Der Kreis behauptet, die Bundespolizei habe darum gebeten, missbräuchlichen Anträgen stattzugeben. Doch die Ermittler betonen erneut: Das stimme nicht.
Schleuser-SkandalErmittler widersprechen Rhein-Erft-Kreis
Unberechtigte Aufenthaltstitel seien nur mit Wissen der Bundespolizei erteilt worden, hatte der Rhein-Erft-Kreis dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ über einen Anwalt mitteilen lassen. Ein Mitarbeiter des örtlichen Ausländeramtes sei im Zusammenhang mit den Ermittlungen zum sogenannten Luxus-Schleuser-Verfahren von der Bundespolizeiinspektion ausdrücklich gebeten worden, das Verfahren nicht als Grundlage für ausländerrechtliche Entscheidungen zu nehmen. Damit sollte kein Hinweis auf das Strafverfahren geliefert werden, um die Ermittlungen nicht zu gefährden.
„So sind bereits erteilte Aufenthaltsgenehmigungen in Zweifelsfällen verlängert worden – aber in regelmäßiger Absprache und auf Aufforderung der Bundespolizei, um die Ermittlungen nicht zu gefährden“, ergänzte Kreissprecher Thomas Schweinsburg wörtlich.
Rechtsbruch auf Aufforderung der Bundespolizei?
Rechtsbruch auf Aufforderung der Bundespolizei? Und das soll im deutschen Rechtsstaat möglich und tatsächlich so gelaufen sein? Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat die Angaben des Rhein-Erft-Kreises überprüft. Ein Sprecher der Abteilung für Organisierte Kriminalität bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf, die das Verfahren mit der Soko „Investor“ der Bundespolizei führt, konnte die Angaben aus Rhein-Erft bereits im Juli auf Anfrage unserer Zeitung „nicht bestätigen“. Auf ergänzende Nachfrage teilte er mit, dass der vom Kreis dargestellte Sachverhalt „nicht zutreffend“ sei.
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Jetzt hat die Behörde der Ermittler noch einmal nachgelegt. Auf Anfrage einer Landtagsfraktion hatte sich zunächst das nordrhein-westfälische Justizministerium mit dem Vorgang beschäftigt. In dessen Stellungnahme wird die Leitende Oberstaatsanwältin in Düsseldorf zitiert. Die Juristin bestätigte den vom „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichteten Sachverhalt, dass „Bedienstete des Ausländeramtes des Rhein-Erft-Kreises mit den Ermittlungsbehörden kooperiert und zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen“ haben.
Staatsanwaltschaft: Zu Unrecht erteilte Aufenthaltsgenehmigungen sollten nicht verlängert werden
Vor allem betonte die Oberstaatsanwältin aber, wie es in der Drucksache 18/10481 des NRW-Landtages heißt: „Die Bediensteten seien gebeten worden, bei der Antragsprüfung die bloße Existenz des Ermittlungsverfahrens unberücksichtigt zu lassen, um den Untersuchungszweck nicht zu gefährden. Die ermittelnden Polizeibehörden haben dem Randbericht des Generalstaatsanwalts in Düsseldorf vom 08.08.2024 zufolge zu keinem Zeitpunkt bei den Ausländerämtern darauf hingewirkt, missbräuchlichen Anträgen stattzugeben oder bereits zu Unrecht erteilte Aufenthaltsgenehmigungen zu verlängern.“
Schon im Juni hatte die Düsseldorfer Oberstaatsanwältin auf eine andere parlamentarische Anfrage mitgeteilt, dass „beim Rhein-Erft-Kreis der Verdacht besteht, dass einzelne Mitarbeiter des dortigen Ausländeramtes Aufenthaltserlaubnisse in Kenntnis des Umstandes erteilt haben, dass die eingereichten Antragsnachweise inhaltlich unzutreffend waren“. Anhaltspunkte dafür, dass die Mitarbeitenden für ihre Handlungen „finanzielle Gegenleistungen erhalten haben“, gebe es derzeit jedoch nicht, hieß es etwa zwei Monate später in einer ergänzenden Mitteilung.
Dubiose und teils mutmaßlich kriminelle Kontakte
Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ wollte wissen, wie die Verantwortlichen des Rhein-Erft-Kreises die Aussagen der Staatsanwaltschaft kommentieren. Handelt es sich lediglich um ein Missverständnis oder wird der Kreis jetzt juristisch gegen die Behörde vorgehen? Etwa eine Unterlassungsklage einreichen, bei deren Erfolg die Ermittler ihre Aussagen nicht mehr wiederholen dürften? Der Rhein-Erft-Kreise könne „mit Rücksicht auf das laufende Verfahren“ derzeit „keine weitere Stellungnahme abgeben“, teilte ein Anwalt der Kommune knapp mit. „Zur Aufklärung des Sachverhalts“ stehe man „im Austausch mit der Staatsanwaltschaft“.
Die Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ haben in den vergangenen Monaten dubiose und teils mutmaßlich kriminelle Kontakte der führenden Köpfe der Schleuser-Bande mit Politikern und Verwaltungsmitarbeitern in NRW-Kommunen öffentlich gemacht. Neben Düren, Solingen, Kerpen ist auch der Rhein-Erft-Kreis betroffen. Die mutmaßliche Schleuserbande soll wohlhabenden Menschen aus China und dem Oman eine Aufenthaltserlaubnis für Deutschland beschafft haben. Im Einzelfall sind dafür bis zu 350.000 Euro geflossen, so die Staatsanwaltschaft. Die Polizei hatte in diesem Zusammenhang im April bei einer Razzia Wohnungen in acht Bundesländern durchsucht.
Auch gegen einen altgedienten CDU-Politiker wird in Rhein-Erft ermittelt
Die Ermittler gehen dem Verdacht nach, dass die mutmaßlichen Schleuser auch Amtsträger in Behörden bestochen haben könnten, um sicherzustellen, dass ihre Klienten aus dem Ausland die gewünschte Aufenthaltserlaubnis erhielten. Die Ermittlungen wurden nach Angaben der Staatsanwaltschaft bereits 2020 aufgenommen, die Taten sollen sich teilweise bereits in den Jahren 2016/2017 ereignet haben.
Im Rhein-Erft-Kreis gehen die Ermittler zudem dem Verdacht nach, ob ein altgedienter CDU-Politiker im Auftrag des Anwalts und mutmaßlichen Banden-Chefs Claus Brockhaus auf Entscheidungsträger der Verwaltung eingewirkt hat, um Aufenthaltsgenehmigungen gegen den Widerstand einer Mitarbeiterin im Ausländeramt durchzudrücken. Telefonüberwachungsprotokolle, die der „Kölner Stadt-Anzeiger“ einsehen konnte, belasten den Politiker. Sein Anwalt betont indes, dass sein Mandant nichts von illegalen Schleusergeschäften gewusst habe. Bis zu einer Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung.
Mitarbeiterin des Ausländeramtes bemerkte den Betrug der Antragsteller
Die Sachbearbeiterin jedenfalls witterte einen Schwindel hinter den Anträgen der reichen und überwiegend aus China stammenden Mandanten des Kölner Rechtsanwaltes Brockhaus, die sich mit mutmaßlich falschen Legenden, Wohnadressen und Papieren einen Aufenthaltstitel in Deutschland erschleichen wollten. Nach Recherchen unserer Zeitung kooperierte die Verwaltungsmitarbeiterin mit der Bundespolizei und ordnete unter anderem Hausbesuche ihrer Behörde an, bei denen keiner der angeblich im Kreis wohnenden Migranten angetroffen wurde.
Letztlich wechselte die Frau auf eigenen Wunsch in eine andere Abteilung auf eine besser bezahlte Stelle. Das Thema war offenbar vom Tisch. Dem Vernehmen nach argumentiert die Behörde heute, damals habe es letztlich keine gerichtsfesten Beweise dafür gegeben, dass die chinesischen Migranten Scheinadressen benutzten.