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Kölner Suchtpsychologe„Menschen werden durch Cannabis-Konsum unter die Räder kommen“

Lesezeit 3 Minuten
Ein Mann zündet sich einen Joint an.

Cannabis wird ab 1. April teilweise legalisiert. Ein Kölner Suchtpsychologe befürchtet, dass das für einige Menschen zum Problem werden könnte.

Ulrich Frischknecht von der Katholischen Hochschule NRW ist von den geplanten Präventionsmaßnahmen der Bundesregierung nicht überzeugt.

Seit dem Ostermontag, 1. April, ist Cannabis nach langen Diskussionen legalisiert. Der Besitz und Anbau zum Eigenkonsum für Volljährige ist nun erlaubt. 25 Gramm Cannabis darf jeder Erwachsene bei sich haben. In den eigenen vier Wänden dürfen es sogar 50 Gramm sein, zusätzlich zu drei Pflanzen, die man zur eigenen Ernte halten darf. Bislang waren der Erwerb und Besitz von Cannabis verboten – der Konsum jedoch nicht.

Eine Zäsur der deutschen Drogenpolitik kann Ulrich Frischknecht, Professor für Sucht und Persönlichkeitspsychologie an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen, in dem neuen Cannabisgesetz daher nicht so wirklich erkennen. Bis auf den Aspekt der Entkriminalisierung.

„Für die meisten Cannabis-Konsumierenden wird das Gesetz positiv sein, weil sie dann keine Strafverfolgung mehr befürchten müssen“, sagt Frischknecht, „aber um die geht es gar nicht – sondern um die Menschen, die durch den Konsum unter die Räder kommen werden“.

Bundesregierung will Cannabis-Prävention stärken – nur wie?

Der Suchtpsychologe geht davon aus, dass die selbst gesteckten Ziele der Bundesregierung nicht mit dem Cannabis-Gesetz erreicht werden dürften. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will einen besseren Gesundheits- sowie Kinder- und Jugendschutz ermöglichen – weil weniger Cannabis mit beigemischten schädlichen Substanzen und hohen Konzentrationen auf dem Schwarzmarkt gekauft werden. Zudem sollen Prävention und Aufklärung stärker fokussiert werden.

Ulrich Frischknecht, Professor für Sucht und Persönlichkeitspsychologie an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen-

Ulrich Frischknecht, Professor für Sucht und Persönlichkeitspsychologie an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen.

Wie das konkret aussehen soll, ist unklar. Bislang gibt es nur die Webseite info-cannabis.de der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Die Bundesregierung hat zudem in einer dem ARD vorliegenden Protokollerklärung vor der Entscheidung des Bundesrats zusätzliche Mittel angekündigt: Über 2024 hinaus sollen Mittel zur Cannabisprävention in Höhe von sechs Millionen Euro fortgeschrieben werden. 1,5 Millionen Euro sollen für Lebenskompetenzprogramme investiert werden. Mit 20 Millionen Euro will der Bund bis 2027 ein Zentrum für Präventionsarbeit fördern.

Ulrich Frischknecht überzeugt das alles jedoch nicht, da in Deutschland sehr viel auf sogenannte Verhaltensprävention gesetzt werde. Bei der liegt die Verantwortung zur Verhinderung von Sucht in den Händen des Individuums, indem etwa über Risiken informiert wird. Sodass man den suchterkrankten Menschen sagen könne: Du hättest es ja besser wissen müssen. Frischknecht: „Diese Schuldzuweisungen sind bigott, wenn man bedenkt, was wir über die Unvorhersehbarkeit der Risiken wissen und dann Drogen unter dem Label ‚legal‘ positivieren.“

Eine Form der Verhältnisprävention wäre für Frischknecht zielführender. Also dass Lebensumstände geschaffen werden, in denen man gar nicht wiederholt auf Drogen wie Cannabis zurückgreifen will. Aber das ist eben teurer und aufwendiger.

Suchtpsychologe Frischknecht: Suchthilfe benötigt jetzt mehr Förderung

Ähnlich sei es schon bei Nikotin, Alkohol und auch Glücksspiel. Sie seien zwar nicht grundsätzlich verwerflich, aber sie hätten eben potenziell das Risiko, süchtig zu machen. Genauso wie Cannabis. Zusätzlich könne die Droge bei anfälligen Menschen Psychosen, Angststörungen oder Depressionen auslösen.

Es sei zwar oft verständlich, warum manche für die kurzfristig angenehmen Wirkungen dieses Risiko auch wissend in Kauf nehmen. Daher könne das nicht nur durch Aufklärungskampagnen vollständig abgefedert werden. „Dieses Gesetz ist eine total verpasste Chance, weil es nicht sicherstellt, dass diejenigen, die dabei verlieren werden, adäquate Unterstützung bekommen“, meint Ulrich Frischknecht. Die bekommen diese Cannabis-Verlierer überwiegend in der Suchthilfe. Doch die sei seit Jahren finanziell nicht gut aufgestellt, zusätzlich zur Überlastung durch den auch in dieser Branche bestehenden Fachkräftemangel.

Der Suchtpsychologe glaubt zwar nicht, dass mit der Legalisierung sehr viel mehr Menschen in die Abhängigkeit rutschen werden, aber besser werde ihre Versorgung nicht. Frischknecht hätte sich einen anderen Fokus beim Cannabisgesetz gewünscht: „Wenn man schon so eine drogenpolitische Neuorientierung anstrebt, dann hätte man auch das Hilfesystem mit entsprechenden Mitteln ausstatten müssen.“