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WasserknappheitDie größten Wasserverbraucher in NRW zahlen kaum Gebühren

Lesezeit 4 Minuten
Wasser läuft aus einem Wasserhahn in ein Glas.

In vielen Kommunen NRWs wird zum Wassersparen aufgerufen (Symbolbild).

Auch in diesem Jahr rufen viele Kommunen ihre Bürger zum Wassersparen auf. Doch der größte Wasserverbraucher ist die Industrie. Und die profitiert von niedrigen Tarifen.

Obwohl der diesjährige Sommer im Vergleich zu den Vorjahren regenreich verläuft, fehlt es auch dieses Jahr in vielen nordrhein-westfälischen Kommunen an Wasser. So etwa im Oberbergischen Kreis: Mit Ausnahme von der Agger und der Wupper, ist es den Menschen dort untersagt, Wasser aus Flüssen, Seen und Bächen zu pumpen. Wer das trotzdem tut, muss mit Strafen von bis zu 50.000 Euro rechnen. Der Kreis ging sogar so weit, das Verbot bis in das Jahr 2026 auszuweiten. Die nächsten drei Jahre soll es für die warme Jahreshälfte gelten.

„In den letzten Jahren gab es einen konstanten Wassermangel. Eine grundlegende Änderung dieser Situation ist derzeit nicht absehbar. Auch kurze und extreme Regenspenden lassen keine Verbesserung der Situation erwarten“, begründet der Kreis diesen Schritt. Um die Funktionsfähigkeit der Ökosysteme aufrechtzuerhalten, sei das Verbot unerlässlich.

RWE größter Wasserentnehmer in NRW

Ähnliche Verbote wurden in diesem Jahr bereits im Kreis Viersen, in Emmerich oder im Kreis Coesfeld ausgesprochen. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (Lanuv) sieht Nordrhein-Westfalen trotz der Maßnahmen einzelner Kommunen ausreichend mit Wasser versorgt: „Nordrhein-Westfalen ist ein sehr wasserreiches Land. Dies gilt für die Grundwasservorkommen ebenso wie für Oberflächengewässer“ antwortet die Behörde dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Auch für die kommenden Jahrzehnte sei ausreichend Trinkwasser vorhanden.

Trotzdem: Der Wassermangel dürfte sich aufgrund des Klimawandels auch in Nordrhein-Westfalen weiter verschärften. Wasser sparen müssen bisher aber vor allem die Bürger. Dabei sind die größten Wasserverbraucher Industrieunternehmen. Laut einer Auswertung für das Jahr 2019 des Umweltbundesamtes gehen rund drei Viertel des gesamten Wasserverbrauchs auf die Kappe der Industrie. Und für ihren üppigen Verbrauch zahlen sie in vielen Bundesländern einen geringen Preis, auch in NRW. Je nach Branche und Zweck liegt der Preis für Unternehmen hier bei 3,5 bis 5 Cent pro Kubikmeter Wasser. Wie unsere Grafik zeigt, machen einige Konzerne von diesen günstigen Preisen regen Gebrauch.

Unter den Top-Zehn der größten Wasserentnehmer 2022 finden sich neben Wasserwerken, die Trinkwasser aufbereiten, drei Unternehmen: der Energiekonzern RWE und die Chemiekonzerne Evonik und Currenta. Vor allem der Wasserbedarf von RWE sticht heraus: Mit ihren Tagebauen in Hambach, Garzweiler und Inden machen sie einen Verbrauch von rund 480 Millionen Kubikmeter Wasser aus, was 480 Milliarden Liter Wasser entspricht. Das Wasser wird laut RWE genutzt, um die Tagebaue stabil zu halten. Es komme aber auch als Kühlwasser für Kraftwerke zum Einsatz. Ein kleiner Teil des Wassers werde außerdem als Trinkwasser aufbereitet.

RWE sieht keinen Anlass zum Wassersparen, beteuert aber, dass der Wasserbedarf bereits sinke: „Die Menge des geförderten und genutzten Grundwassers ist bereits stark zurückgegangen und wird im Zuge des bevorstehenden Kohleausstiegs und der damit verbundenen Tagebau- und Kraftwerksstilllegungen weiter sinken.“

BUND fordert höhere Wassergebühren

Currenta liefert das Wasser nach eigenen Angaben hauptsächlich an den Chemiepark-Standort Dormagen, wo es vor allem zu Kühlzwecken eingesetzt wird. Das Unternehmen betont jedoch, dass der größte Teil des geförderten Wassers nach der Nutzung wieder in den Wasserkreislauf zurückgeführt wird. Zudem habe man sich mit einer „dedizierten Roadmap“ verpflichtet, den Wasserverbrauch zu reduzieren. Konkrete Einsparziele nennt das Unternehmen nicht. Evonik dagegen schon. Auch hier wird Wasser zur Kühlung in der Energieerzeugung, aber auch in der chemischen Produktion benötigt. Bis 2030 wolle man den Wasserverbrauch unter anderem durch Investitionen in moderne Infrastruktur senken – um drei Prozent.

Ob das reicht? Das Landesumweltministerium zumindest sieht keinen Handlungsbedarf. Ein Sprecher des Ministeriums hält die aktuellen Entgelte, die Unternehmen zahlen müssen, für ausreichend: „Das Wasserentnahmeentgeltgesetz dient als ökonomischer Hebel zum vorsorgenden Schutz der natürlichen Wasserressourcen und ist zugleich ein Beitrag zur vorsorgenden Anpassung an künftige Klimaveränderungen.“ Seit 2007 sei der Verbrauch in der Industrie ohnehin rückläufig und wäre um knapp ein Drittel gesunken.

Karsten Rinke arbeitet beim Helmholtzzentrum für Umweltforschung und ist Experte für Wassermanagement. Auch er ist davon überzeugt, dass sich ein Teil des hohen Wasserverbrauchs in Zukunft von selbst erledigt. „Durch die Dekarbonisierung wird in Zukunft viel weniger Wasser zur Kühlung von Kraftwerken gebraucht“, sagt er. Trotzdem sei eine gerechte Verteilung des Wassers wichtig. Dies sei aber besser durch Verteilungsinstrumente wie Wasserrechte zu bewerkstelligen, als über höhere Entgelte: „Wenn man das Problem nur mit ökonomischen Hebeln lösen will, trifft man überproportional die kleinen Unternehmen.“

Dirk Jansen, Geschäftsführer des Umweltverbandes BUND NRW, ist anderer Meinung. Er fordert höhere Wassergebühren für Unternehmen, aber auch für Landwirte, die bisher gar nichts zahlen müssen. Angesichts der Herausforderungen durch den Klimawandel müsse die Wasserverschwendung gestoppt werden, so Jansen. „Dem Wasserentnaheentgeltgesetz kann dabei eine ökologische Lenkungswirkung zukommen – wenn es denn eine angemessene Höhe hat. Momentan scheint dies nicht der Fall zu sein. Hier muss nachgesteuert werden.“

Und auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) kommt zu einem ähnlichen Schluss. „Um künftig Nutzungskonflikte zu vermeiden, sollten gezielte Maßnahmen zur nachhaltigen Wasserentnahme der Industrie, wie eine effiziente Wassernutzung als Voraussetzung für Entnahmegenehmigungen, umgesetzt werden“, bilanziert das DIW in einer Studie aus dem vergangenen Jahr. Insbesondere die Bevorzugung der Industrie, „die derzeit große Mengen zu sehr niedrigen Preisen verbraucht“, müsse aufgehoben werden.