AboAbonnieren

Interview

Chef der NRW-SPD zu Stahlindustrie und E-Mobilität
<br>Achim Post: E-Volkswagen soll weniger als 25.000 Euro kosten

Lesezeit 6 Minuten
Achim Post ist Co-Vorsitzender der NRW-SPD, beim Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Achim Post, Co-Vorsitzender der NRW-SPD, im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Achim Post ist Optimist: Wie er die Hälfte der AfD-Wähler zurückgewinnen will und warum Bärbel Bas nach seiner Enschätzung eine ebenbürtige Konkurrentin von Friedrich Merz ist.

Herr Post, nach seinem Verzicht auf die Kanzlerkandidatur steht fest, dass Hendrik Wüst NRW als Ministerpräsident noch länger erhalten bleibt. Ist das für die Strategie der NRW-SPD gut oder schlecht?

Achim Post: Wüst hat den Machtkampf gegen Merz verloren. Und das wurmt Wüst. Denn Merz ist das parteiinterne Gegenmodell von Wüst. Er hat die „Ära Merkel“ in der CDU beendet, schließt eine Zusammenarbeit mit den Grünen de facto aus und drängt die CDU nach rechts.

Aber mir war klar, dass Wüst gegen Merz keine Chance haben würde. Nachdem der Machtkampf verloren ist, ist die Zeit der Showauftritte vorbei. Wüst muss jetzt in NRW liefern. Die Missstände an Kitas und Schulen sind ja offensichtlich. Wir kümmern uns um die Probleme der berufstätigen Familien, die die Landesregierung verursacht – Wüst lässt die Familien im Stich.

Post über Merz: „Er vertritt ein Gesellschaftsbild von gestern“

Lars Klingbeil hat angedeutet, die SPD habe sich auf den Wahlkampf gegen Friedrich Merz seit Wochen gut vorbereitet. Hat die SPD Material über Merz in der Hinterhand, das ihn zu Fall bringen könnte?

Wenn das so wäre, würde ich es jetzt nicht kundtun. Fest steht, dass wir einen Richtungswahlkampf erleben werden, der sich gewaschen hat. In der Wirtschaftspolitik und in Sozialstaatsfragen steht Merz für einen komplett anderen Kurs als die Merkel-CDU. Er steht an der Seite der Marktradikalen, will die Rente mit 69 einführen und vertritt ein Gesellschaftsbild von gestern. Das werden wir deutlich machen. Es ist doch klar, dass es von allen Seiten Zuspitzungen geben wird.

Woher nimmt die SPD den Optimismus, Merz schlagen zu können?

Wir leben in einer Zeit, die von zwei Kriegen in der Nachbarschaft geprägt ist. Wir werden im Wahlkampf auch über eine aktive Wirtschaftspolitik und die Zukunft des Sozialstaats reden.

Die Menschen wünschen sich einen Bundeskanzler, der besonnen und reflektiert handelt, und kein HB-Männchen. Es ist ja ganz offensichtlich, dass Merz seine Impulse nicht im Griff hat. Mit seinem ungezügelten Populismus ist Merz selbst sein größter Gegner. In Berlin weiß jeder, dass Merz ein politischer Falschspieler ist. Er hat das Scheitern des Migrationsgipfels zu einem Zeitpunkt durchstechen lassen, als die Gespräche noch liefen.

Im Kampf gegen rechts haben Sie immer wieder den Zusammenhalt der Demokraten angemahnt. Wie groß ist Ihre Aversion gegen eine Große Koalition?

Ich bin immer für das Regieren und habe deshalb in der Vergangenheit auch immer mit guten Argumenten für die GroKo geworben. Wir werden ja sehen, welche Möglichkeiten sich aus dem Wahlergebnis ergeben. Merz wird jedenfalls größere Probleme haben, Mehrheiten zu bilden als wir. Mit den Grünen kann er nicht. Und er tut alles dafür, die FDP zu marginalisieren.

„Ich gehe davon aus, dass man die Hälfte der AfD-Wähler mit einer klaren Politik zurückgewinnen kann, die die sozialen Probleme in den Kommunen löst“

In Ostdeutschland hat die AfD die Landtagwahlen gewonnen, auch im Ruhrgebiet laufen ehemalige SPD-Stammwähler zur AfD über. Rechnen sie damit, dass die AfD auch in NRW dauerhaft zweistellig wird?

Wir können das verhindern, indem wir die Probleme bei der irregulären Migration lösen und dem Thema durch bessere Integration damit die Aufmerksamkeit entziehen.

Das Maßnahmenpaket der Bundesregierung mit einer Verstärkung der Grenzkontrollen und gezielte Abschiebungen zeigt Wirkung, denn die Zahl der Asylanträge sinkt derzeit spürbar – ohne, dass wir das Grundrecht auf Asyl antasten. Der größte Anteil der AfD-Sympathisanten sind Protestwähler, keine Rechtsextremen. Ich gehe davon aus, dass man von ihnen mindestens die Hälfte mit einer klaren Politik zurückgewinnen kann, die die sozialen Probleme in den Kommunen löst.

Der Fall Solingen wirft ein Schlaglicht darauf, dass Länder wie Bulgarien die EU-Abkommen zur Rücknahme von Flüchtlingen absichtsvoll unterlaufen.

Ja, das muss Konsequenzen haben. Deutschland ist die größte Volkswirtschaft in der EU und stellt die Kommissionspräsidentin. Wir müssen unseren Einfluss besser geltend machen und zum Beispiel Koppelgeschäfte schließen. Staaten, die sich nicht an Vereinbarungen halten, muss man notfalls den Geldhahn abdrehen. Das ist das wirksamste Mittel, wie wir am Beispiel von Ungarn gesehen haben.

NRW hat Thyssenkrupp 700 Millionen Euro für die Umstellung auf grünen Stahl gegeben, jetzt stehen trotzdem tausende von Jobs auf der Kippe. Muss jetzt der Bund Geld noch mehr nachschießen?

Es rächt sich jetzt, dass Schwarz-Grün das Geld locker gemacht hat, ohne dafür Standortgarantieren oder sogar nur einen Sitz im Aufsichtsrat zu verlangen. Wir wollen die Jobs sichern, aber mehr Geld wird es nur geben, wenn klare Bedingungen erfüllt werden. Olaf Scholz hat betont, wie wichtig die Stahlproduktion im Ruhrgebiet für ganz Deutschland ist. Der Einstieg des Staates in die Meyer Werft in Papenburg zeigt, dass der Bund bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Die SPD wird alles unternehmen, um auch die Jobs in Duisburg zu sichern.

Stahlproduktion und Thyssenkrupp: Förderprogramme für den Kauf von E-Autos wieder auflegen

Wie stellen Sie sich das vor?

Klar ist, dass wir uns dabei nicht wie Hendrik Wüst und Mona Neubaur über den Tisch ziehen lassen. Thyssenkrupp muss bereit sein, bestimmte Bedingungen zu erfüllen. Gleichzeitig ist es wichtig, die Rahmenbedingungen für die Stahlproduktion in Deutschland zu verbessern. Dabei reden wir nicht nur über verbilligten Strom durch einen Industriestrompreis und vergünstigte Netzentgelten. Es kommt darauf an, jetzt die Nachfrage nach Stahl deutlich anzukurbeln.

Was meinen Sie damit?

Die Krise beim Stahl hängt vor allem mit der Absatzkrise in der Autoindustrie zusammen. Wir müssen die Nachfrage nach Stahl ankurbeln. Hier ist der Wirtschaftsminister am Zug, indem er die staatlichen Förderprogramme für den Kauf von E-Autos wieder auflegt. Das würde einen deutlichen Schub geben. Auch die Ladeinfrastruktur muss endlich deutlich attraktiver werden. Ich werbe zudem dafür, dass deutsche Hersteller einen „E-Volkswagen“ anbieten, der unter 25.000 Euro kostet. Die Autobauer haben dieses Segment kampflos asiatischen Herstellern überlassen – das war ein schwerer Fehler.

Sie wollen 2025 nicht mehr für den Bundestag kandidieren. Hat Sie dafür der Dauerstreit in der Ampel mürbe gemacht?

Keineswegs. Im Gegenteil, Streit spornt mich umso mehr an, Probleme zu lösen. Ich möchte künftig mehr Zeit mit der Familie verbringen.

Sie sollen als MdB in der NRW-Parteiführung die Brücke nach Berlin schlagen. Bleiben Sie Landesschef, wenn Sie diese Rolle künftig nicht mehr ausüben können?

Ja, das habe ich vor. Ich bin ja auch stellvertretender Bundesvorsitzender, und ich bleibe in Berlin eng verdrahtet. Daran wird der Rückzug aus dem Bundestag nichts ändern.

Sie führen die NRW-SPD als Team, in der die Landtagfraktion, die Oberbürgermeister und die Landesgruppe der Abgeordneten in Berlin eingebunden sind. Was hielten sie davon, Bärbel Bas, die Bundestagspräsidentin aus Duisburg, 2027 gegen Wüst ins Rennen zu schicken?

Ich schätze Bärbel Bas sehr, und sie hat ohne Frage das Zeug dazu, NRW für die SPD zurückzuerobern. Aber sie ist eine von mehreren guten Möglichkeiten. Die Entscheidung steht jetzt nicht an. Aber Sie können sicher sein, dass wir eine gute Lösung finden werden.