem in Rumänien und Österreich in die Höhe.
Wer unterliegt der Impfpflicht?
Spätestens, wenn Kinder in die Kita oder zur Tagesmutter kommen, ist ein vollständiger Masernschutz seit vier Jahren verpflichtend. Als geschützt gelten Menschen mit zweifacher Impfung oder einer belegbar durchgemachten Erkrankung. Das Masernschutzgesetz gilt für alle nach dem 31. Dezember 1970 Geborenen, die in einer Gemeinschaftseinrichtung betreut werden oder dort arbeiten. Geimpft sein müssen deshalb auch Bewohner oder Mitarbeiter in Flüchtlingsunterkünften, Krankenhäusern oder Arztpraxen.
Kann die Impfpflicht für Gemeinschaftseinrichtungen umgangen werden?
Eigentlich nicht, sagt Jakob Maske vom Kinder- und Jugendärzteverband. Allerdings sei es nachteilig, dass beispielsweise bei der Schuleingangsuntersuchung nicht an Ort und Stelle nachgeimpft würde, wenn hier ein fehlender Schutz festgestellt wird. „Ein weiterer Arzttermin ist immer eine Hürde.“ Auch Bescheinigungen einer bereits durchgemachten Infektion entsprechen nach Meinung Maskes „leider manchmal nicht der Realität“.
Das Gesundheitsministerium weist darauf hin, dass ungeimpfte Schulkinder gemeldet werden müssten, aber nicht vom Unterricht ausgeschlossen werden dürfen. Es könne aber ein Bußgeld sowohl für die Familie als auch die Einrichtung in Höhe von 2500 Euro verhängt werden.
Wie gefährlich ist eine Masernerkrankung?
Die Masern zählen zu den riskanten Kinder-Krankheiten. Jakob Maske vom Kinder- und Jugendärzteverband spricht von einer Komplikationsrate von 1 zu 300. Das bedeutet, dass jeder 300. Erkrankte Folgekrankheiten wie zum Beispiel eine Lungenentzündung, in manchen Fällen aber auch eine Gehirnentzündung entwickelt. Einer von 1000 Erkrankten stirbt nach Maskes Auskunft an den Folgen der Maserninfektion. Aber auch wenn eine Maserninfektion ohne Komplikationen verläuft, verursache sie schwere Krankheitssymptome wie hohes Fieber und Augenentzündungen. Ungeimpfte Erwachsene sind dabei genauso schwer betroffen wie Kinder.
Wie hoch ist die Ansteckungsgefahr?
Sehr hoch. Masernviren werden durch das Einatmen infektiöser Tröpfchen übertragen. Das Gesundheitsamt Köln schreibt auf Anfrage: „Nahezu jeder Kontakt zwischen einer Person ohne entsprechenden Immunschutz und einer erkrankten Person führt zu einer Ansteckung, selbst aus einigen Metern Entfernung.“
Wem wird eine Impfung gegen Masern empfohlen?
Folgt man der Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) ist eine Impfung für fast alle Menschen eine gute Idee. Kleinkinder sollten zwei Impfdosen zwischen dem ersten und dem zweiten Geburtstag erhalten. Auch Erwachsene, deren Impfstatus unklar ist, oder die jünger als 55 Jahre alt sind, rät die STIKO zu einer einmaligen Impfung. Gerade bei dieser Altersgruppe spricht das RKI von einer „Impflücke“. „Hier wurden viele nur einmal geimpft und manche haben keinen vollständigen Schutz, ohne es zu wissen“, sagt Maske. Ältere Menschen haben mit hoher Wahrscheinlichkeit in ihrer Kindheit eine Maserninfektion durchgemacht und sollten deshalb lebenslang immun sein. Bei Unsicherheiten rät Maske dennoch immer zur Impfung.
Was ist der Unterschied zwischen einer MMR- und einer MMRV-Impfung?
Die Impfung gegen Masern wird in Deutschland als Kombinationsimpfstoff verabreicht, der verhindern soll, dass Kinder und Erwachsene an Masern, Mumps oder Röteln erkranken. Es handelt sich um einen abgeschwächten Lebendimpfstoff. Seit 2006 kann auch ein Impfstoff gewählt werden, der zusätzlich eine Impfkomponente gegen Windpocken (Varizellen) beinhaltet.
Wie effektiv ist die Impfung?
Das RKI gibt an, dass 92 Prozent aller Geimpften bereits nach der ersten Impfung eine Immunität entwickeln. Nach der zweiten Impfung, die keinen Booster darstellt, sondern nur die Immunitätslücke schließen soll, ist das bei 98 bis 99 Prozent aller Geimpften der Fall. Die Wirksamkeit der Impfung gilt damit als hoch. Das zeigen auch die Zahlen des Gesundheitsministeriums NRW. Bei keinem der Masernfälle aus diesem Jahr habe ein vollständiger Impfschutz vorgelegen.
Wie hoch ist die Masern-Impfquote in NRW?
Das Gesundheitsministerium spricht davon, dass die angestrebte Rate von 95 Prozent erreicht werde. „Ab diesem Wert wird die Verbreitung des Virus in der Bevölkerung effektiv unterbrochen.“
Ist nach Corona eine Impfmüdigkeit zu spüren?
Im Epidemiologischen Bulletin 48/2022 des RKI schreibt man dem Corona-Virus „keinen negativen Effekt auf die bundesweite Inanspruchnahme der Routineimpfungen bei Kindern und Jugendlichen“ zu. Im Gegenteil habe sich „das Masernschutzgesetz nach seinem Inkrafttreten im Jahr 2020 positiv auf die Inanspruchnahme der Masernimpfung bei Kleinkindern ausgewirkt“.