Nathanael Liminski ist einer der engsten Vertrauen von Wüst. Viele trauen ihm eine große Karriere zu – falls es ihm gelingt, sein Image loszuwerden.
Wie tickt Nathanael Liminski?Er gilt als „Kronprinz“ von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst
Vom Elternhaus in Hangelar war Nathanael Liminski fast eine Stunde lang mit der Stadtbahn unterwegs, ehe er das Collegium Josephinum in Bonn-Auerberg erreichte. Später, in der Oberstufe, kam er mit einem schwarzen Renault Clio, den er mit weißen Rallye-Streifen verziert hatte. „Auf die Fahrertür habe ich eine große weiße Acht aufgeklebt, weil ich das achte Kind in unserer Familie bin“, erzählt Liminski und schmunzelt. An der Beifahrerseite sei eine Neun zu sehen gewesen. Warum? „Weil ich meinen kleinen Bruder oft mitgenommen habe.“
Liminski wurde regelmäßig bei Verkehrskontrollen von der Polizei angehalten
Wer hätte das gedacht? Der Chef der Düsseldorfer Staatskanzlei, der zugleich Europa- und Medienminister der schwarz-grünen Landesregierung ist, war als junger Mann in einem etwas aufgemotzten Kleinwagen unterwegs. „Die Optik hat die Polizei offenbar dazu veranlasst, mich bei Verkehrskontrollen regelmäßig anzuhalten, auch wenn ich nicht zu schnell unterwegs war“, erinnert sich der CDU-Politiker. Lange her. Vor wenigen Minuten ist Liminski seinem Dienstwagen entstiegen, einem komfortablen, aber eher langweiligen, grauen 7er-BMW. Der Fahrer wurde angewiesen, diskret auf dem Lehrerparkplatz an der Seite neben dem Schulhof anzuhalten, aber die Ankunft der Karosse ist natürlich trotzdem nicht unbemerkt geblieben. Vor zwanzig Jahren hat Liminski am Collegium Josephinum Abitur gemacht. Jetzt ist er an seine alte Wirkungsstätte zurückgekehrt, um mit Schülern der katholischen Jungen-Schule über die Europawahl zu diskutieren. Für den Minister es ein besonderer Termin. Die Schulluft erneut zu schnuppern, weckt Erinnerungen. Vieles sieht noch so aus wie früher, auch manche Lehrer sind noch da und freuen sich auf den Ex-Schüler, der es in jungen Jahren schon zu Prominenz gebracht hat. „Dass Nathanael in der Politik eine steile Karriere hingelegt hat, wundert mich nicht“, verrät Thomas Wilbert, Liminskis Leistungskurslehrer in Geschichte, auf dem Weg zur Diskussion. Er sei „schon als Schüler sozial engagiert, eloquent und diskussionsfreudig“ gewesen.
Heute zählt Liminski zu den mächtigsten Politikern der Landesregierung von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Als Chef der Staatskanzlei ist er für die Ressortabstimmung zuständig. Er moderiert die Konflikte in der Koalition, sagt im Zweifel, wo es lang geht. Liminski gehört zu den engsten Vertrauten von Wüst, auf der Regierungsbank stecken sie regelmäßig ihre Köpfe zusammen. Sollte der Ministerpräsident – vielleicht als Kanzlerkandidat der CDU – nach Berlin gehen, könnte Liminski der „Kronprinz“ in NRW sein, heißt es in Unions-Kreisen.
Früher Redenschreiber für Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg
In der Schulbibliothek sind alle Stuhlreihen besetzt. Der Europaminister stellt sich selbst kurz vor. Er habe als Redenschreiber angefangen, unter anderem für den früheren Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Armin Laschet habe ihn 2014 nach Düsseldorf geholt und sei „so verwegen und auch mutig gewesen, nach dem Regierungswechsel einen 31-Jährigen 2017 zum Chef der Staatskanzlei zu machen“. Das sei eine spannende Position, im Getriebe der Regierung sei seine Aufgabe, „den Sand rausholen und Öl reingeben“. Als Regierungskoordinator habe er den Anspruch an sich, Konflikte zum Besten für Land und Leute zu lösen. „Dafür steige ich gerne morgens früh ins Auto und abends spät wieder aus“, sagt Liminski.
Dass er überhaupt noch in Düsseldorf ist, war eigentlich so nicht vorgesehen. Wäre der frühere NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) 2021 Bundeskanzler geworden, hätte er Liminski wohl als Kanzleramtsminister mit nach Berlin genommen. Aber dann wurden im Wahlkampf viele Fehler gemacht, Laschet scheiterte, und der Wechsel nach Berlin fiel für Liminski ins Wasser. Die beiden stehen heute noch in engem Kontakt, und Laschet ist voll des Lobes über seinen früheren Top-Vertrauten. „Wenn es unterschiedliche Positionen der Ministerien gab, hat Nathanael Liminski als Chef der Staatskanzlei vermittelt und Konflikte aufgelöst – mit hoher fachlicher Kompetenz, politischem Gespür und rheinischem Humor“, sagt Laschet heute. „Bei manchem Chaos in der Ampel-Regierung denke ich oft: Das wäre Nathanael nicht passiert“, sagt Laschet.
Nathanael Liminski: Als „Schliminski“ verulkt
2014 waren in der CDU nicht alle davon überzeugt, dass es eine gute Idee sein würde, Liminski nach Düsseldorf zu holen. In der Faktion wurde er als „Schliminski“ verulkt, was sich auf einen Auftritt in Sandra Maischbergers Talkshow im Jahr 2007 bezog. Damals ging es um die Frage. „Keuschheit statt Porno – brauchen wir eine neue Sexualmoral?“ Liminski gehörte damals der „Generation Benedikt“ an, einer Gruppe von konservativen jungen Katholiken. Der damals 22-Jährige sagte, er wolle auf Sex vor der Ehe verzichten. Der Auftritt wird bis heute als Beleg für die angeblich erzkatholische Grundhaltung des Politikers herangezogen. Der Spott, Liminski sei „heiliger als der Papst“, hält sich bei seinen Gegnern hartnäckig – zumal sein verstorbener Vater, der Publizist Jürgen Liminski, dem Laienbündnis „Opus Dei“ angehörte.
Liminskis Büro in der Düsseldorfer Staatskanzlei ist eher klein und unprätentiös. „Das Weihwasserbecken haben wir extra für sie gerade noch abgebaut“, sagt er selbstironisch zur Begrüßung. Neben dem Bildschirm stehen ein schwarzer Schlumpf, ein Clown mit Aktentasche, der auf seine Armbanduhr blickt – und ein Esel. „Ich mag Esel, weil die so ausdauernd sind. Den Tick habe ich von meinem Vater“, sagt Liminski.
Der Minister bittet in seine Sitzgruppe. Er trägt ein weißes Hemd, ohne Krawatte, und verschränkt die Arme hinter dem Kopf. Ja, die Sache mit Maischberger, war ja klar, dass das Thema wieder zu Sprache kommen würde, sagt Liminski. Vor einigen Jahren sei ein Journalist in sein Büro gekommen, um ihn mit einer vermeintlichen Enthüllung zu konfrontieren. „Der sagte, er habe herausgefunden, dass mein erster Sohn zwei Jahre vor der Hochzeit zur Welt gekommen ist“, sagt Liminski. „Aber das war keine Sensation, ich hatte damals Elternzeit genommen und die spätere Hochzeit ja selbst in sozialen Netzwerken bekannt gegeben.“ Er habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass das Leben dann anders gelaufen sei als in der Talkshow angekündigt. Über diese private Episode zu erzählen, geht recht locker über die Lippen.
„Liminski ist ein Familienmensch“
Heute hat der Chef der Staatskanzlei vier Kinder. „Nathanael Liminski ist ein absoluter Familienmensch“, sagt Paul Ziemiak. Der Generalsekretär der NRW-CDU zählt zu den engen Freunden der Familie, die beiden Christdemokraten sind wechselseitig Taufpaten ihrer Kinder. „Viele Politiker in seiner Position reden meist schon über ihre Enkel, wenn es um Kinder geht. Nathanael Liminski hat als Vater von vier kleineren Kindern eine andere Perspektive“, sagt Ziemiak.
Aus dem Büro weiß man: Morgens steht der Minister vor sechs Uhr auf, kümmert sich um die Brotdosen der Kinder. Die Familie ist in Düsseldorf verwurzelt, sein Sohn spielt Fußball, so wie der Vater früher. Liminski war Torwart beim VfR Hangelar. Den Kasten sauber halten, weite Abschläge, damit man in die Offensive kommt. „Das versuche ich auch in der Politik umzusetzen“, sagt der Strippenzieher.
Aber wie weit kommt Liminski? „Nathanael Liminski besitzt zweifellos das Rüstzeug für noch höhere Aufgaben“, sagt Henning Höne, Fraktionschef der FDP im Landtag. Als er bei der Landtagswahl 2022 in Köln-Ehrenfeld antrat, erhielt er allerdings nur 13,8 Prozent. Da ist also noch Luft nach oben. „Mit der steigenden Zahl derer, die mich tatsächlich kennen, werden Vorurteile und Projektionen abgebaut.“ Dies sei eine „positive Entwicklung“. Er setzt darauf, dass bei Kritikern vorhandene Störgefühle sich mit der Zeit auflösen.
Trauerkarte erinnert an Clement
Jochen Ott, der Vorsitzende der SPD-Fraktion, hat einen guten Draht zum Chef der Staatskanzlei. Liminski sei aus der Rolle „des Schattenmanns von einst“ herausgetreten, sagt der Kölner. Seine Rolle bei der Besetzung der OVG-Präsidentenstelle werde noch aufzuklären sein. Die Opposition unterstellt, Liminski habe dabei mitgeholfen, eine langjährige Lobbyistin des katholischen Büros in Berlin auf einen Top-Posten zu hieven, obwohl es bessere Bewerber gegeben habe.
Liminski blickt von seinem Schreibtisch auf den Rhein. Auf der Fensterbank stehen zwei Trauerkarten – eine erinnert an den Tod des Vaters, die andere an den SPD-Politiker und ehemaligen Chef der Staatskanzlei Wolfgang Clement. Beide sind in gegenüber liegenden Gräbern auf dem Friedhof in Bonn-Plittersdorf beerdigt worden. „Ein kurioser Zufall“, sagt Liminski. „Aber es passt: Beide waren durch und durch Journalisten und Familienmenschen.“
Beobachter halten es durchaus für möglich, dass es noch weitere Analogien gibt. Clement war einer der Vorgänger von Liminski als Chef der Staatskanzlei. Als Johannes Rau 1998 abtrat, übernahm der lange als „Kronprinz“ gehandelte Clement seinen Posten – und wurde Ministerpräsident.