Das St. Marien-Hospital bietet im Rahmen eines Modellprojektes einen fließenden Wechsel zwischen ambulanter und stationärer Behandlung an.
Modell für ganz NRWProjekt in Hamm will die Psychotherapie modernisieren
Dennis ist 26 Jahre alt, Alkohol- und Cannabisabhängig und seit zwei Wochen in der Tagesklinik des St. Marien-Hospitals in Hamm. Es sei bereits sein dritter Versuch, erzählt er, bisher habe er die Behandlungen immer nach einem Erstgespräch abgebrochen. Auslöser der Sucht war der Tod seines Vaters vor zwei Jahren. Der Vater hatte selbst ein Alkoholproblem, nach seinem Tod rutschte Dennis dann auch in die Sucht. „Eigentlich hätte es bei mir ‚klick‘ machen müssen“, bedauert er. Stattdessen trank er immer häufiger und vernachlässigte zunehmend soziale Kontakte.
Heute ist Dennis Teilnehmer eines Modellprojekts, das den langfristigeren Erfolg von Suchttherapie sichern soll. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) besuchte am Freitag das St. Marien-Hospital. Er sieht in dem Projekt Chancen für eine Veränderung der Psychiatrie und Suchttherapie in ganz Nordrhein-Westfalen.
Modellprojekt soll langfristig Behandlungserfolg sichern
„Integrative Psychiatrie Hamm“ nennt sich das Modellprojekt für Suchttherapie, an dem Dennis mit 13 weiteren Patienten teilnimmt und das seit 2022 läuft. Im Rahmen des Projekts versuche die Psychiatrie auf die lange stationäre Behandlung der Klienten möglichst zu verzichten, erklärt Chefarzt Professor Marcel Sieberer. Stattdessen seien in der Behandlung fließende Wechsel zwischen allen Behandlungsformen möglich – also stationär, ambulant, tagesklinisch oder in Form von Hausbesuchen. Alle Behandlung werden von demselben Team durchgeführt. Durch die Betreuung in einer Tagesklinik können die Klienten während der Behandlung in ihrem sozialen Umfeld bleiben: Sie sind tagsüber zur Therapie in der Tagesklinik und verbringen den Rest des Tages in ihrem gewohnten Umfeld.
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Zudem solle das Projekt dafür sorgen, dass die Patienten sich auf ein festes Team aus Psychotherapeuten und Pflegekräften verlassen können – anstatt bei einem Wechsel der Behandlungsform ihre Suchtgeschichte immer wieder neu erzählen zu müssen, erklärt der Geschäftsführer des St. Marien-Hospitals, Thomas Tiemann. Das verspreche einen ganz anderen Behandlungserfolg.
Dennis fährt morgens um acht Uhr zur Klinik. Jede Woche muss er eine Urinprobe abgeben, um einen Rückfall auszuschließen. In der Klinik nimmt er beispielsweise an der Gruppentherapie und Sportprogrammen teil. Er wohnt in einer Bedarfsgemeinschaft mit Freunden, fährt nach seinem Programm wieder nach Hause und kümmert sich dort um Hausarbeit oder unternimmt etwas mit Freunden. „Ich brauche einfach einen festen Tagesrhythmus“, so Dennis. Dadurch falle es ihm leichter, nicht in alte Verhaltensmuster zurückzufallen.
Laumann sieht Perspektive für ganz NRW
Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann scheint das Konzept zu gefallen: Noch in diesem Jahr möchte er mit Vertretern der Psychiatrien und Krankenkassen in den Austausch treten, um das Modell der Tageskliniken stärker in die Regelversorgung von Psychiatrien zu bringen. „Wenn wir die Psychiatrie neu erfinden würden, würden wir sie sicherlich nicht so bauen, wie sie heute ist“, sagt Laumann. Wenn man jetzt aber alle Beteiligten an einen Tisch bringe, habe man die Chance, das Gesundheitswesen nachhaltig zu verändern. In der geplanten Krankenhausreform des Bundesgesundheitsministers Lauterbach sind Änderungen bei den Psychiatrien bisher nicht vorgesehen.
Auch für die Krankenkassen, die das Projekt mitfinanzieren, sind die Tageskliniken vielversprechend. Sie können auf weniger Bürokratie und bessere Erfolge in der Suchtbehandlung hoffen. Die sektorübergreifende Behandlung – das Angebot von stationärer, teilstationärer, ambulanter Pflege und Hausbesuchen an einem Krankenhaus – sei ganz klar die Zukunft, betont Thomas Fritz, Unternehmensbereichsleiter Krankenhäuser und Rehabilitation bei der AOK Nordwest.
Dennis ist überzeugt, mit der Behandlung seine Sucht langfristig in den Begriff bekommen zu können. Nächste Woche will er einen Antrag für eine stationäre Langzeittherapie stellen, anschließend möchte er eine Ausbildung zum IT-Spezialisten anfangen. „Das Leben macht wieder viel mehr Spaß, man hat einfach Lust, mehr zu machen“, sagt Dennis.