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Kölner Politikerin Serap Güler über Wahl in der Türkei„Die Chance, Erdogan zu schlagen, war nie so gut wie heute“

Lesezeit 5 Minuten
Serap Güler

Die CDU-Politikerin Serap Güler

Die CDU-Politikerin spricht im Interview über die Wahl in der Türkei, rote Linien im Ukraine-Krieg und Spekulationen um eine OB-Kandidatur in ihrer Heimatstadt.

Seit Donnerstag können 500.000 Türken in NRW ihre Stimme für die Präsidentschaftswahlen in der Türkei abgeben. Die Kölner CDU-Politikerin Serap Güler sieht gute Chancen, dass der Staatspräsident Recep Erdogan beim Urnengang am 14. Mai von der Macht verdrängt wird. Die Nachrichten über dessen Gesundheitszustand dürften viele Wähler verunsichern, glaubt die Bundestagsabgeordnete, die im Auswärtigen Ausschuss Politik macht. Im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine warnt Güler davor, rote Linien zu ziehen, etwa bei der Lieferung von Bundeswehr-Kampfjets. Spekulationen, dass Güler Interesse an einer OB-Kandidatur für die CDU haben könnte, wies die 42-Jährige zurück. Sie will über 2025 hinaus im Bundestag Politik machen.

Der Präsidentschaftswahlkampf in der Türkei läuft auch in NRW. Befürchten Sie, dass es dabei zu extremistischen Äußerungen kommt?

Das ist nicht auszuschließen. Die Frage ist aber, ob die Öffentlichkeit das überhaupt mitbekommt. Denn: Die AKP hat dazugelernt. Mittlerweile versucht die Partei, in Deutschland unter dem Radar der medialen Wahrnehmung zu bleiben. So kann die Partei ihre fragwürdigen Botschaften ungestört in der türkischen Community verbreiten.

Wir groß sind die Chancen von Präsident Erdogan, wiedergewählt zu werden?

Die Chancen der Opposition, Erdogan zu schlagen, waren noch nie so gut wie heute, weil die großen Oppositionsparteien sich in einem Sechserbündnis zusammengetan haben. Die in Deutschland weit verbreitete Annahme, dass das Erdbeben dem Präsidenten massiv schadet, teile ich so aber nicht. Das scheint mir Wunschdenken zu sein.

Warum?

Ich habe in der vergangenen Woche das Erdbebengebiet besucht und mit vielen Menschen gesprochen. Natürlich gibt es viele, die Erdogan die Verantwortung für die Baumängel zu schreiben, die zum Einsturz von relativ neuen Gebäuden geführt haben. Aber andere sagen, es wäre falsch, in der Krisensituation einen unerfahrenen Politiker an die Spitze zu wählen. Ein Oppositionspolitiker sagte mir, das Krisenmanagement der Regierung sei nicht zu kritisieren. Ob das stimmt, kann ich aus der Ferne nicht beurteilen.

Erdogan hat offenbar gesundheitliche Probleme. Beeinflusst das die Wähler?

Wenn, dann eher negativ für ihn. Erdogan hat ein Live-Interview abbrechen und mehrere Wahlkampfveranstaltungen absagen müssen. Das lässt die Vermutung zu, dass es sich hier nicht um eine einfache Erkältung handelt, sondern schon etwas Ernsteres ist. Das wird viele Wähler verunsichern, da es keinen zweiten Mann der AKP gibt. Oppositionsführer Kilicdaroglu macht Wahlkampf im Team, zum Beispiel zusammen mit dem Oberbürgermeister aus Istanbul, der ja im Falle eines Wahlsiegs der Oppositionspartei CHP Vizepräsident werden soll. Das Team von Erdogan besteht nur aus ihm selbst.

Wie kann NRW den Erdbebenopfern am besten helfen?

In vielen Regionen gibt es seit dem 6. Februar keine Schule und keine Kitas mehr. Die Gebäude sind eingestürzt, viele Pädagoginnen und Pädagogen sind ums Leben gekommen. Wir sollten daher zum Beispiel über Schulpatenschaften nachdenken, um den Kindern den Zugang zu Bildung so schnell wie möglich zu ermöglichen. Wir müssen uns zudem klar werden, dass viele zehntausend Kinder Waisen geworden sind. Sie müssen unterstützt und betreut werden.

Kampfjet-Lieferungen an die Ukraine sollen kein Tabu sein

Wie kann das funktionieren?

Viele Kommunen in NRW verfügen über das Knowhow, um soziale Projekte aufzuziehen. Es wäre daher richtig, wenn jetzt neue Partnerschaften zwischen Städten in NRW und Städten im Erdbebengebiet entstehen würden. Eine konkrete Zusammenarbeit bietet viele Chancen. In Köln gibt es zum Beispiel das Projekt des Netzwerks ISS, eine mehrsprachige Kita nach europäischem Standard in Hatay aufzubauen.

Im Bundestag machen Sie im Auswärtigen Ausschuss Politik. Wie beurteilen Sie die Initiativen für Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine?

Wir müssen die Ukraine so stark machen, dass sie in der Lage ist, Russland die Stirn zu bieten. Dabei darf es keine Denkverbote geben – auch nicht, wenn es um die Lieferung bestimmter Waffensysteme wie Kampfjets geht. Wenn es eine rote Linie gibt, dann nur die, dass wir uns nicht selbst am Krieg beteiligen. Putin muss merken, dass der Krieg nicht auf dem Schlachtfeld zu gewinnen ist. Nur dann wird es zu Verhandlungen kommen.

Ist ein Frieden ohne Gebietsverluste für die Ukraine denkbar?

Das kann nur die Ukraine als souveräner Staat selbst entscheiden.

Russische Aktivisten belasten den Zusammenhalt in NRW

Wie beurteilen Sie die Unterstützung des Angriffskriegs durch Teile der russischen Community in NRW?

Das ist eine schwere Belastungsprobe für das Miteinander. Viele Russen konsumieren nur russische Medien und fallen so auf Putins Propaganda rein. Sein Narrativ, er führe einen Krieg gegen Nazis in der Ukraine, stößt daher vielfach auf fruchtbaren Boden. Auf die Desinformation fallen aber nicht nur Russen rein. Auch in der Linkspartei sind viele der Meinung, die Nato sei Russland zu dicht auf die Pelle gerückt.

Die Kölner CDU hat einen neuen Chef. Was bedeutet das für das Ratsbündnis?

Ich setze mich dafür ein, dass wir die Zusammenarbeit mit unseren Partnern wie verabredet bis zum Ende der Wahlperiode fortsetzen. Es wäre kontraproduktiv, das Bündnis aus taktischen Gründen platzen zu lassen, falls die Frage darauf anspielen sollte.

Serap Güler will nicht OB-Kandidatin in Köln werden

Haben Sie selbst Interesse an einer OB-Kandidatur?

Nein. Das strebe ich für die nächste OB-Wahl nicht an. Ich bin in den Deutschen Bundestag gewählt worden und möchte meine Arbeit dort über 2025 hinaus fortsetzen.